Osterode. In seinem Essay mit dem Titel „Vor 33 Jahren – Ein Tag in der Zone“ hält Firouz Vladi aus Osterode am Harz im November 2022 seine Erinnerungen fest.

Sonntag, 19. November 1989

Es war ein wunderschön sonniger Tag, blauer Himmel und leichter Frost. Am Vortage berichtete der Harzkurier, dass der Sperrstreifen aufgehoben sei. Kurz entschlossen, Papiere geschnappt und von Herzberg mit dem gerade wieder eingerichteten Personenverkehr der Bahn nach Ellrich. Papiere: das waren Pass, Visum für den „Kleinen Grenzverkehr“ und 25 DM für den Zwangsumtausch.

Ein Visum hatte ich zum Glück noch und noch etwas: topographische Karten, also die Messtischblätter, um auch drüben mich orientieren zu können. Als Geologe hatte ich natürlich gute Kenntnis über die Gestalt des ganzen Südharzes, denn die Fachliteratur stammte zum großen Teil noch aus der Vorkriegszeit, ebenso die geologischen Kartenwerke, die wir natürlich frei nutzen konnten.

Die Wegekarte.
Die Wegekarte. © Firouz Vladi

Und genau diese Highlights des Thüringer Anteils der Gipskarstlandschaft Südharz wollte ich vor Ort kennen lernen, nun, da man sich offenbar frei bewegen konnte. Der ganze Tag war also zum Wandern eingeplant mit der noch etwas offenen Vorstellung, wie und wo ich wieder in den Westen zurückkommen könnte. Mit dabei waren nur der kleine Fotoapparat und die Karten. Zu essen gab es vor Ort genug, die Bäume waren noch recht voll mit leicht gefrorenen Äpfeln.

Recht freundlich früh morgens am Bahnhof Ellrich, wo die Personenzüge nun seit ganz wenigen Tagen erst wieder über die Grenze rollten. Passabfertigung, einen guten Morgen und schönen Weg. So marschierte ich durch Ellrich. Bei einer schon offenen Verkaufsstelle etwas Frühstück holen: ging nicht. Am Bahnhof hatten wir den Umtausch der 25 Mark vergessen. Ich ging also wieder dorthin und der dafür zuständige Mitarbeiter der Zollverwaltung der DDR entschuldigte sich sogleich auf das höflichste, es wäre ihm sehr peinlich. Schon hatte ich 25 Mark der Notenbank der DDR (bei uns Mark Ost genannt), die aber den ganzen Tag nicht zum Einsatz zu kommen brauchten.

Beschaubrücke am Grenzbahnhof Ellrich, gesehen vom ehemaligen Grenzübersichtspunkt Juliushütte.
Beschaubrücke am Grenzbahnhof Ellrich, gesehen vom ehemaligen Grenzübersichtspunkt Juliushütte. © Firouz Vladi

Von Ellrich Richtung Osten

So ging es dann mit kühlen und leckeren Äpfeln frohgemutes von Ellrich nach Osten über den Galgenberg und zu einer Sandgrube oder einem Steinbruch, der mustergültig die Überflutung des Südharzes durch das Zechstein-Meer vor 258 Mio. Jahren anzeigte: unten Rotliegend-Sande, darüber etwas Brandungsgeröll als Zechsteinkonglomerat und das schwarze Band des Kupferschiefers, überlagert von einigen Metern plattigen Kalkes. Heute ist der Aufschluss arg zugewachsen, der Abbau schon lange eingestellt.

Nächstes Ziel war die alte Rosskastanie an der Furt über die von Sülzhain herabkommende Sülze. Der Name deutet auf Salz hin; das muss dann später noch erforscht werden, so wie in Förste, wo es ja auch eine Sülte gibt.

Das dunkle Band des Kupferschiefers über hellem Sand, Zeugnis der Überflutung durch das Zechsteinmeer.
Das dunkle Band des Kupferschiefers über hellem Sand, Zeugnis der Überflutung durch das Zechsteinmeer. © Firouz Vladi

Wenig gerade aus nach Osten führt der Feldweg in den Wald zur Kelle, einer großen und seit alters berühmten Höhle im Gips, ein großes Gewölbe mit klarem Höhlenteich, tief unten in einem Erdfall. Beim Herabsteigen auf alten angereiften Stufen ist die zunehmende Kälte zu spüren. Das Gelände ist als FND geschützt, also als Flächennaturdenkmal. Nach Süden angrenzend liegt nur wenig zugewachsen ein alter Gipssteinbruch der ehemaligen Firma Picht. Weiße Abbauwände, Steinbruchsohlen, Gleise, Halden, Bremsberg, Reste von Förderwagen und zwei inzwischen abgerissene Schornsteine zeugen von emsigen Rohstoffunternehmung wohl bis in die 1960er Jahre hinein.

