Brot steht für das Recht auf Arbeit und gerechte Entlohnung, die Rosen für die Möglichkeit, Kinder zu haben und trotzdem berufstätig zu sein. Brot und Rosen – das erhalten alle Frauen anlässlich des Internationalen Frauentages beim Alevitischen Kulturverein Herzberg, der dort schon eine lange Tradition hat. Da dieser 8. März nun auf einen Mittwoch fiel, hatte sich der Vorstand mit dem Vorsitzenden, Ilyas Cangöz, dazu entschlossen, den Frauentag an einem Samstagnachmittag zu feiern. Und die Resonanz war groß. Eingeladen waren Gäste aus Herzberg, Mitglieder des SoVD Herzberg wie vom Schutz-, Beratungs-, und Informationszentrum „Frauen für Frauen“ Osterode.
Wie Cangöz, sagte sei die Geschichte des Internationalen Frauentags auch gleichzeitig ein Stück Geschichte des politischen Kampfes um soziale und politische Gerechtigkeit. Der 8. März ist weltweit ein Tag der Solidarität für gleiche und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen. Ein Ziel sei die rechtliche Gleichstellung und eine existenzsichernde Entlohnung der Erwerbsarbeit. Frauen würden immer noch durchschnittlich etwa 18 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen erhalten, so Cangöz. „Die Frauen wollen im Betrieb mit ihren männlichen Kollegen gleichgestellt sein, gleichberechtigt in Führungspositionen aufsteigen können und gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit haben“. Kinder zu haben, sei immer noch ein Hindernis im Berufsleben. Das Nachsehen hätten meist Frauen, da sie oft Teilzeitarbeitsplätze annehmen müssen. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebe es noch keine wirklich guten Rezepte in der heutigen Arbeitswelt. Mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten würden zudem dafür sorgen, dass von den Erwerbstätigen in Teilzeit Zweidrittel Frauen seien. „Die Armutsfalle schnappt zu – denn bei den Personen, die mit Hartz IV aufstocken müssen, bilden alleinerziehende Frauen eine alarmierende Mehrheit“. Um das zu verhindern, müsse eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich gefordert werden. Hier in dieser Region sei die Arbeitslosenquote der Frauen ziemlich hoch. Von den Frauen, die im Beschäftigungsverhältnis stehen würden, seien auch viele im Mindestlohnbereich.
Er würde auch oft hören, dass Frauen oft nur über Leihfirmen eine Beschäftigung finden würden und dann auch nur befristet. Ihre Arbeitsverträge würden alle zwei Jahre geändert. Sie würden gekündigt, gleichzeitig wieder neu eingestellt und ununterbrochen weiterbeschäftigt, das sei in diesem Landkreis gang und gäbe. „Das sind Tricks der Unternehmen, wie Menschen weiterbeschäftigt werden, damit sie keine Ansprüche mehr haben und ohne Weiteres auf die Straße gesetzt werden können“. Und wie sehe es im Ausland aus? Zudem gebe es unsinnige Kriege, die das Leben für Frauen noch schlimmer machen. „Durch Kriege und Unterdrückung müssen viele Frauen ihr Land verlassen und Schutz bei uns suchen – die Zahl der toten Flüchtlinge hat die Marke von 25.000 schon längst überschritten. Dabei waren viele Frauen und vor allem auch kleine Kinder, die entweder im Meer ertrunken oder unterwegs durch Krankheit oder Erschöpfung gestorben sind“, so Cangöz. Genau wie Frauen aus der Ukraine seien auch Frauen aus dem Irak, Syrien, Afghanistan, Libyen und anderen Ländern, in denen Krieg und Unterdrückung herrscht, nach Europa gekommen. „Hier muss ich leider sagen, dass man die Flüchtlinge mit zweierlei Maß behandelt. Das darf nicht passieren. Flüchtlinge oder unterdrückte Frauen sind alle gleich – es gibt keinen guten oder keinen schlechten Flüchtling“, denn jeder habe das Recht, gleich behandelt zu werden. „Was mich am meisten geärgert hat, als dieser unsinnige Krieg anfing, ist dass Zuhälter am Flughafen, an Bahnhöfen und an der Grenze auf ihre weiblichen Opfer schon gewartet haben“.
Aber es habe auch in anderen Ländern viele Ereignisse gegeben, bei denen Frauen Opfer wurden, wie Jina Mahsa Amini. Amini war eine kurdische Frau im Iran. Weil sie nicht mit Hicap leben wollte, wurde sie verhaftet misshandelt und getötet. Danach habe es sehr große und mutige Proteste in und außerhalb des Irans gegeben.
Wie Cangöz noch sagte, seien alle Angehörige des Alevitischen Kulturvereins gegen Unterdrückung und Ausbeutung aller Art und gegen Kriege. Der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine müsse sofort beendet werden. An dieser Stelle zitierte Cangöz Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der gesagt hat: „Lieber hundert Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen“. Noch sei der Internationale Frauentag notwendig, um die andauernde Diskriminierung von Frauen zu skandalisieren und massiv für dringend notwendige politische Veränderungen einzutreten.
Die Vorsitzende des Vereins „Frauen für Frauen“, Karin Agsen, sagte dass diese Zusammenkunft mit dem Alevitischen Kulturverein anlässlich des Internationalen Frauentages eine lange Tradition habe. Viele fleißige Hände waren an dem Nachmittag am Werk, um den Gästen Gaumenfreuden zu bereiten. Auf den traditionellen musikalischen Rahmen habe man verzichtet, so Cangöz, wegen des schweren Erdbebens in der Türkei und Syrien.