„Die Menschen werden zukünftig wieder mehr Gefühle zeigen können, ohne sich zu schämen.“

In diesen Tagen dreht sich alles um die Corona-Krise. Die Ausbreitung des neuartigen Virus und die entsprechenden Folgen für alle Bereiche bestimmen den Alltag der Menschen. Unser Leben wird auf den Kopf gestellt, und wir wissen nicht, was noch kommt. Natürlich stellt die Redaktion die Berichterstattung über die aktuellen Geschehnisse in den Fokus, wir wollen den Lesern aber auch mit anderen Themen oder auch einmal mit einer Seite „Leserfotos“ ein Stück Normalität bieten. Psychologen raten, sich auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen, und eben nicht nur mit der Krise. Man sollte sich so gut es geht auch mal ablenken, um nicht „durchzudrehen“. Das ist natürlich nicht einfach, auch nicht für uns Journalisten.

Im Minutentakt erreichen die Redaktion zig Nachrichten und Informationen, die gesichtet, gewichtet, geprüft und bewertet werden müssen, bevor sie als sicher veröffentlicht werden können. Kurzfristig muss die Planung geändert und aktualisiert werden, war die Arbeit bildlich gesprochen nur für den Papierkorb.

In dieser schwierigen Lage verwundert es nicht, wenn Menschen neben den zu verarbeitenden Sorgen und Ängsten auch vor dem Einschlafen noch über Berufliches nachdenken und schlecht in den gerade jetzt für die Erholung so wichtigen Schlaf finden. Es hilft meist auch nicht das berühmte Schäfchenzählen. Und ist man dann endlich irgendwann eingeschlafen, sind meist auch die Träume eher beunruhigend.

So ähnlich erlebte auch ich die letzten Nächte, die meist schon zwischen 4 und 5 Uhr endeten. An einem Fenster stehend, erfuhr ich jedoch so etwas wie wohltuende Ruhe, obwohl es jedesmal sehr laut wurde. Der Grund: Ich hörte das Gezwitscher der Vögel, erlebte wie die gefiederten Freunde den Tag einleiteten und sangen, was das Zeug hielt. So bewusst wie dieser Tage hatte ich das bislang noch nicht wahrgenommen.

Diese neue bewusste Wahrnehmung erleben momentan nicht wenige von uns. Wie mir Menschen in Telefonaten immer öfter verraten, werden beispielsweise Ereignisse jetzt viel intensiver erlebt; werden Gefühle leichter gezeigt, selbst dann, wenn man sonst nicht nah am Wasser gebaut ist. Das ist auch eine Veränderung, die die Krise möglicherweise mit sich bringt: Die Menschen werden zukünftig wieder mehr Gefühle zeigen können, ohne sich zu schämen.