Osterode. Drei Dutzend Lkw brausen am Tag durch Katzenstein bei Osterode am Harz. Ein Rentner aus der Nachbarschaft greift zum Telefon und sucht nach Lösungen.

Ein Lkw brummt im Schritttempo durch die Katzensteiner Straße im Osteroder Stadtteil Katzenstein. Behutsam bahnt sich die Maschine ihren Weg um die Kurve mitten im Wohngebiet. Der Fahrer hat die brennende Zigarette lässig im Mundwinkel – und hebt im Vorbeifahren den Daumen am Fenster in Richtung von Walter Dinkler: Alles in Ordnung. Dinkler grüßt zurück. Denn dass die Lkws in Katzenstein so vorsichtig fahren, ist auch sein Verdienst.

Schwere Last in Katzenstein

Dinkler und seine Frau Roswitha leben schon seit Jahrzehnten in Katzenstein. Der 76-Jährige gehört zu der Sorte Mensch, die nicht lange fackelt, wenn er ein Problem identifiziert hat: „Wenn man nichts macht, dann tut sich auch nichts und wenn man nicht miteinander spricht, sowieso nicht“, sagt er. Neben ihm nickt Thilo Krohe zustimmend. Krohe ist Betriebsleiter bei der Firma Lüer Abbruch und Rekultivierung. Von dort, gleich um die Ecke und jenseits der Söse, kommen die Lkws, die sich jeden Tag auf den Weg durch die Nachbarschaft der Dinklers machen.

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Der Weg vom Gipsbruch führt über eine schmale Brücke am Fluss unmittelbar und unvermeidlich durch das Wohngebiet. Eine enge Kiste – die zahlreichen Schilder für ein absolutes Halteverbot an den Gehwegen deuten schon darauf hin. Das Geschäft läuft gut: Etwa 40 Lastwägen rollen hier jeden Tag hin und wieder zurück. Der Gipsabbau gehört in Katzenstein zum Alltag.

Die Lüer Abbruch & Rekultivierung GmbH betreibt den Steinbruch bei Katzenstein seit 2015. Jeden Tag fahren hier die Lkws durch das Wohngebiet und über die schmale Brücke zur Anlage.
Die Lüer Abbruch & Rekultivierung GmbH betreibt den Steinbruch bei Katzenstein seit 2015. Jeden Tag fahren hier die Lkws durch das Wohngebiet und über die schmale Brücke zur Anlage. © HK | Kevin Kulke

Der Storch hat in Katzenstein geparkt

Doch mit Veränderungen in der Nachbarschaft, erwuchs in Walter Dinkler der Wille zum Handeln: „Wissen Sie,“ erklärt er unserer Zeitung beim Besuch in Katzenstein: „bei uns hat der Storch geparkt.“ Dinkler zählt im Kopf nach, geht gedanklich alle Häuser in der Umgebung durch: Mehr als zehn Kinder sind in den letzten Jahren in seiner Nachbarschaft geboren worden. Und auch seine beiden Enkelkinder bezieht er in seine Analyse der Lage mit ein.

Da bereiten dem sonst so resoluten Katzensteiner die vielen Lkws dann doch Sorge. Nicht immer halten sich diese an die gesetzlich vorgeschriebenen 30 Stundenkilometer im Wohngebiet. Dinkler greift zum Hörer und ruft bei Thilo Krohe an – seit 2015 arbeitet die Firma Lüer hier am Gipsbruch – man kennt sich. Ob es denn eine Möglichkeit gäbe, die Fahrer dazu zu bringen die der Geschwindigkeitsbegrenzung auch sicher einzuhalten? Krohe ist zuversichtlich: Die gibt es.

Eines der Schulder, welche die Firme Lüer auf den Impuls von Walter Dinkler hatte anfertigen lassen. 
Eines der Schulder, welche die Firme Lüer auf den Impuls von Walter Dinkler hatte anfertigen lassen.  © HK | Kevin Kulke

Verkehr und Nachhaltigkeit in Osterode

Das war an einem Montag. Am Freitag darauf hat die Firma Lüer Schilder anfertigen und an die Gartenzäune entlang der Lkw-Route anbringen lassen. Schilder dieser Art gibt es in Katzenstein bereits einige, bei der Menge des Lastverkehrs keine Überraschung. Doch für Krohe war die Aktion trotzdem wichtig: „Wir sind ein Teil dieser Nachbarschaft und wollen hier noch viele Jahre gut einvernehmlich arbeiten. Uns ist bei Bedenken dieser Art immer an nachbarschaftlichen Lösungen gelegen“, erklärt der 46-Jährige.

Die Schilder sind nur der greifbare Bestandteil der Vereinbarung zwischen Dinkler und Krohe. Wichtiger war am Ende, dass Krohe seine Mitarbeiter auf die Problematik nachdrücklich hinweisen konnte: „Wir sind da sehr deutlich und sagen allen Fahrern: Auf der Straße im Wohngebiet gelten seitens unserer Firma sogar nur 20 Km/h.“ Wer sich daran nicht halte, brauche gar nicht wiederzukommen. Bisher scheinen sich alle Lkw-Fahrer an die Ansage zu halten, bestätigt Dinkler.

Die Verständigung ist am Ende für alle Seiten vorteilhaft. Die Dinklers schlafen nachts besser, die Firma Lüer hat Unruhepotenzial an der Wirkstätte eingeschränkt. Krohe sieht seine Kooperation als Beitrag zum nachhaltigen Gipsabbau, denn das Verhältnis zu den direkten Nachbarn gehören eben auch dazu.

Aus der Sicht der zwei Männer ist es eine Win-win-win-Situation. Denn durch die Verkehrsberuhigung profitierten auch die übrigen Menschen im Viertel – jung wie alt.

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