Weiter ging es dann über Felder und Mauerreste, von deren Bedeutung als Fundamente eines ehemaligen Zisterzienserinnenkloster St. Nikolaus über dem heutigen Ortsteil Bischofferode von Woffleben ich erst später erfahren durfte. Auf der östlichen Talseite liegen die Steilwände, Halden und Stollenmundlöcher des Himmelsberges, wo 1944/45 KZ-Häftlinge unter Tage schuften mussten. Davon hatte ich hier noch keine genaue Kenntnis.

Naturdenkmal Rosskastanie an der Sülzefurt, Kleysingen.
Naturdenkmal Rosskastanie an der Sülzefurt, Kleysingen. © Firouz Vladi

Erst drei Monate später führte uns die VEB Bergsicherung Ilfeld in die Stollen, in denen noch Anfang 1990 Braunkappen produziert wurden. Das sind sehr aromatische braune Champignons, die wir während der Erläuterung der an den Wänden zu sehenden geologischen Strukturen hinterrücks zu futtern nicht unterlassen konnten. Leider war der Zuchtbetrieb nicht in der Lage, die Wendesituation ökonomisch zu überstehen, da man sich nicht traute, auf eigene Faust („man müsse erst in Berlin fragen“) diese hervorragenden Produkte in den LPG-eigenen Barkas zu laden und auf den Wochenmärkten etwa in Osterode oder Bad Lauterberg anzubieten.

Schäferhunde am Drahtseil

So kam ich dann am westlichen Ortsrand von Woffleben an die Landstraße und die nun von ihrem Personal, der deutschen Volkspolizei, verlassene Kontrollstelle für die sehr eingeschränkte Einreise in das in einer Breite von etwa 500 m vor der eigentlichen Staatsgrenze West als Schutzstreifen liegende Sperrgebiet. Über einen Feldweg im Wiesengelände ging es bergauf gen Wald und Höhenrücken, um auf der anderen Seite bei der Lochmühle nach Süden ins Wiedatal hinabzusteigen.

Die Kelle, eine berühmte Höhle im Gipskarst zwischen Ellrich und Woffleben.
Die Kelle, eine berühmte Höhle im Gipskarst zwischen Ellrich und Woffleben. © Firouz Vladi

Kurz vorm Waldrande gewahrte ich ein Drahtseil, das in Brusthöhe im Waldrande verlief. Instinktiv wich ich ein wenig zurück, vielleicht zehn Meter. Und schon schnellte mit lautestem Gebell und aufgerissenem Maule ein Schäferhund auf mich zu, kurz vor mir dank des Drahtseils nebst Umlenkrolle mit scharfem Ruck zum Stehen kommend. Ich war nichts ahnend in eine Hundelaufanlage geraten. Im selben Moment fingen auch alle anderen dort angelenkten Hunde an zu bellen, von Talseite zu Talseite. Hoffentlich halten die Drahtseile und Geschirre! Über solche Anlagen war schon in den Nachrichten zu lesen und nach Abzug der Grenztruppen sind die armen Tiere schon seit wenigen Tagen nicht mehr gefüttert worden. Und da kommt nun so ein wohlgenährter Wessi…

Irgendwie war die Hundekette zu umgehen und ich kam - mit schönen Fernsichten in den Südharz belohnt - hinab ins Wiedatal. Kurzer Weg nach links zum Igelsumpf, einem Erdfallteich vor einer hohen Gipssteilwand. Über diese karsthydrologische Struktur hatte Hugo Haase 1936 in seiner Dissertation zur Südharzentwässerung bereits ausführlich geschrieben.

