Windhausen. Die Politik beschäftigt sich mit dem Strukturwandel und der Dorfmoderation. Über die Fortführung der Dorf-App Crossiety ist noch nicht entschieden.

Die Schlagworte Ehrenamt, Vernetzung und Kooperation zogen sich wie ein roter Faden durch die jüngste Sitzung des Ausschusses für Jugend, Soziales, Kultur und Tourismus im Rathaus in Windhausen. Ob beim Thema Strukturwandel, beim Bericht der Vernetzungsstelle Dorfmoderation und schlussendlich auch bei der Dorf-App „Crossiety“, in der Sitzung wurde wieder einmal deutlich, wie wichtig es in Zeiten des demografischen Wandels ist, frühzeitig zu agieren und Akteure zu verknüpfen.

Um die Ausschussmitglieder auf den aktuellen Stand zu bringen, berichtete die Demografiebeauftragte des Landkreises Göttingen, Regina Meyer, über die demografische Entwicklung und den Strukturwandel in den Niedersächsischen Kommunen. „Ist der demografische Wandel ein Schreckgespenst oder eine Chance?“, fragte Meyer, wobei sie dies als rhetorische Frage verstanden wissen wollte. Gerade die Gemeinde Bad Grund habe schon auf unterschiedliche Weisen bewiesen, die Chance in offensiver Weise zu ergreifen.

Zu dem Profil des Referats, zu dem das Demografiemanagement zählt, gehört das Herstellen von Synergien, das Vernetzen im Denken und Handeln, das Sammeln und Analysieren von Bevölkerungsdaten und sozialen Lagen. Zu den Angeboten gehört die Engagementförderung, hier besonders die Servicestelle Bürgerschaftliches Engagement Give und der Demografiebeirat.

Weniger, älter, bunter und ärmer

Konkret zur Gemeinde Bad Grund sagte Meyer, was bereits bekannt ist, nämlich, dass „wir weniger, älter, bunter, vereinzelter und ärmer werden“. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet das für die Gemeinde einen prognostizierten Rückgang der Bevölkerung bis zum Jahr 2035 zwischen 13 und 23 Prozent. „Das ist so, das war auch schon vor zehn Jahren so“, so Meyer. Allerdings komme der Fachkräftemangel deshalb auch nicht von ungefähr.

Zum einen würden die Menschen heutzutage zum Glück immer älter, aber die Schattenseiten seien eben auch, dass es mehr pflegebedürftige Menschen gebe. Leider steige auch die Altersarmut zunehmend. Dazu sagte Meyer, dass der Landkreis einen Runden Tisch initiiert habe, der sich gerade mit den steigenden Energiekosten befasst. „Wir stemmen uns mit allen Mitteln dagegen, und hoffen, dass der Bund einen Gaspreisdeckel einführt“.

Bad Grund hat Vorreiterrolle

Zum Baulücken- und Leerstandskataster berichtete der Projektmanager Innenentwicklung, Nikolai Simon-Hallensleben, über den aktuellen Stand. Demnach sind aktuell in Willensen 21, in Windhausen 47, in Eisdorf 59, in Badenhausen 81, in Bad Grund 149 und in Gittelde 85 Wohnungen mit drohendem Leerstand vorhanden. „Es ist an uns allen, diese Entwicklung positiv zu begleiten“, so Simon-Hallensleben.

Gerade Bad Grund nehme eine Vorreiterrolle ein in Bezug auf das Entgegenwirken von Leerstand und demografischer Entwicklung, wie zum Beispiel mit der Genossenschaft und dem Verein Zukunftsbergstadt, ergänzte Meyer. „Bleiben Sie am Ball und nutzen Sie alles, was geht.

