Bad Lauterberg. Streik und Prügeleien: Anlässlich des Jahrestags der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler gibt es einen Vortrag in der KGS zum Widerstand

„An die Stelle der ,sozialen Phrasen’ treten die Bajonette der Reichswehr und die Revolver der mordenden SA- und SS-Kolonnen“ – dieser Ausschnitt aus einem Flugblatt, mit dem die KPD zum bundesweiten Generalstreik aufgerufen hat, unmittelbar nachdem Paul von Hindenburg Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt hatte, zeigt, dass man schon damals absehen konnte, welche Art von Regierung Deutschland blühte: eine, die ihre Ziele mit Waffengewalt und sogar Mord durchsetzen würde. Trotzdem gelang es nur in wenigen Orten, tatsächlich kleinere Streiks umzusetzen. Einer davon war Bad Lauterberg im Harz.

Die tatsächliche „historische Dimension“ des Tages ist nicht absehbar gewesen, mahnt Künstler und Historiker Bernd Langer im Hinblick auf die damalige Perspektive. „Dass am Abend des 27. Februar der Reichstag brennen würde, die Nazis dann mit dem Ermächtigungsgesetz handeln würden, all das konnte man noch nicht wissen.“

Zeitzeugen erinnern sich an Aufmarsch der Nazis in Lauterberg

Trotzdem: Gerade in Bad Lauterberg wehrte man sich gegen die Machtdemonstrationen der Nazis. Diese wollten ihren ersten großen Aufmarsch in Bad Lauterberg am 9. April 1932 durchführen, der Tag vor der zweiten Reichspräsidentenwahl, so Langer. Er erklärt: „Hitler kandidierte gegen Hindenburg um das Amt, das in der Weimarer Republik durch allgemeine Wahl ermittelt wurde. Die SPD unterstützte in diesem Fall den parteilosen Hindenburg, um Hitler zu verhindern.“

Titelseite vom Roten Sender mit Aufruf zum Streik mit Antifa-Fahne, Proleten usw.
Titelseite vom Roten Sender mit Aufruf zum Streik mit Antifa-Fahne, Proleten usw. © Privat | Archiv Bernd Langer

Der geplante Nazi-Aufmarsch wurde von Antifaschisten „von der Straße gefegt“, so der Zeitzeuge Fritz Ließmann. Ein weiterer Zeitzeuge, der spätere SPD-Ortsvorsitzende Wilhelm Ahrens, beschrieb Anfang der 1990er Jahre, wie er das Ereignis als Kind erlebt hatte: Die Ankunft eines Busses bei Riemann, dem damaligen Schützenhaus und Stammlokal der SA, habe seine Aufmerksamkeit erregt. „Das war ja damals eine Seltenheit.“ Die Ankömmlinge hatten Musikinstrumente dabei und so folgten Ahrens und seine Spielkameraden dem Umzug. In der Hauptstraße kamen den Nazis dann aber die damalige KPD und unorganisierte Linksstehende entgegen, so der Zeitzeuge. Die beiden Gruppen gingen aufeinander los. „Wir sind denn als Kinder weggelaufen oben an den Scholben. Wir wussten ja nicht was hier unten los war. Wir hatten Angst“, erinnert sich Ahrens.

Reichstagswahlen: KPD triumphiert in Bad Lauterberg

Historiker Bernd Langer hat das Nachspiel zusammengetragen: „Es gab Festnahmen und Ermittlungen. Die Große Strafkammer Göttingen verhandelte etwas später im Hotel Ratskeller. Angeklagt waren Karl Peix und weitere Kommunisten. Der Jungarbeiter Willi Voigt rettete durch sein Tatbekenntnis Peix vor der Verurteilung. Verurteilt wurden: Wilhelm Bockelmann (KPD) zu zwei Monaten und Fritz Hofmeister (KPD) zu drei Monaten. Ebenso standen zwei SA-Männer wegen bewaffneter Teilnahme an einem Aufzug und Widerstand vor dem Gericht. Die Staatsanwaltschaft forderte fünf Monate für die Nazis.“

Die Kommunisten behielten zunächst einen starken Rückhalt in Bad Lauterberg: Bei der Reichstagswahl im am 31. Juli 1932 stimmten die meisten Wahlberechtigten in Bad Lauterberg für die KPD. Mit 1626 Stimmen war die kommunistische Partei fast doppelt so stark wie die SPD mit 822 Stimmen.