Abbauwand des ehemaligen Steinbruchs Picht.
Abbauwand des ehemaligen Steinbruchs Picht. © Firouz Vladi

Nun ging es teils an der Straße, teils am Wiedaufer entlang westwärts, auch durch Gudersleben. Katzenschwanz und Hundegrube, mit diesen eigentümlichen Namen, die ich in der Karte fand, sind zwei mit großen Erdfällen durchsetzte Abschnitte der Südflanke des Wiedatales beschrieben, zwischen beiden liegt im gerade aufgehobenen Sperrstreifen das Dorf Obersachswerfen mit seinem alten Friedhof. Weit und breit konnte ich nicht wahrnehmen, dass Menschen sich an meiner Wanderung in diesem sonst so peinlichst observierten Raum störten oder dies näher verfolgten.

Hundelaufanlagen

Die Hundelaufanlagen waren Teil der Sperranlagen und befanden sich entweder unmittelbar vor dem Signal- und Sperrzaun II oder zwischen diesem und dem Grenzzaun I. Die von Ihnen geschilderte Situation erfolgte im Verantwortungsbereich der 2. Grenzkompanie (Liebenrode) des Grenzregiments 4. Die Versorgung der an den Hundelaufanlagen eingesetzten Hunde oblag der „Kompanie Sicherstellung der Grenzsicherung in Klettenberg“. Dort gab es eine Hundestaffel, deren Personal für die tägliche Verpflegung der Hunde verantwortlich war.

Der Abbau der Hundelaufanlagen erfolgte sukzessive nach dem 12. November 1989. Im Frühjahr 1990 waren keine Hunde mehr an der „Grenze“. Die Kompanie ist erst im Sommer 1990 außer Dienst gestellt worden. Erst zu diesem Zeitpunkt wurden die Hunde der Grenztruppen allmählich in größeren Kontingenten abgegeben und aus dem „Dienstverhältnis“ herausgelöst. [Frdl. Mitt. Uwe Overdieck, Grenzlandmuseum Bad Sachsa]

Über die Hundegrube, auch als Hunnengrube gedeutet, ging es durch schöne alte und offensichtlich noch bewirtschaftete Streuobstbestände mit Zwetschgen, Kirschen, Äpfeln und Birnen zur kaum noch erkennbaren Burgruine Klettenberg, heute alles ein Teil des Karstwanderwegs Südharz.

Kontrollstelle zum Sperrgebiet westlich von Woffleben.
Kontrollstelle zum Sperrgebiet westlich von Woffleben. © Firouz Vladi

Über die Burgkuppe kommend liegt zunächst rechter Hand die Schlosskirche St. Georgi, später St. Nikolai. Sie machte einen verwahrlosten, so traurigen Eindruck, die Tür war nur angelehnt, alles verstaubt, verdreckt. Drinnen Trümmer, auf der Orgelempore ein Bild des Jammers, der Prospekt zerschlagen, alles Metall, also Orgelpfeifen etc. geplündert. Nur das Taufbecken mit reichlich Zierrat stand noch unbeschädigt im leeren Raume. Welch ein trauriger Anblick!

Anmerkung: große Teile der tragenden Holzkonstruktion waren zerstört und das Dach drohte einzustürzen. Durch Initiative der Denkmalschutzbehörde wird die Kirche als Förderschwerpunkt im Kreis Nordhausen ausgewiesen. Rührige Klettenberger unter Führung von Dr. Karl Schmidt und Tochter haben die Kirche wieder in einen nutzbaren Zustand gebracht, großes Lob! Es bedarf aber noch weiterer Investitionen, zumal die Kirche auf verkarstetem Baugrund aus Gips (z3A) steht. Für Interessierte: www.youtube-nocookie.com/embed/CkkVRCTj0OM.

Der alte Friedhof in Obersachswerfen.
Der alte Friedhof in Obersachswerfen. © Firouz Vladi

Umso schöner aber war die spontane Gastfreundschaft eines älteren Ehepaares Schwarzenberg. Der Herr stand, als ich aus der Kirche herauskam am Gartenzaun, grüßte und fragte, ob ich schon Mittag gehabt hätte. Als ich auf meine halbgefrorenen Äpfel verwies, wurde ich zu einem späten Mittagessen, es war gegen 14.30 Uhr, ins Haus eingeladen, Obergeschoss links. Es lief ein großer Schwarz-Weiß-Fernseher mit dem ZDF-Programm und man erklärte mir, am Morgen noch in Bad Sachsa gewesen zu sein, 100 DM bekommen und sich davon gleich Bananen gekauft zu haben. Man sei dankbar und wolle sich nun gern gegenüber einem Wessi revanchieren. Dass ich von drüben wäre, hatte Herr Schwarzenberger ja schon von seinem Fenster aus an meiner Kleidung erkannt. Dann sah er in meiner Hand das Messtischblatt und meinte, dass so etwas zu haben verboten sei, nur für die Grenztruppen und den Dienstgebrauch. Tja, das war mal, und ein paar Tage später habe ich ihm dann eine saubere Fotokopie mit der Post zugesandt.

