Walkenried. Wo Humor auf Angst trifft: Ursula Poznanski, Sven Stricker und H. Dieter Neumann lasen beim Krimifestival Mordsharz in Walkenried im Südharz.

Ursula Poznanski setzte sich im beleuchteten Kreuzgang des Klosters Walkenried an den Tisch, schlug ihr Buch auf und las. Mehr nicht. Doch das Mordsharz-Publikum hing geradezu an ihren Lippen und konnte auch von dieser zwölften Lesung des Festivals gar nicht genug bekommen. Kein Wunder, denn „Stille blutet“ fesselt von der ersten Seite an.

Eine Fernsehjournalistin liest die Nachrichten und kündigt an, dass eines der hoffnungsvollen Talente der Wiener TV-Szene in Kürze tot aufgefunden wird – sie selbst. Wenig später wird die Nachricht, die zunächst für einen schlechten Scherz gehalten wird, zur grausamen Wahrheit. Ein mysteriöser Mordfall und definitiv auch ein Buchanfang, den niemand so schnell wieder vergisst.

Sven Stricker: „Sörensen am Ende der Welt“

Zuvor las Sven Stricker aus „Sörensen am Ende der Welt“. Während bei Ursula Poznanski angespannte Stille herrschte, wackelten bei ihm sozusagen die altehrwürdigen Klostermauern, denn seine Zuhörerinnen und Zuhörer kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.

Somit machte dieser Abend deutlich, wie unterschiedlich Krimis und auch wie verschieden Krimilesungen sein können. Allerdings ist Strickers Sörensen nicht nur lustig, denn der Kommissar leidet unter einer Angststörung, die der Autor sehr feinfühlig und mit viel Tiefe beschreibt.

Angststörung mit Humor enttabuisieren

„Es ist die häufigste psychische Krankheit, die es in Deutschland gibt, und ist trotzdem tabuisiert.“ Somit will er mit seiner Figur darauf hinweisen, enttabuisieren – und das eben mit Humor verpackt, weil es so nun mal häufig leichter wird, sich einem ernsten Thema zu nähern.

Genau diese Spanne der Emotionen macht die Romane, die Hörspiele und auch die Verfilmungen mit Bjarne Mädel aus und wohl auch so erfolgreich. In seinen Dialogen schaut Sven Stricker den Menschen aufs Maul, ist pointiert, ohne dabei aber ins Alberne abzugleiten, die Geschichte spart aber nichts aus, was einen spannenden Krimi ausmacht, nimmt sich und die Figuren ernst, überspitzt gekonnt, ist im besten Wortsinne friesisch herb.

H. Dieter Neumann: „Todeslied“

Als Einstieg in diesen letzten Festivalabend stellte H. Dieter Neumann sein „Todeslied“ vor. Mit Sven Stricker gemeinsam hat es, dass es im hohen Norden spielt. In diesem Fall geht es um eine Sängerin, die nicht zur Probe erscheint und daraufhin als vermisst gemeldet wird. Später wird am Strand eine Leiche aufgefunden, einige Urlauber freuen sich regelrecht über die Sensation. Da Sensationen immer auch ein Fall für die Lokalpresse sind entwickelt sich so ein Fall für H. Dieter Neumanns Hauptfigur, die Journalistin Kira Lund.

Im gelungenen Wechsel las der Autor einige Szenen, erläuterte den Fortgang der Handlung und einige Hintergründe zum Buch, fuhr dann fort. Dabei wurde zum einen Lust auf den Roman geweckt, zum anderen wurde deutlich, welch große Lust H. Dieter Neumann hat, verschiedene Dialekte in seine Dialogszenen einzubauen und diese sehr zur Freude seines Publikums dann voll auszukosten.

Genre Krimi hat viel zu bieten

Es waren wie gesagt drei völlig unterschiedliche Krimilesungen, wie überhaupt das Mordsharz-Festival in diesem Jahr wieder einmal deutlich machte, was das Genre Krimi alles zu bieten hat. Zwölf Autorinnen und Autoren aus insgesamt sechs verschiedenen Ländern, dazu drei tolle deutsche Stimmen, vier sehenswerte Orte in drei Bundesländern. All das muss wohl der Grund sein, warum in diesem Jahr so viele das Festivalticket wählten und die meisten oder sogar alle Veranstaltungen besuchten.

Auch die Schriftstellerinnen und Schriftsteller zeigten sich ganz begeistert vom Harz, einige kommen ja schon seit etlichen Jahren immer wieder gerne zu Mordsharz. Andere, die wie Ursula Poznanski zum ersten Mal dabei waren, trafen ihre Fans und etliche Bookstagramer und versprachen, auf jeden Fall wiederzukommen. Somit werden sich Christoph Lampert, Roland Lange, Andreas Sack und Christian Dolle schon bald daran machen, um für 2023 das nächste Harzer Krimifestival zu planen.