Margitta Kolle (Vernetzungsstelle Dorfmoderation Südniedersachsen) und Regina Meyer, Demografiebeauftragte, waren zu Gast in der Ausschusssitzung in Windhausen.
Margitta Kolle (Vernetzungsstelle Dorfmoderation Südniedersachsen) und Regina Meyer, Demografiebeauftragte, waren zu Gast in der Ausschusssitzung in Windhausen. © HK | Herma Niemann

Um den Begriff Daseinsvorsorge ging es auch in dem Beitrag der Vernetzungsstelle Dorfmoderation Südniedersachsen (DoMo Sn) mit Margitta Kolle. Kolle hob die Wichtigkeit der sogenannten drei Ks bei der Dorfmoderation hervor, nämlich Kommunikation, Kooperation und Koordination, wobei sie dies noch durch Z wie Zuhören ergänzte. Seit 2008 gebe es schon Dorfmoderationen. Zu den Aufgaben der Vernetzungsstelle DoMo SN gehören Information und Unterstützung der Ehrenamtlichen durch das Hauptamt, Organisation und Netzwerktreffen wie auch unter anderem die Qualifizierung.

Vernetzung als Schlüssel

Als Dorfmoderation werde die zurückgenommene Aktivität, die komplementär zum Wirken der Bürgermeister oder Ortsräte erfolge, verstanden. Sie soll Verstetigung organisierter Dorfentwicklung aus dem Dorf heraus voranbringen und ein stabiles Netzwerk im Dorf oder dorfübergreifend aufbauen. „Der Schlüssel zur Verstetigung ist die Vernetzung“, so Kolle. Und was man jetzt anstoßen könne, würde dazu beitragen, dass man sich zum Beispiel im vorher genannten Jahr 2035 noch wohl fühle im Ort.

Schlussendlich kann auch eine Dorf-App wie Crossiety Verbindungsglied zwischen Demografie und Dorfmoderation sein. Deshalb wurde dieses Thema nach inzwischen einem Jahr der Erprobungsweise (in Eisdorf/Willensen und Bad Grund) ebenso im Ausschuss behandelt. Simon-Hallensleben berichtete dazu, dass es in dieser Region 713 Nutzer der App gebe und insgesamt 78 Gruppen. Zu der Resonanz sagte er, dass aus Eisdorf und Willensen positive Rückmeldungen kamen, hingegen Bad Grund eher zurückhaltender agiere. Aufgrund von Corona wurde die Einführungsphase bis Ende dieses Jahres verlängert.

Ergänzend sagte Simon-Hallensleben, dass die Stadt Osterode mit den Ortsteilen ab Januar die App einführe. Ausschussmitglied Jens Schimpfhauser sagte, dass die Nutzung in Eisdorf voll gegeben sei, und dass es schade sei, dass dies nicht auch in Bad Grund funktioniere und die App nicht auch in andere Ortsteile getragen worden sei.

Dazu erklärte Bernd Hausmann, dass sich ja jeder aus der gesamten Gemeinde habe anmelden können. Zudem sagte Hausmann, dass es eigentlich fast immer dieselben Mitglieder seien, die etwas posten. „Wenn die App von der Mehrheit nicht gewünscht ist, dann ist es so“. Mario Teuber berichtete, dass man sich in der SPD-Fraktion darüber unterhalten und zu dem Schluss gekommen sei, dass der Austausch nicht so groß sei auf der App. Zudem würden die Kindergärten sowieso lieber mit der Kita-App arbeiten.

Vereine mit ins Boot holen

Petra Pinnecke betonte, dass die App in Eisdorf gut laufe und man sie auch gerne behalten würde, wobei sich die Frage der Finanzierung stelle. In der Sitzung kam auch ein Zuhörer zu Wort: Dieter Sinram aus Eisdorf, der selbst ein begeisterter Anwender der App ist. „Das, was man mit der App erreicht, hat man vorher mit keinem Schaukasten gehabt“, so Sinram.

In Eisdorf sei man gerade dabei, die Vereine mit ins Boot zu nehmen, um dem demografischen Wandel zu begegnen. Hier sei die Kommunikation das A und O, und wenn man das gut machen wolle, ginge das nicht mit Whatsapp, E-Mail oder einer Homepage. Sinram bat darum, jetzt, da Osterode auch bald dabei sei, die App auch in der Gemeinde weiterzuführen.

Wie Udo Küster von der Koordinierungsstelle für Vereine und Verbände sagte, wolle Osterode die Vereine, die Verwaltung und die Wirtschaft sowie den Handel mit ins Boot nehmen und für die zwei Jahre 50.000 Euro für die App in die Hand nehmen. Der Ausschuss einigte sich darauf, dass die Entscheidung im Verwaltungsausschuss und danach im Rat getroffen werden soll.