Braunschweig. Mit „countryfizierten“ Hits wurden The Twang überregional populär. Sänger Henrik Ballwanz erzählt die Band-Story. Eine Jubiläumsparty gibt’s auch.

Jippie yeah – 25 Jahre The Twang. Mit ihrer „Countryfizierung“ haben die fünf Musiker offensichtlich einen Nerv getroffen. Nach wie vor flippen die Fans aus, wenn die Braunschweiger bekannte Poptitel im Country-Gewand auf die Bühne bringen. Mitstampfen, Mitklatschen, Mittanzen gehören zum Programm. Aus der Schülerband ist eine feste Musikgröße geworden. Wir sprechen mit Hank Twang alias Henrik Ballwanz über frühen Ruhm, Skurrilitäten, echte Erfolge und eine fette Geburtstagsparty am Samstag, 10. Juni, mit vielen Gästen im Wolters-Applaus-Garten.

Was war der allererste Gedanke – wo und von wem – der zur Bandgründung führte und den Stil „Countryfizierung“ prägte?

Da gab es zwei Impulse: Zum einen war ich mit meinem Kumpel Arvid, später bekannt als A.K. Twang, in Texas. Da haben wir gesehen, wie cool Country sein kann. Ganz selbstverständlich ohne Hut, ohne Linedance, ohne Verkleiden. Das wollten wir auch, aber eben mit einer Idee, die uns von den „üblichen Verdächtigen“ in Deutschland unterscheidet. Na und diese Idee kam, als ich ebenfalls mit Arvid ein Konzert der großartigen finnischen Band Eläkeläiset gesehen habe. Die haben Welthits in Humppa-Versionen gespielt, und sowohl die Band als auch das Publikum hatten dabei Riesenspaß. Da haben wir eins zu eins zusammengezählt – die Idee der Countryfizierung war geboren.

Was bedeutet der Name? Wer sind die Twangs? Was ist die Geschichte hinter den Figuren?

Twang steht für einen Gitarrensound, den Duane Eddy geprägt hat – ein sehr halliger Klang, den er angeblich erstmals in einem leeren Wasserturm eingespielt hat. Wenn Du den hörst, dann denkst Du an Rock’n‘Roll, Surf und eben Country. Das passte also. Wir hatten den Namen zur Idee schon, bevor wir alle an Bord hatten. Und da das Ganze eine Band ist, gibt es auch nicht wirklich eine Geschichte zu uns Musikern. Sollte unsere Geschichte mal verfilmt werden, dann gibt’s hier aber das ganze Programm: vom letzten noch lebenden Fahrer einer Wells-Fargo-Kutsche bis zum unehelichen Enkel von Hank Williams...

The Twang noch ganz frisch auf einem Bandfoto aus dem Jahr 2004.
The Twang noch ganz frisch auf einem Bandfoto aus dem Jahr 2004. © The Twang

25 Jahre! Kannst Du ein paar Höhepunkte oder Skurrilitäten nennen...

Wahrscheinlich viel zu viele für dieses Interview... Ich persönlich bin von den vielen Kooperationen im Studio und auf der Bühne nachhaltig berührt. Wir haben ziemlich schnell die Erfahrung gemacht, dass die Countryfizierung offenbar vielen Menschen Spaß macht, so dass wir mit Leuten von den Mavericks, mit dem Pianisten von Johnny Cash oder auch mit Bela B. von den Ärzten zusammengearbeitet haben.

Klaus Voorman hat das Cover für unser „Guide“-Album gestaltet, wir haben bei einer TV-Gala, die hart zwischen Schlager und Country schwankte, einen Preis als beste Newcomerband gewonnen, wir durften in den Sugarhill Studios in Houston aufnehmen, wir haben an der Cote d’Azur gespielt und in Dänemark. Um aus diesen Erinnerungen mal die Luft rauszulassen: Wir haben auch mal vor nur knapp zehn Leuten in Bielefeld gespielt, und in Aschaffenburg brach ein Jubel im Saal schlagartig ab, als das Publikum merkte, dass Revolverheld offenbar eine Vorband – nämlich uns – hatten.

Spielt ihr noch in Originalbesetzung?

Jein! Marshall (Gitarre), Beano (Gitarre) und ich sind seit der Gründung dabei. Der Reverend kam von Anfang an noch unter seinem Künstlernamen Hartmut El Kurdi oft als Gastmusiker zu unseren Konzerten, bevor er ganz einstieg. Wenig später stand Randy am Bass und 2010 kam Rusty dazu, der Arvid an den Drums ablöste. An dieser Besetzung hat sich seitdem nichts geändert. Dazu kommen allerdings oft noch Top-Gäste, wie derzeit Karsten Brudy an der Pedal-Steel.

