Berlin. In vielen Teilen Südeuropas herrscht Wassernotstand – Seen wie der Gardasee leiden unter Dürren. Eine neue Studie benennt Ursachen.

Eine alarmierende Menge der weltweit größten Seen verliert an Wasserreserven – das ist das Ergebnis einer Forschergruppe, welche Satellitendaten im renommierten Fachjournal "Science" ausgewertet hat. Der Wasserverlust lässt sich größtenteils auf Klimaerwärmung und menschlichen Konsum zurückführen. Dennoch ist nicht alles Verloren: Die Studienautoren präsentieren auch Lösungsansätze, um den Rückgang des Wassers zu minimieren.

Gardasee und Co.: Wasserstände großer Seen sinken drastisch – die Faktoren

Die natürlichen Seen und Stauseen tragen 87 Prozent der weltweiten Süßwasservorräte, obwohl sie lediglich drei Prozent der Landmasse ausmachen, so die Forschungsgruppe. Dennoch sind diese Wasserspeicher global zunehmend bedroht. So meldete zum Beispiel der Nordosten Spaniens kürzlich, dass die Stauseen in Katalonien nach andauernder Trockenheit durchschnittlich nur noch 26 Prozent Füllstand aufweisen – verglichen mit 58 Prozent im Vorjahr. Ähnlich sieht es in Italien aus, wo der Gardasee einen beunruhigend niedrigen Wasserstand aufzeigt.

Ein Mann sitzt neben einem Kind am Gardasee. Der Wasserstand des Gardasees war damals nach einer schweren Dürre stark gesunken, wodurch die Steine, die die Halbinsel von Sirmione umgeben, freigelegt wurden.
Ein Mann sitzt neben einem Kind am Gardasee. Der Wasserstand des Gardasees war damals nach einer schweren Dürre stark gesunken, wodurch die Steine, die die Halbinsel von Sirmione umgeben, freigelegt wurden. © Antonio Calanni/AP/dpa

Die letzten Jahre zeigten bereits Studienergebnisse, dass das Volumen der Seen auf der ganzen Welt abnimmt, wobei der Klimawandel wiederholt als treibende Kraft hinter dieser Entwicklung genannt wurde. Allerdings ist es kompliziert, die genauen Auswirkungen von kurz- und langfristigen Klimaveränderungen auf das in Seen gespeicherte Wasser zu bestimmen, da auch menschliche Aktivitäten, wie das Management von Stauseen, Wassernutzung und Änderungen in der Landnutzung, eine wesentliche Rolle spielen.

Studie liefert neue Erkenntnisse: Über 50 Prozent aller Seen leiden unter Wasserverlust

Eine Studie unter der Leitung des Hydrologen Fangfang Yao von der University of Colorado in Boulder liefert jetzt ein differenzierteres Bild. Die Wissenschaftler entwickelten eine Methode zur Messung von Schwankungen der Wasserstände in nahezu 2000 der größten Seen und Stauseen weltweit, die zusammen rund 90 Prozent des in Seen gespeicherten Süßwassers umfassen.

Eine Anlegestelle im Sau-Stausee ist trockengefallen, nachdem der Wasserstand in dem See, etwa 100 km nördlich von Barcelona, gesunken war. Die Behörden in Spaniens ausgedörrtem Nordosten warnten zu der Zeit, dass Barcelona und das Umland in den kommenden Monaten mit noch strengeren Einschränkungen bei der Wassernutzung konfrontiert werden könnten.
Eine Anlegestelle im Sau-Stausee ist trockengefallen, nachdem der Wasserstand in dem See, etwa 100 km nördlich von Barcelona, gesunken war. Die Behörden in Spaniens ausgedörrtem Nordosten warnten zu der Zeit, dass Barcelona und das Umland in den kommenden Monaten mit noch strengeren Einschränkungen bei der Wassernutzung konfrontiert werden könnten. © Emilio Morenatti/AP

Das Forschungsteam setzte 250.000 Satellitenbilder ein, die zwischen 1992 und 2020 aufgenommen wurden, um Veränderungen der Wasserstände zu erfassen. Die Studie ergab, dass 53 Prozent der weltweiten Seen einen teils erheblichen Wasserverlust erleben. Durchschnittlich beläuft sich dieser auf etwa 22 Gigatonnen pro Jahr, was fast der Hälfte des Wasservolumens des Bodensees entspricht. Interessanterweise wird der Bodensee selbst in der zur Studie veröffentlichten interaktiven Karte als schwindendes Gewässer dargestellt.

