Walkenried. Anwohner in Walkenried zeigen sich erschrocken: Das Gewässer ist versandet, nahezu trocken und ohne Leben

Walkenrieds Umgebung ist reich an beeindruckenden Bauten und Ingenieurleistungen gerade aus dem Mittelalter. Offiziell zu den Baudenkmälern gehört dabei der Mühlengraben. Dieser fließt durch den Klosterbezirk und wird sichtbar an der Schloßstraße 8, verläuft durch die Domäne und den Park des Jagdschlosses zum Kalkteich. Er prägt somit das Ortsbild und hat seinem Namen entsprechend auch über mehrere Jahrhunderte die ehemaligen Mühlen mit Wasser versorgt – er steht in engem Zusammenhang mit dem Zisterzienserkloster und somit auch des Unesco-Weltkulturerbes. Und er war auch ein wahres Biotop für Kleinlebewesen, für Fische, Flusswasserkrebse und vieles mehr.

Heute: Ein Rinnsal ohne Leben

Doch das war einmal, wie Frank Stricker, durch dessen Grundstück ein Teil des Mühlengrabens verläuft gegenüber unserer Zeitung feststellt. Der Graben ist mittlerweile zu einem Rinnsal ohne Leben verkommen. „Als direkte Anwohner haben wir keine Erinnerung daran, dass der Graben im Sommer jemals trocken gefallen wäre, er führte immer genug Wasser. Da der Graben direkt durch unser Grundstück fließt und damit natürlich ein besonderes Highlight darstellt, haben wir ihn mit Baugenehmigung der Gemeinde Walkenried, auch im Hinblick auf Hochwasserschutz, für viele Tausend Euro und kompletter Eigenleistung ohne jegliche Unterstützung über Jahre hinweg aufwendig saniert. Wichtig ist zu erwähnen, dass wir auf diesem Grundstück ein sehr altes Wasserentnahme- und Einleitungsrecht haben“, erklärt Stricker eingangs. Und nicht nur das: das Team vom Klostermuseum hat Führungen durch den Bereich des Unterklosters veranstaltet, „und anhand unseres Grundstücks konnten sie den Besucherinnen und Besuchern die Bedeutung des altertümlichen Mühlengrabens näherbringen.“

Doch damit ist es vorbei: In den vergangenen zwei Jahren habe es gravierende Veränderungen gegeben: „Wo sich Fische, Flusswasserkrebse und Süßwassermuscheln als intaktes Biotop zeigten, sieht man heute oft nur noch ein lebloses Rinnsal.“

Sanierung ohne Konzept

Ein Problem sieht der Walkenrieder darin, dass es seiner Ansicht nach kein komplettes Konzept für die Sanierung des Grabens gebe. „Statt ihn im Ganzen zu betrachten und nötige Sanierungsarbeiten durchzuführen, wurden immer wieder hier und da zusammenhanglos Entscheidungen getroffen.“ So sei zum Beispiel das Wehr verfallen, zur gleichen Zeit an anderer Stelle verunreinigtes Oberwasser vom Neubaugebiet sowie der Bahnhofstraße zusätzlich eingeleitet worden. „Das führt dazu, dass der Graben bei Starkregen an manchen Stellen hochwassergefährdet sein dürfte“, so seine Einschätzung.

Dass es auch anders gehe, habe sich in Osterode gezeigt, wo die Bremke saniert wurde.

Der Mühlengraben in Walkenried in normalen Zeiten. 
Der Mühlengraben in Walkenried in normalen Zeiten.  © Privat | Frank Stricker

Wasserrechte neu vergeben

Außerdem wurden zusätzliche Teiche im Oberlauf an den Mühlengraben angeschlossen „und erst kürzlich neue Wasserrechte für Privatpersonen erteilt. Obwohl in der Satzung der Gemeinde Walkenried klar definiert ist, dass Wasser nur mit Schöpfgeräten entnommen werden darf.“ Hierin sieht Stricker einen gewissen Widerspruch: Schläuche für Pumpen, die unberechtigt Wasser entnehmen, wurden in der Vergangenheit abgeschnitten, im gleichen Zug aber Rechte für Einzelne vergeben. „Eine Information an uns als Wasserrechtsinhaber hinsichtlich Bedenken hat nicht stattgefunden. Das alles führt dazu, dass manche Anwohner sich wegen Überflutung ihrer Grundstücke große Sorgen machen und darum bitten, Hochwasserschutz einzubauen, also den Graben zu regulieren. Während wir, am unteren Lauf des Grabens, zusehen müssen, wie der Graben auf einer Länge von etwa einem Kilometer vertrocknet und Tiere sterben.“