Letztes Jahr war ich dort und sah mit Entsetzen, dass das schöne große Fachwerkhaus unbewohnt und dem Verfall preisgegeben ist, der Garten verwildert. Ein Teil der Mauern ist – wie vielfach in Klettenberg – aus Gipswerksteinen und mit Gipsmörtel gebunden. Welch ein Jammer um das schöne und damals so gastfreundliche Anwesen!

Im Wartburg bis kurz vor Mackenrode

Gesättigt ging es auf Schusters Rappen am alten Mühlgraben entlang nach Holbach an der F 243 (wo heute – B 243 - der „Grill brennt“), und nun der tiefstehenden Sonne entgegen nach Westen gen Mackenrode. Ein Stück durfte ich auf der Fernstraße in einem Wartburg mitfahren, aber kurz vor Mackenrode endete das im Stau, der von der Grenze durchs ganze Dorf hindurch sich den ganzen Tag über schon aufgebaut hatte, alles im bläulichen Zweitaktdunst.

St. Nikolai, Klettenberg, vor der Renovierung.
St. Nikolai, Klettenberg, vor der Renovierung. © Klettenberg | Dr. Karl Schmidt

Die Mackenröder waren toll. Noch vor der Dorfmitte wurde ich von fröhlicher Runde in einen Hinterhof gezerrt und mit feinstem Goldkörnchen abgefüllt. Mit Dankesbezeugungen ging es die Dorfstraße weiter und kurz hinter Dorfmitte wieder diese Freundlichkeit im Hinterhof: Goldkörnchen und etwas zum Futtern. In leichten Schlangenlinien ging es der Grenze vor Nüxei zu. Die Trabbi-Kolonne dampfte vor sich hin und am Schlagbaum mit der provisorischen Grenzabfertigung von hüben und drüben standen Dutzende schaulustige Wessis, winkten den Ossis in ihren Autos zu. Ich als einziger Fußgänger wurde auch stürmisch begrüßt. Nur hatten wir Wessis nie gelernt, allein an der Kleidung zu ersehen, woher jemand kommt. Dennoch danke für den freundlichen Empfang.

Mit dem Trabbi wieder nach Herzberg

Wieder drüben, im Westen. Und wie komme ich von Nüxei nach Herzberg, wo mein Auto am Bahnhof wartete? Ein Westpolizist hatte einen guten Rat parat: Halten Sie doch irgendeinen Trabbi an! Gesagt getan, ein junger Mann im hellblauen Trabbi aus Erfurt nahm mich mit. Wohin er denn fahren wolle? Das weiß ich gar nicht, will eigentlich nur mal rüber gucken.

Baudenkmalwürdiges Wohnhaus in Klettenberg gegenüber St. Nikolai, damals bewohnt, heute kurz vor dem Abriss.
Baudenkmalwürdiges Wohnhaus in Klettenberg gegenüber St. Nikolai, damals bewohnt, heute kurz vor dem Abriss. © Firouz Vladi

Nun, wir fuhren nach Herzberg. Dort lud ich ihn dann, es war ja schon Abend geworden, zum Griechen ein. Das war ihm alles Suspekt, Gyros statt Thüringer, Oliven hatte er noch nie gehört, geschweige gekostet. Und wohin jetzt? Er sollte bei mir übernachten, bezog Quartier in der Stube auf dem Sofa. Nach dem Frühstück könne er sich den Westen dann bei Tageslicht anschauen. Nachts um halb Vier waren Geräusche: er stand auf, zog sich an und wollte weg. Du kannst doch gern bleiben! Nee, ich hab‘ eine Scheißangst, die stecken mich in’n Bau, mein Chef im VEB in Erfurt meldet mich bei der Stasi; ich muss sofort wieder rüber, muss pünktlich am Arbeitsplatz sein. Heute habe ich zu dem armen Jungen leider keinen Kontakt mehr.

