Salzburg. Der bekannte Schauspieler Helmut Berger ist tot. Der 78-Jährige glänzte in Filmen von Luchino Visconti – etwa in “Die Verdammten“.

Er war ein Weltstar. Ein Hätschelkind der High Society. Er war Schauspieler und Selbstdarsteller. War Märchenkönig und Albtraum. Er war der schönste Mann der Welt – für eine Weile. Und eine Skandalnudel – das eigentlich immer. Berühmt und berüchtigt für Exzesse und Drogeneskapaden, für Abstürze und Ausfälle. Nun ist Helmut Berger in seiner Heimatstadt Salzburg gestorben. Friedlich, aber unerwartet, wie es heißt. Nur elf Tage vor seinem 79. Geburtstag. An Christi Himmelfahrt – das hätte ihm vermutlich gefallen. Nur drei seiner 70 Filme seien hier genannt, um seine außergewöhnliche Karriere zu umreißen.

  • Als Erstes: „Die Verdammten“ (1969) von Luchino Visconti. Sein erster Kinoauftritt: als Transe, als Marlene Dietrich auf dem Fass. Ein verkommener Industriellensohn, der sich erst an einem Kind und dann an der eigenen Mutter vergeht und unter den Nazis aufsteigt. Schon das Debüt ein Affront. Berger war sofort in aller Munde.
  • Als Zweites: „Ludwig II“ (1973). Wieder von Visconti. Berger spielte den bayerischen Märchenkönig in der ganzen Breite vom jungen, schönen Romantiker bis zum aufgedunsenen, erloschenen, dem Wahnsinn nahen Wrack. Nie war Berger so gut, nie war er so gefordert wie hier. Vielleicht hat es danach aber auch einfach kein Regisseur mehr gewagt, ihm etwas vorzuschreiben.
  • Und schließlich, als Drittes: „Das Bildnis des Dorian Gray“ (1970) nach Oscar Wilde. Ein junger Mann, der, von seiner eigenen Schönheit berauscht, das Leben in allen Zügen genießt, nichts auslässt, ohne Rücksicht auf andere. Viele halten „Ludwig“ für seine größte Rolle, das, was man gern die Rolle seines Lebens nennt.

Tatsächlich dürfte „Dorian Gray“ näher und typischer gewesen sein. Denn auch Berger kostete das Leben in allen Facetten aus. Nur dass er im wahren Leben eben kein Gemälde hatte, das an seiner Stelle alterte. Das Leben grub sich tief in sein Gesicht. Doch Berger stand dazu: „Ich habe drei Leben gelebt. Und das in vier Sprachen!“, hat er einmal gesagt. Und noch bekräftigt: „Je ne regrette rien!“ Das steht nun auch, quasi als Fazit und letzter Gruß, auf der Website seiner Agentur.

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In "Die Verdammten" spielt Helmut Berger die Figur "Martin von Essenbeck". © imago/United Archives

NameHelmut Berger
Geboren29. Mai 1944, Bad Ischl, Österreich
Verstorben18. Mai 2023, Salzburg, Österreich
EhepartnerinFrancesca Guidato (verh. 1994)
ElternHedwig Steinberger und Franz Steinberger

Das Leben, ein Skandal. Heinrich Steinberger, wie er eigentlich hieß, war gerade 20 und Fotomodel, als Visconti ihn entdeckte. Der Kino-Altmeister lehrte und erzog ihn zum Schauspieler. Der fast 38 Jahre ältere teilte aber auch das Bett mit ihm. Der junge Mann bekam nicht nur den kürzeren Künstlernamen Berger verpasst, fortan klebte auch ein Etikett an ihm: Er war der personifizierte Tabubruch. Und lebte das auch genüsslich aus. Hatte Affären mit Diven wie Ursula Andress und Liz Taylor, hatte Sex mit dem Balletttänzer Rudolf Nurejew oder auch mal mit Mick und Bianca Jagger zusammen. Da war er denn ganz Dorian Gray.

