„Man stelle sich zum Beispiel vor, der Bundestag käme dann künftig in der Osteroder Stadthalle zusammen.“

„Berlin als Hauptstadt ist okay – aber dort leben? Nein danke!“ So fasste die Deutsche Presse-Agentur Anfang der Woche die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in ihrem Auftrag zusammen, der zufolge rund zwei Drittel der Deutschen mit Berlins Rolle also ganz zufrieden sind – mit deutlichen regionalen Unterschieden, allerdings.

Ein anderes Ergebnis der Umfrage: Vor allem für Kindheit und Lebensabend bevorzugt eine Mehrheit der Befragten Orte mit weniger als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern; was zu der Spinnerei verlockt, sich einmal vorzustellen, Osterode würde die neue Hauptstadt, ganz einfach, weil sie der (zumindest gewünschten) Lebensrealität so vieler Menschen näher ist.

Verlockende Spinnerei

Der Bundestag käme dann künftig in der Stadthalle zusammen, wegen des begrenzten Platzes würde nicht mehr parlamentarisch, sondern in Reihenbestuhlung gesessen. Klarer Vorteil: Der Bundestag müsste endlich eine funktionierende Wahlrechtsreform beschließen, weil 736 Abgeordnete noch viel weniger in die Stadthalle passen als die vorgesehenen 598.

Und anders als in Berlin könnte nicht einfach ein zusätzlicher Gebäudekomplex für immer mehr Büros eingerichtet werden, spätestens an der Rasennarbe der Schachtruppvilla wäre nämlich Schluss. Das würde der Osteroder Denkmalschutz im Zweifel auch gegen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas durchsetzen.

Mit dem Leerstand wäre es jedenfalls bald vorbei, die Abgeordneten müssen schließlich irgendwo wohnen in den Sitzungswochen.

Um Berge voraus

Außerdem hätte so eine Osteroder Republik etwas ganz basisdemokratisches: dass Hauptstädte als politische und kulturelle Zentren mit repräsentativer Architektur auf staatliche Selbstdarstellung zielen, ist vielerorts ein Erbe der Monarchie.

Die zentrale Lage im Land käme dem Verkehr entgegen. Und aus „arm, aber sexy“ würde „um Berge voraus“ – das stünde einer deutschen Hauptstadt international sicherlich besser zu Gesicht.