Wasserverluste auch in vielen Stauseen: Die Hauptursache ist nicht die Hitze

Zur Erklärung dieser Entwicklung bedienten sich die Wissenschaftler Klima- und Hydrologiemodellen. Laut diesen sind der Klimawandel und menschlicher Konsum hauptsächlich für den Volumenrückgang natürlicher Seen verantwortlich. Überraschenderweise konnte ein Wasserrückgang nicht nur in trockenen, sondern – entgegen früherer Studien – auch in feuchten Regionen wie den Tropen nachgewiesen werden.

In Bezug auf Stauseen hat das Forschungsteam erhebliche Wasserverluste in zwei Dritteln dieser Gewässer festgestellt. Hier sind primär Sedimentablagerungen die Hauptursache. Diese Ablagerungen entstehen, da Staumauern den natürlichen Abtransport von Flusssedimenten wie Sand, Kies oder Geröll behindern. Mit der Zeit sammeln sich diese Sedimente in Stauseen an und führen so zu einer Verringerung ihres Volumens.

Studienergebnisse auch positiv: Mehrere Flüsse führen wieder mehr Wasser

Eine kürzlich veröffentlichte UN-Studie im Fachjournal "Sustainability" warnte bereits davor, dass die globalen Stauseen bis zum Jahr 2050 rund ein Viertel ihrer ursprünglichen Speicherkapazität durch Sedimenteinträge verlieren könnten. Für Deutschland wurde sogar ein Volumenverlust von 35 Prozent prognostiziert.

Obwohl die aktuelle Studie darauf hinweist, dass die Mehrheit der Seen weltweit an Volumen verliert, konnte bei 24 Prozent der untersuchten Gewässer ein bemerkenswerter Anstieg des Wasservolumens festgestellt werden. Dazu zählen Seen in dünn besiedelten Gebieten des inneren tibetischen Plateaus, in den Great Plains der USA und in Regionen mit neuen Stauseen wie den Flussgebieten des Jangtse, Mekong und Nil. Auch die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern wird auf der zur Studie gehörenden interaktiven Karte als See mit steigendem Wasservolumen ausgewiesen.

Duschen im Fitnessstudio, nachts kein Wasser: Folgen der Dürre in Spanien

weitere Videos

    Forscher nennen in Studie Lösungswege für Wasserverlust: Experte nennt ein Beispiel

    Die Autoren der Studie betonen, dass ihre Analyse nicht nur eine Momentaufnahme darstellt, sondern auch Anhaltspunkte für mögliche Lösungswege enthält. "Wenn der menschliche Verbrauch ein zentraler Faktor für den Rückgang der Wasserreserven in den Seen ist, haben wir die Möglichkeit uns anzupassen und neue Strategien zu entwickeln, um den Wasserrückgang großflächig zu reduzieren", erklärt Co-Autor Ben Livneh. Als Beispiel erwähnt er den Sewansee in Armenien, wo eine Regulierung der Wasserentnahme zu einem Anstieg des Wasservolumens geführt hat.

    Die globale Bedeutung von solchen Gesetzen unterstreicht die Geophysikerin Sarah Cooley von der University of Oregon in ihrer Stellungnahme zur Studie. Sie weist darauf hin, dass ungefähr ein Viertel der Weltbevölkerung in Einzugsgebieten großer, austrocknender Seen lebt. Cooley erklärt: "Angesichts der Wichtigkeit dieser Seen für Ökosysteme, Wasserversorgung, Bewässerung und/oder Wasserkraft sind die möglichen Auswirkungen des Austrocknens von Seen sowohl auf lokaler als auch globaler Ebene von erheblicher Bedeutung." (dpa)