Helmut Berger spielte damit, dass man mit ihm auch den Skandal einkaufte

Gleichwohl hat er Visconti wirklich geliebt. Seit 1976, also fast ein halbes Jahrhundert lang, bezeichnete er sich selbst als Viscontis Witwe und sein Leben seither nur noch als Nachleben. In dem er auch schmählich betrogen wurde. Von Viscontis adeliger Familie wurde er fast um das gesamte Erbe geprellt und musste ein eher bescheidenes Leben führen. Weshalb er sich auch gern mal einkaufen ließ. Und damit spielte, dass man mit ihm auch den Skandal einkaufte. Wie in der Fernsehserie „Der Denver Clan“, wo man mit ihm die Quoten steigern wollte, aber dann auch entsprechende Schlagzeilen bekam. Bis man ihn wieder aus der Serie schrieb. Mit Todesverachtung übernahm er auch kleine, unbedeutende Rollen, in denen er kaum mehr war als ein Zitat. Noch einmal aber spielte er, 20 Jahre danach, Ludwig II., in „Ludwig 1881“, nun nur noch den alten Monarchen. Und diesmal musste man ihn kaum noch schminken und aufpolstern zu dem aufgedunsenen alten Mann. Das war er längst selbst.

Da aber war er längst vom Darsteller zum Selbstdarsteller mutiert, dessen einzige Rolle nurmehr der Bürgerschreck war. Auch die aber spielte er mit vollem Ernst und aus tiefster Überzeugung. Schillernder Höhepunkt dieser schamlosen Selbstinszenierung war 1998 seine Autobiografie, die so schlicht wie egozentrisch „Ich“ hieß. Hier teilte er sein Leben in drei Phasen, vor, mit und nach Visconti. Vor allem aber teilte er hier genüsslich aus und bediente ein sensationsgieriges Publikum satt mit Klatsch und Tratsch. Wie er seinen Vorgänger, Alain Delon, nicht in Viscontis Haus ließ. Wie er es mit Nurejew so toll trieb, dass er dabei „pure Geilheit“ wurde. Und dann das berühmte Kapitel mit der weißen Hose: Wie Fürstin Gracia Patricia von Monaco ihn bei einer Gala zum Tanz aufforderte, er aber nicht aufstehen konnte, weil er sich in die Hose gemacht hatte.

Schamlose Schilderungen, vielleicht auch grelle Übertreibungen, die man ihm aber ohne Weiteres zutraute. Weil er ja auch vor laufenden Kameras und in jeder Talkshow alle genüsslich vor den Kopf stieß. Selbst Christoph Schlingensief, ein Provokateur und Enfant terrible wie er, ließ er im Berliner Prater so gnadenlos auflaufen, dass dieser krebsrot und zum kleinen, verlegenen Bub wurde. Das Original ist halt immer besser als die Kopie.

Helmut Berger irritierte mit seinem bizarren Kurzauftritt im „Dschungelcamp“

Und immer wieder machte Berger von sich reden und setzte sich in Szene. Bei seinem bizarren Kurzauftritt im „Dschungelcamp“ 2013. Als er 2015 medienwirksam den 36 Jahre jüngeren Designer Florian Wess heiratete. Als er sich im Dokumentarfilm „Helmut Berger, Actor“ selbst befriedigte. Was nach gerade mal neun Wochen zum Aus der Ehe führte.

All diese grellen Aussetzer sollten freilich die andere, tief verletzte Seite dieses Mannes kaschieren, den auch eine tiefe Einsamkeit umgab. Eher traurig und schmerzlich sind denn auch die letzten Erinnerungen, die man mit ihm verbindet. Wie er 2019 an der Volksbühne, in der kurzen fatalen Intendanz von Chris Dercon, sein spätes Theaterdebüt feierte, mit 73. In „Liberté“. Wo er aber nur reglos in einer Kutsche saß, bis die Produktion nach nur wenigen Vorstellungen abgesagt wurde.

Und dann, im selben Jahr, sein wohl bizarrster Filmauftritt. In Valesca Peters Dokumentarfilm „Helmut Berger, meine Mutter und ich“. Der Mutter der Filmemacherin tat der vereinsamte Star leid, sie lud ihn ein, bei ihr zu wohnen. Er sagte überraschend zu. Der Bürgerschreck und Paradiesvogel in einer bürgerlichen Ersatzfamilie. Natürlich konnte das nicht gutgehen und scheiterte vor laufender Kamera.

Seither war es still geworden um den Star. Nun heißt es Abschied nehmen von diesem Mann jenseits aller Kategorien, der leidenschaftlich verehrt und leidenschaftlich verachtet wurde, der aber niemanden gleichgültig ließ. Ein Außenseiter, ein Eigenbrötler bis zuletzt. Aber immer auch das: ein unbedingtes Original.