Lerbach. 1793: Baugrundstück gegen Bergwiese getauscht – Ein Rückblick in die Kirchenchronik informiert über die Bauvorhaben im Lerbacher Pfarrhaus.

Vor dem Bau der Pfarre Lerbach 1796 hatte der Pastor seine Dienstwohnung im unteren Stockwerk der 1728 erbauten Holzkirche. Im Jahr 1793 hat der Eigentümer vom Wohnhaus oberhalb der Kirche „Gümpelhof“, Johann Georg Ebeling seinen Gras- und Grabegarten zum Bauplatz des Pfarrhauses abgegeben und für den Grundstückstausch eine Wiese am Glockenturm am Berghang gegenüber der Kirche erhalten.

Im September 1795 wurde das Pfarrhaus mit Baukosten von 2.300 Thaler gerichtet und kurz darauf von Pastor Friedrich Wilhelm Schlägel, seit 1792 im Amt, bezogen. Laut Kirchenchronik beaufsichtigte er die Bauarbeiten und griff persönlich wacker mit zu. Er starb am 3. Ostertag – 10. April 1798 – im 41. Lebensjahr.

An der Südostseite (Hof zum Berghang) wurde auch ein Stallgebäude angelegt. Darin befanden sich die Waschküche sowie Holz- und Kohlelager. Das inzwischen abgerissene Gebäude ist noch heute mit einer Mauer zu erkennen.

Nachdem schon 1856 das Schindeldach des Pfarrhauses durch ein Steindach ersetzt wurde, geschah dasselbe bei der Kirche erst 1875.

Die gepflasterte Lerbacher Dorfstraße 1955. Links ist das Wohnhaus der Familie Aderholt, darunter der „Gümpelhof“ mit Garten, daneben das Pfarrhaus mit Dachgaube, die Kirche und gegenüber das „Knautenhaus“.
Die gepflasterte Lerbacher Dorfstraße 1955. Links ist das Wohnhaus der Familie Aderholt, darunter der „Gümpelhof“ mit Garten, daneben das Pfarrhaus mit Dachgaube, die Kirche und gegenüber das „Knautenhaus“. © Archiv | Rainer Kutscher

Im Jahre 1907 erhielt das Pfarrhaus die beiden im Dachgeschoss untergebrachten Schlafzimmer. Die Kosten dafür wurden aus dem Bauholz-Ablösefond der Pfarre bestritten. Auch die damaligen Verbesserungen am Pfarrhaus sollen noch erwähnt werden, nämlich die Anlage der Wasserleitung aus dem Ilsental im Jahre 1909 und die elektrische Lichtanlage im Jahre 1911. Die Kosten der beiden Anlagen in Höhe von 86 Mark und 198,10 Mark wurden ebenfalls aus dem Bauholz-Ablösefond der Pfarre bestritten. Ein Abriss des Pfarrhauses stand in den 1920er-Jahren zur Diskussion, da das Gebäude vom Messingkäfer befallen war (wir berichteten). Dieser war seit 1905 eine Großplage in dem Gebäude. 1930 wurden die Bekämpfung dann endlich mit Erfolg abgeschlossen und das Pfarrhaus konnte erhalten werden.

Pfarrhausbrand und Neubau 1949

Am 1. Januar 1949 tritt Pfarrer Walther Stapelfeldt das Amt als Pastor in Lerbach an. Bei seinem Dienstantritt bietet sich ihm in der fast 2.100 zählenden Gemeinde ein Bild, das er später in seiner Chronik wie folgt beschreibt: „Das Pfarrhaus ist mit sechs Flüchtlingsparteien und zwei Amtsvorgängern im Wartestand besetzt (Pastor Dohse und Scheer). Die Kirche ist wegen jahrelanger Dachschäden völlig verschwammt. Die Pfarrwohnung des neuen Stelleninhabers besteht aus Amtszimmer und Aktenzimmer. Alle Dächer der kirchlichen Gebäude – Kirche, Pfarrhaus, Nebengebäude, Glockenturm und Rastenhaus auf dem Friedhof – sind defekt.“

Das 1949 erbaute Pfarrhaus in der Fr.-Ebert-Str. 59a, links das Arbeitszimmer vom Pastor, rechts der Gemeinderaum, im Obergeschoss die Wohnung der Pastorenfamilie.
Das 1949 erbaute Pfarrhaus in der Fr.-Ebert-Str. 59a, links das Arbeitszimmer vom Pastor, rechts der Gemeinderaum, im Obergeschoss die Wohnung der Pastorenfamilie. © Rainer Kutscher

Am 14. Dezember 1949 brannte der Dachstuhl des Pfarrhauses. Der Brand wurde gegen 11 Uhr vormittags entdeckt; im Amtszimmer des Pfarrhauses war gerade die Morgenpost abgegeben. Gegen Abend war alles in einem Meer von Löschwasser und Schnee erstickt. Die Schadenssumme betrug 21.500 DM. Von den Sachverständigen der Hannoverschen Brandkasse wurde als Ursache „Glanz-Ruß-Brand“ des großen besteigbaren Schornsteins angenommen. Alle derartigen Schornsteine in Lerbach mussten in der Folgezeit durch neuartige ersetzt werden.

Das Pastoren-Ehepaar – Pastor Stapelfeld hatte am 6. Mai 1949 die OP-Schwester Gertrud Hartmann geheiratet – kam für einige Tage im gegenüberliegenden Haus von Julius Hase unter. Ab Neujahr 1950 nahm die damalige Gemeindeschwester Ida Schlegel diese in ihrer kleinen Wohnung auf. Auch für die obdachlos gewordenen Flüchtlingsfamilien wurden schnell neue Unterkünfte gefunden. Aus der Ehe des Pastors Stapelfeld gingen drei Töchter hervor; Christina 1950, Anke 1952 und Susanne 1956.

Holztafel am alten Pfarrhaus.
Holztafel am alten Pfarrhaus. © Rainer Kutscher

Zahnarztpraxis im Erdgeschoss

1951 richtete die aus Königsberg in Ostpreußen stammende Zahnärztin Frieda Wermke im Erdgeschoss des alten Pfarrhauses eine Arztpraxis ein. Diese blieb bis 1963 bestehen.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde 1950 das neue Pfarrhaus mit Amtszimmer und großem Gemeinderaum im Erdgeschoss und Pastorenwohnung im Obergeschoß sowie im Dachgeschoss Wohnung von Magdalene Westphal – Gemeindehelferin und Organistin gebaut. Nach der Gebietsreform wurde 1973 das alte Pfarrhaus Eigentum der Stadt Osterode und wird heute als Wohnhaus von Mietparteien bewohnt.

An der Hausfassade neben dem Eingang über einer Treppe informiert eine Holztafel über das Pfarrhaus. Die Größe und Fassade ist seit dem Bau 1795 unverändert. Lediglich die Holzschindelbedachung wurde 1875 durch Tonziegel ersetzt. Am darüber stehenden Haus „Gümpelhof“ und der 1728 erbauten Holzkirche informieren ebenfalls Holztafeln über deren Geschichte.