Seid ihr Freunde? Ist Freundschaft wichtig, um gemeinsam zu musizieren?

Ja, ganz klar! Beano, Marshi und ich haben schon in der Schule zusammen musiziert – übrigens dem Lessinggymnasium, dessen jetziger Leiter Mathias Schröder als „Stimme der Vernunft“ quasi Bandmitglied ohne Instrument ist. Die Musik hat uns sicherlich zusammengeschweißt. Wer weiß, ob wir alle noch so viel Kontakt hätten, ohne Twang. Schließlich wohnen die Jungs mittlerweile in Braunschweig, Hamburg und Hannover. Musizieren geht natürlich auch ohne Freundschaft, aber dann hält eine Band nicht ein Vierteljahrhundert.

2008: The Twang in den Sugarhill Studios Houston mit dem legendären Lap-Steel-Gitarristen Herb Remington.
2008: The Twang in den Sugarhill Studios Houston mit dem legendären Lap-Steel-Gitarristen Herb Remington. © The Twang

Wie kommen die Songs zu euch? Schlägt jeder mal etwas vor? Gibt es No-Gos?

Tatsächlich sollen die Songs auch erkannt werden können, das heißt abwegige, kleine Perlen countryfizieren wir nicht. Aber No-Gos aus geschmacklichen Gründen gibt es kaum. Da können wir uns nicht aus dem Fenster lehnen, denn in unserem Repertoire befinden sich sogar Songs von Bohlen, und heimlich haben wir auch schon Mickie Krause countryfiziert – aber das Stück haben wir dann tatsächlich in den Giftschrank gesperrt.

Fünf Alben, immer wieder Konzerte und Touren. Reines Hobby? Könntet ihr auch von der Musik leben – und würdet ihr das wollen?

Neben den regulären Alben haben wir ja noch Kuriositäten wie ein Album mit texanischen Session-Musikern („International“) oder eine EP mit Westernversionen von Braunschweiger Ikonen („BS West“) veröffentlicht. Die Frage reines Hobby oder Berufsmusiker stellte sich ziemlich früh, denn nachdem uns unser Hamburger Label unter Vertrag nahm, hatten wir auch Angebote von zwei sogenannten Major-Labels, die wir beide schwer geschmeichelt abgelehnt haben. Wir hatten zu viele Freunde im Bekanntenkreis, die ihren Job für die Musik aufgegeben hatten und dann fallengelassen wurden und ganz schön strampeln mussten, um wieder auf die Beine zu kommen. Vielleicht waren wir auch etwas feige. Wir haben uns damals nicht vorstellen können, dass das Konzept so lange trägt. Naja, und mit Rusty haben wir ja auch einen ausgebildeten Schlagzeuger, der von der Musik lebt – allerdings nicht von The Twang.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ihr reist immer wieder nach Amerika. Wo genau hin? Und was passiert da? Die schönste Anekdote? Oder auch zwei?

Texas! Immer wieder Texas! Ohne Texas kein Twang. Ich war dort 1992 bei einem Uni-Austausch und bin mit einem Freund in eine Studenten-WG nach Austin gekommen. Das Haus war so eine Art Party-Hub, und alle machten Musik! Wir waren kaum in der Uni, aber auf wirklich vielen Bühnen in Austin, Houston, San Antonio, aber auch New Orleans. Das war eine Initialzündung – sehr viele der damals geschlossenen Freundschaften bestehen immer noch. Und die Leute sind jetzt Profimusiker, Booker, Club-Besitzer und auch Politiker. Das heißt, schon zwei Jahre nach der Bandgründung tourten Twang durch Texas, und wir haben noch mehr Freundschaften geschlossen. Marshi und ich haben uns auch dieses Jahr wieder Anregungen beim SXSW-Festival geholt. Wir können uns rühmen, dass wir mit Grammy-Gewinnern, Country-Legenden und Outlaws zusammengearbeitet haben.

Und – das wiegt viel mehr – irgendwie sind wir der strange deutsche Satellit einer texanischen Musikszene. Wir haben einen Club in Marfa eingeweiht, haben auf dem Buck Owens Birthday Bash gespielt. Allerdings tut es mir noch heute für eine Studentengruppe aus Berlin leid, die an ihrem letzten Abend einer Exkursion nach Houston eine authentische texanische Country Band sehen wollte und sich dachte: „Twang im Continental Club, was kann da schon schiefgehen?“

Gibt es Groupies?

