Duderstadt. Nach neuen Missbrauchsvorwürfen gegen früheren Bischof Janssen gibt es Forderungen, nach ihm benannte Straße in Tiftlingerode umzubenennen.

Die neuen Missbrauchsvorwürfe gegen den inzwischen verstorbenen Altbischof Heinrich-Maria Janssen hat jetzt der Vorsitzende der Kolpingsfamilie Tiftlingerode, Gerd Goebel, zum Anlass genommen, die Umbenennung der Bischof-Janssen-Straße an der Kolping-Ferienstätte in Tiftlingerode zu fordern. „Der Antrag fällt mir schwer, zumal Bischof Heinrich-Maria Janssen in Tiftlingerode die neue St.-Nikolaus-Kirche eingeweiht und uns in Zeiten des Kirchenbaus unterstützt hat“, argumentiert Goebel, zugleich Ortsbürgermeister in Tiftlingerode und CDU-Ratsherr im Stadtrat Duderstadt. „Die gewährte Unterstützung steht aber in keinem Verhältnis zu den massiven Vorwürfen von bisher fünf Missbrauchsopfern.“

Externe Experten beauftragt

Beim Bistum Hildesheim hatte sich ein heute 70 Jahre alter, früherer Messdiener gemeldet, dessen Schilderungen zufolge es im Bistum ein regelrechtes System gegeben habe, in dem Priester dem Bischof potenzielle Missbrauchsopfer zugeführt hätten. Der amtierende Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hatte die Ausführungen des Mannes als glaubhaft eingestuft und sich in einer Pressekonferenz erschüttert geäußert. „Wir können nicht dazu schweigen, wenn ein Bischof als möglicher Missbrauchstäter genannt wird“, sagte Wilmer. Er kündigte an, „schnellstmöglich externe Experten“ mit einer Untersuchung der damaligen Umstände zu beauftragen. „Wir wollen wissen, welche Rolle Bischof Janssen tatsächlich gespielt hat.“

Die Reaktionen im Eichsfeld auf die neuen Missbrauchsvorwürfe gegen Bischof Janssen und den Vorstoß Goebels, den Straßennamen zu ändern, gehen weitgehend in eine Richtung. Beispielsweise begrüßt die SPD-Fraktionsvorsitzende Doris Glahn, dass Bischof Wilmer den Missbrauchsvorwürfen im Bistum „konsequent nachgeht und alle Vorwürfe aus der Vergangenheit aufklären will“. Da jetzt erstmals die Situation bestehe, dass externe Experten die Verdachtsfälle aufarbeiten sollen, so Glahn weiter, sollte zum jetzigen Zeitpunkt das Ergebnis abgewartet werden. „Sollten die Vorwürfe bestätigt werden, muss dringend gehandelt werden.“ Ähnlich argumentiert der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Diedrich. „Die Kirche muss das aufklären“, sagt er und rät dazu, abzuwarten, „was daraus wird“. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen und sich sogar herausstellen, dass System dahinter steckte, dann müsste sich der Stadtrat „ernsthaft darüber Gedanken machen, den Straßennamen zu ändern“, so Diedrich.

„Ein Schritt nach dem anderen“

Propst Bernd Galluschke warnt vor „Schnellschüssen“, was den Vorstoß Goebels angeht. Diese Reaktion sei zwar verständlich, er plädiert aber dafür, das Ergebnis der Experten-Untersuchung abzuwarten und dann gegebenenfalls „auch die Konsequenzen zu ziehen“. Sollten sich die Vorwürfe erhärten und gegebenenfalls ein ganzes System dahinter stehen, könnte er auch mittragen, wenn der Straßenname geändert würde, so Galluschke, „aber ein Schritt nach dem anderen“.

Thomas Gerlach, Fraktionsvorsitzender der WDB im Rat der Stadt Duderstadt, erinnerte daran, dass schon 2015, als die ersten Missbrauchsvorwürfe gegenüber den früheren Bischof Janssen geäußert worden waren, über die Umbenennung der Straße diskutiert worden sei. Damals hätten sich die Vorwürfe weder bestätigen noch widerlegen lassen, so dass der Verwaltungsrat 2017 den WDB-Antrag zur Straßenumbenennung nicht weiter verfolgt hatte.

„Tief erschüttert“

„Tief erschüttert“ habe er die neuen Missbrauchsvorwürfe vernommen, sagte Duderstadts Bürgermeister Wolfgang Nolte (CDU), und setzt seinerseits auf die von Bischof Willmer angekündigte „transparente und zügige“ Untersuchung. Die Stadt Duderstadt werde vertiefend Gespräche mit dem Bischof, dem Kolpingwerk und weitere betroffenen Städten und Gemeinden führen, kündigte Nolte an.

Danach werde abschließend beraten und entschieden. Sollten sich die Tatvorwürfe bestätigen oder verdichten, gehe er davon aus, dass der Stadtrat ernsthaft über eine Straßenumbenennung, wie sie Ratsherr Goebel beantragt habe, diskutieren werde.

„Sollte die Forderung aus Reihen der Kolpingfamilie kommen,“ sagte Jochen Mitschke, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt, sei dem nichts hinzuzufügen. Er beklagt, dass bisher keine juristische Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche erfolgt sei. Gerlach äußerte sich optimistisch, dass der neue Bischof Wilmer im Gegensatz zu seinen Vorgängern Interesse an der Aufklärung habe.