So endete vor 33 Jahren mein „Tag in der Zone“. Habe ihn mit allen Einzelheiten bis heute im Gedächtnis behalten. Sicherlich haben viele andere hüben und drüben solche Tage der allgemeinen freudigen Aufgeregtheit damals erlebt. Nach so langer Zeit wird man zum Zeitzeugen; man muss das niederschreiben, damit Erinnerungen an Zeiten, Räume und Menschen dieser Umbruchzeit nicht vergessen werden. Niemand will die Grenze zurück, doch für alle, die ihre Existenz und ihr Verschwinden erlebt hatten, ist sie noch heute eine Art Leitlinie der Südharzer Geschichte.

Noch drei Nachsätze

Wenige Wochen später wollte ich aus rein karstgeologischem Interesse mir den Sülzensee anschauen, einem etwas angestautem Erdfallsee am Ostrand des Mackenröder Forstes. Mit dem Visum zum Kleinen Grenzverkehr fuhr ich bis zur Grenzstation zwischen Nüxei und Mackenrode, parkte und ging zu Fuß weiter. Wohin ich wollte, fragte der Grenzbeamte Ost. Zum Sülzensee, da hinten rechts im Wald! Ach, gehnse doch hin wose wolln, ist doch alles scheißegal jetzt. Das war mal eine richtig menschliche Antwort!

Noch im Januar wurde auf dem Sträßchen zwischen Obersachswerfen und Wiedigshof ein Segment aus dem Metallgitterzaun genommen und ein Grenzüberweg für Fußgänger und Radfahrer eingerichtet und so auch ausgeschildert. Das war im Harzkurier erwähnt. Tags drauf fuhr ich los, mit dem Auto. In der Scheibe am Rückspiegel war ein rotes Schild montiert: „Fahrerlaubnis“. Das war für die niedersächsischen Landesforsten, ich durfte also dienstlich durch den Wald fahren.

Mit dem Trabbi ging es schließlich zurück nach Herzberg.
Mit dem Trabbi ging es schließlich zurück nach Herzberg. © Firouz Vladi

So rollte ich langsam auf die Zaunlücke zu. Dahinter stand rechts ein provisorisches Schilderhäuschen mit zwei bewaffneten Mitarbeitern der Grenztruppen der DDR, also Grenzpolizisten. Mal sehen was passiert. Sie kamen hinter dem Häuschen vor, sahen das rote Schild „Fahrerlaubnis“ und winkten mich völlig unkontrolliert durch. Donnerwetter. Wie verunsichert waren diese jungen Leute plötzlich in Zeiten des Wandels! Nach etwa einer Stunde Spazierfahrt immer scharf am Minengürtel entlang, ging es zurück, wieder langsam auf die Zaunlücke zu. Einer der beiden rauchte. Als ich ankam, drückte er seine Zigarette in einem Astloch einer alten dortigen Kirsche aus. Ich hielt, drehte das Fenster runter und meinte, dass sich das so nicht gehört. Und der arme Kerl mit seiner schweren Bewaffnung entschuldigte sich sofort und winkte mich wieder durch. Acht Wochen früher hätte ich einen Freiplatz in Bautzen bekommen...

Die auch hier verwendeten Begriffe „Zone“ und „drüben“ waren noch vor 40 Jahren Teil des üblichen hiesigen Sprachgebrauchs, keineswegs diskriminierend gemeint, auch in diesem Beitrag nicht. Viel-mehr drückt sich darin ein Stück Sprachgeschichte aus, wie es ja ebenso in der DDR eine Fülle von heute untergegangenen Begriffen gab. Leider untergegangen sind auch sehr DDR-typische Formen des Witzes. Da könnte man jetzt anknüpfen und zu erzählen anfangen, angefangen beim Trabbi, beim Gänsefleisch, beim …

Wer sich über die ehemalige innerdeutsche Grenze weitergehend informieren möchte, dem sei ein Besuch im Grenzlandmuseum in Bad Sachsa angeraten. Weitere Informationen zum Museum gibt es unter der Adresse: www.grenzlandmuseum-badsachsa.de