Ha!

Warum spielt keine Frau in eurer Band?

Touché. Bei Bandgründung waren wir eben Greenhorns, und jetzt bilden wir eine Wagenburg um jedes einzelne Bandmitglied. Aber – und vielleicht zählt das ja auch – wir haben sowohl bei den Shows als auch bei den Alben immer wieder weibliche Unterstützung. Zu nennen wären da Malaika Lehner, Kim Carson, Cindy Cashdollar, Rania Kurdi, Meike Schrader, Meike Koester und noch einige mehr.

The Twang im Sommer 2022 beim Lammer Open Air
The Twang im Sommer 2022 beim Lammer Open Air © Erwin Klein

Was ist dein Rat für junge Musiker, die auch mit einer Band an den Start gehen wollen?

Naja, wir leben ja nicht alle von der Musik. Deswegen sind es sicherlich andere Maßstäbe und Tipps, die wir geben können. Ich persönlich würde sagen, wenn man für eine Musik brennt, dann sollte man sie einfach machen.

Egal welche Musikrichtung! Und dann schnell aus dem Übungsraum raus auf die Bühnen. Es herrscht gerade so eine angenehme Aufbruchstimmung in der Musik, dass es wieder junge fruchtbare Jazz-, Rock- und Pop-Szenen gibt. Da geht etwas – wenn auch der Profiweg sicherlich deutlich steiniger geworden ist. Und selbst im hippen Country- und Folk-Bereich gibt es so viel Bewegung, wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr.

25 Jahre, in euer Sprache Twangtyfive. Gefeiert wird am 10. Juni im Applausgarten mit einem Ein-Tages-Twang-Festival. Lesungen und Konzerte von Wegbegleitern, Vorbildern und guten Freunden sind angekündigt. Erkläre mal jemanden, der euch nicht kennt, was an dem Tag passiert.

Das wird im wahrsten Sinne eine Riesensause, die es in dieser Form sicherlich nicht wieder geben wird. Ein komplettes Festival auf der Applaus-Bühne. Von 16 Uhr bis 23 Uhr gibt es im Applausgarten ein wirklich volles Programm mit Sets von großartigen Musikern, aber auch eine Lesung von Frank Schäfer zusammen mit Hartmut El Kurdi, der dann vermutlich aus dem Twang-Nähtäschchen plaudert bzw. liest.

Die Indiegos sind schon ewig lange Freunde und man kann auch sagen Vorbilder von uns, denn Markus Schultze, Jan Jacobsen und Florian Arnold haben ja früher auch zusammen in der großartigsten Band der Region – „Sisyphean Task“ – gespielt. Und Markus hat schon angekündigt, dass das Indiegos-Set im Applausgarten wohl ein Throwback in diese Zeiten sein wird, mit einer Menge Roots-Rock-Anklängen. Das wäre ein echtes Geschenk an uns und an alle, die „Sisyphean Task“ auch vermissen.

Mit Jon Flemming Olsen haben wir einen Tausendsassa auf der Bühne, den wir auch schon seit den Anfangstagen der Band kennen. Mit seiner Band Texas Lightning haben wir einst in Hamburg mehrfach zusammengespielt, und dann gingen sie mit ihrem ESC-Hit „No no Never“ steil. Flemming ist ein begnadeter Songwriter: Seine Songs berühren oder bringen Dich zum Lachen oder gleich beides. Und klar, ja, Flemming ist der Ingo aus „Ditsche“... Flemming wird sein Solo-Programm spielen, aber wir werden ihn uns auch für die Twang-Show schnappen.

Micha Rohrbeck war mal ein paar Jahre als Malcolm Twang unterwegs und war davor und danach poppender Punkrocker oder auch punkrockender Popper. Der hat ein Riesengespür für Melodien und Wortwitz.

Apropos Punkrock: Leon Ladwigs Texte sind so ziemlich der Gegenentwurf zu jedem Redneck-Country-Song, allerdings dargeboten in einem Denim-Clad-Soundgewand mit Fransen. Sein aktuelles Album heißt übrigens „Alles Scheiße außer Country“. Leon kommt mit einem Trio nach Braunschweig, um hier das Publikum zu „kassieren“.

Naja, und wir haben auch ein spezielles Programm für diesen Abend geplant. Auch da werden noch einmal Gäste dabei sein. Das wird ein besonderer Ritt durch 25 Jahre Twang.