Bei den Wahlen am 6. November 1932 triumphierte die KPD erneut, allerdings mit leichten Einbußen. Die Wahlergebnisse aus Der Rote Sender, einer im damaligen Juli gegründeten Zeitung der örtlichen KPD-Gruppe Unterbezirk Bad Lauterberg (UBL): Nazis 1197 (1617), SPD 822 (881), KPD 1566 (1626), andere Parteien 509 (416). Zur Einordnung: Mit knapp 40 Prozent der Stimmen hatte die KPD einen Anteil erreicht, den die NSDAP nicht einmal bei den – nicht mehr legalen Wahlen – im März 1933 erreichen sollte.

Die KPD ruft zum bundesweiten Generalstreik auf

Als Hitler dann am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt wurde und die KPD zum bundesweiten Generalstreik aufrief, taten die Bad Lauterberger Kommunisten ihr Bestes, um mitzumachen. Langer betont dabei das eigentliche Ziel der KPD: Die Partei wollte Hitler verhindern, um darüber einen allgemeinen Umsturz des Systems zu bewerkstelligen, erklärt Langer. Das Engagement gegen die Nazis sei vom übergeordneten politischen Ziel dominiert worden, ein Sowjetdeutschland anstelle einer parlamentarischen Demokratie zu schaffen. Das vorrangige Mittel der KPD? Streiken – und die dazu gehörige Überzeugungsarbeit, damit möglichst viele mit streiken.

Die Sturmabteilung (SA) bei der 1.-Mai-Demo in Bad Lauterberg. „Der erste größere Aufmarsch in der Stadt überhaupt“, sagt Bernd Langer.
Die Sturmabteilung (SA) bei der 1.-Mai-Demo in Bad Lauterberg. „Der erste größere Aufmarsch in der Stadt überhaupt“, sagt Bernd Langer. © Privat | Archiv Bernd Langer

Das gelang am Tag von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler und am Tag darauf nur bedingt. Nur im württembergischen Moringen gelang ein Generalstreik. In anderen Kommunen blieb es bei Versuchen. In Herzberg haben Kommunisten beispielsweise vor mehreren Betrieben zum Streik aufgerufen. „Es ist jedoch niemand beobachtet worden, der auf Grund dieser Aufforderung seinen Arbeitsplatz verlassen hat“, schreibt das Göttinger Tageblatt am 2. Februar 1933.

Was sich in Bad Lauterberg abspielte

Bernd Langer hat anhand von Quellen wie etwa dem Roten Sender und Veröffentlichungen von Historikern rekonstruiert, was sich damals in Bad Lauterberg abspielte: Die Kommunisten trafen sich am Abend des 30. Januars und beschlossen, am folgenden Tag einen Streik auszulösen.

Viele von ihnen waren arbeitslos, konnten daher nicht selbst streiken. Also versuchten sie, die Arbeiterinnen und Arbeiter daran zu hindern, an ihren Arbeitsplatz zu gelangen und drangen teilweise sogar in die Betriebe ein, um Teile aus Maschinen auszubauen und so die Produktion lahm zu legen. Manche kletterten auf die Schornsteine der Fabriken und brachten dort rote Fahnen an. „Sie haben die Dampfpfeife der MIAG7 in Gang gesetzt und zum Streik aufgerufen. Es gab aber keine Mehrheit in der MIAG und auch nicht in der Baryt. Zu viele sind durch den Baryt-Zaun gekrochen und an den Arbeitsplatz gegangen. Vor den Fabriktoren standen Streikposten“, beschreibt KPD-Mitglied Theo Schlösser.

Die Nazis übernehmen die Kontrolle

„Um den Streik und den Widerstand der Kommunisten zu brechen, wurde schließlich massiv Polizei mit SA und SS eingesetzt“, erklärt Historiker Langer. „Die Kontrolle über die bestreikten Betriebe und Bad Lauterberg war binnen weniger Tage wiedergewonnen. SA-Leute mussten auf die hohen Schornsteine steigen, um die roten Fahnen herunterzuholen. Es folgten Entlassungen und Strafverfahren, vor allem wegen Landfriedensbruch.“

Die nationalsozialistische Niedersächsische Tageszeitung nannte die Aktion später einen „unerhörten Terror der KPD“.

Bernd Langer hält am kommenden Samstag, 28. Januar, ab 16 Uhr in der Mensa der Kooperativen Gesamtschule Bad Lauterberg, Zechenstraße 112, einen Vortrag zum Widerstand gegen Hitler in Bad Lauterberg. Der Vortrag ist mit Dokumenten sowie Aufnahmen von Zeitzeugen unterlegt. Zur Person: Langer stammt aus Bad Lauterberg und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der antifaschistischen Geschichte.