Gerade mit Blick auf mögliche Gefahren auf Hochwasser bleiben aus Sicht des Walkenrieders viele Fragen unbeantwortet. Er selbst habe vorgesorgt und sämtliche Kosten solcher Maßnahmen getragen. „Jegliche finanzielle sowie materielle Unterstützung wurde abgelehnt.“ Vor allem aber wundert er sich über die Entwicklung des Grabens, die scheinbar niemanden interessiere.

Negative Entwicklung in zwei Jahren

„Da der Mühlengraben in den letzten Jahrzehnten immer gut funktioniert hat, stellt sich die Frage, was ist in den letzten zwei Jahren plötzlich falsch gelaufen? An der Wassermenge selbst kann es offensichtlich nicht liegen.“ Zusammen mit Nachbarn und seiner Frau hatte er im Jahr 2020 mit Leitungswasser Fische und Krebse über die Zeit gerettet und, wenn möglich, in einen anderen Fluss umgesetzt.

„Auch von einem weiteren Anlieger wissen wir, dass er viele Fische vor dem Verenden gerettet und in die Wieda gebracht hat.“ Seitens der Verantwortlichen sei nichts unternommen worden, obwohl man ständig interveniert habe. „Da im oberen Bereich des Bachlaufs Wasser vorhanden war, hatten wir ihn mehrfach freigeräumt, so dass er wieder lief, doch leider wurde er immer wieder verschlossen. Statt Abhilfe zu schaffen, wurden wir noch torpediert, belächelt und die verendenden Tiere als invasiv bezeichnet. Ein Anlieger mit Teichen im unteren Bereich des Gewässers berichtete uns, dass bei ihm in der Zeit hunderte Karpfen verendet sind. Hierzu darf es nicht wieder kommen. Es kann nicht sein, dass an anderen Stellen halbherzige, nicht zu Ende gedachte Entscheidungen ganze Biotope absterben lassen und das Ortsbild zum Negativen verändern. Es ist an der Zeit das große Ganze in Betracht zu ziehen und angemessene Regelungen und Maßnahmen einzuleiten.“

Streitthema bereits im Jahr 2018

Dabei stand das Thema Mühlengraben bereits im Jahr 2018 einmal größer im Fokus bei der Gemeindeverwaltung und Ortspolitik. Auf der Sitzung des Ortsrates Walkenried teilte der damalige Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters, Christopher Wagner, mit, dass man sich eben aufgrund von zahlreichen Beschwerden dem Graben annehmen müsse.

Insbesondere sollten die Wasserrechte geklärt werden. Auch damals erklärten Anwohner bereits, dass sie morgens und abends mit Eimern Teile des Grabens wässern, damit die dort lebenden Krebse und andere Tiere überhaupt überleben können.

Graben wird umgeleitet

Und auch damals wurde moniert, dass ein Walkenrieder den Graben umleite, um seinen eigenen Teich zu füllen. „Das geht natürlich keinesfalls, so darf sich niemand bedienen“, erklärte auch der damalige Ortsbürgermeister Claus Eggert. Er wie auch Wagner betonten, diesem Problem nachgehen zu wollen.

Der Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters konnte aber auch von anderen eigenartigen Spielereien berichten, die die Walkenrieder mit dem Mühlengraben trieben. So würde regelmäßig am Wehr hin- und hergestellt – „je nachdem wie es manchem scheinbar zum Zulauf passt.“ Dabei würde es sogar so weit gehen, dass Unbekannte die Schlösser, die der Bauhof angebracht hat, um eine Manipulation des Wehrs zu verhindern, geknackt und durch andere ersetzt haben. An dem Problem scheint sich bis heute nichts geändert zu haben.

Frank Stricker hofft aber, dass es vonseiten der Verwaltung und Politik ernster genommen wird – um den Mühlengraben als das zu erhalten was er ist: ein Industriedenkmal besonderer Güte, ein Biotop und Heimat für Fische, Krebse und andere Tiere.