Berlin. Bringt die „Frühjahrsoffensive“ der Ukraine das Ende des Krieges in Sicht? Sigmar Gabriel mit einer düsteren Prognose bei „Illner“.

Es sind keine rosigen Aussichten, die Sigmar Gabriel heraufbeschwörte: „Wir stehen wahrscheinlich vor der schlimmsten Landschlacht seit dem Zweiten Weltkrieg“, befürchtete der ehemalige Vize-Kanzler mit Blick auf den andauernden Ukraine-Krieg und die geplante ukrainische „Frühjahrsoffensive“ zur Rückeroberung von Teilen des russisch besetzten Staatsgebietes. Eine derzeitige Entwicklung, in die eigentlich viele Menschen große Hoffnung stecken. Sollte die Offensive erfolgreich sein, könnte sich das strategische Gleichgewicht zwischen Russland und der Ukraine erheblich verändern.

Und damit willkommen im Studio von Maybrit Illner: „Waffen, Sanktionen, Allianzen – die Ukraine kämpft um ihre Zukunft“ – so lautete das Thema der Sendung am Donnerstagabend.

„Maybrit Illner“ – Das waren die Gäste

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag
  • Sigmar Gabriel, ehemaliger Vize-Kanzler und SPD-Parteivorsitzender, Bundesaußenminister a. D.
  • Amira Mohamed Ali, Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Adam Tooze, Professor für Zeitgeschichte und Direktor des European Institute an der Columbia University in New York
  • Carlo Masala, Militärexperte, Professor für Internationale Politik, Universität der Bundeswehr in München
"Maybrit Illner" vom 25. Mai. © ZDF/Svea Pietschmann

„Alle warten auf die ukrainische Offensive“, bestätigte auch Militärexperte Carlo Masala. Und tatsächlich könne sie seiner Meinung nach ein entscheidendes Momentum sein, gleichzeitig wolle er auch warnen, zu große Hoffnungen in die militärische Aktion zu stecken. Denn es werde mit Sicherheit eine „lange Offensive, keine kurze“. Mehr noch: „Es wird eine riesige Schlacht“, betonte Gabriel, der bei einem sich verändernden Kräfteverhältnis – nämlich wenn die Ukraine in die Offensive geht – besonders auf ukrainischer Seite mehr Todesopfer befürchtet.

Masala nickte zustimmend. „Wer angreift, muss immer eine Vielzahl von Menschen, zu dem, der verteidigt haben“. Allerdings hätten die Russen monatelang Zeit gehabt, ihre Verteidigung auszubauen. „Sie haben die am besten ausgebaute Verteidigungsstellung seit dem Ersten Weltkrieg.“ Masala sprach von mehr als 30.000 Antipanzerminen, die in den letzten Monaten im Boden vergraben worden sind. Die Ukrainer müssen also schlichtweg ein Minenfeld überqueren. „Das wird kein Durchmarsch, sondern Schlachten und sie werden langwierig und blutig sein.“

Ukraine-Krieg: Sieg mit Amerikas Hilfe?

Ob die Ukraine den Krieg gewinnt oder nicht, liegt für den britischen Wirtschaftshistoriker Adam Tooze, allerdings weniger an der wahrscheinlich bald startenden Offensive – diese schätzte er als „nicht sehr erfolgversprechend“ ein –, sondern in der Hand der Vereinigten Staaten. Diese wollten nach den umfassenden militärischen Investitionen, die sie in den vergangenen 15 Monaten für die Ukraine getätigt hätten, endlich auch Erfolge sehen. „Die Amerikaner mögen eine Erfolgsgeschichte, die Amerikaner wollen einen Ertrag sehen.“ Davon hänge seiner Meinung nach ab, wie sehr die amerikanische Regierung die Ukraine während des bald anstehenden Wahlkampfs weiter unterstützen könne.

Währenddessen plädierte Amira Mohamed Ali, Fraktionschefin der Linken, einmal mehr für diplomatische Bemühungen. Man müsse versuchen, Wege zu finden, Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen, um einen Waffenstillstand zu beschließen. Zugeständnisse sah sie dafür vor allem auf der Seite der Opfer: „Ich glaube, die Ziele der Ukraine, das gesamte Gebiet zurückzuerobern, sind unrealistisch und dass es besser wäre, an dieser Stelle Kompromisse zu machen, denn es sterben jeden Tag Menschen.“

Russland: Verhandlung mit Putin unrealistisch?

Verhandlungen mit Wladimir Putin sind für die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, derzeit allerdings eine weit entfernte Hoffnung. Putin habe sich ja völlig verschanzt und akzeptiere nur noch Informationen, die in sein Weltbild passen würden. Ein Szenario, dass darauf hinweisen würde, dass es auch von Seiten Russland Friedenswünsche geben würde, existiere aktuell nicht. „Putin träumt davon, die komplette Ukraine einzunehmen und auch noch Belarus mit reinzuziehen“, führte sie aus.

Genauso wie Gabriel sieht sie eine große Chance in der neuen Rolle Chinas. Das die Vereinigten Staaten und China miteinander sprechen und China, sollte es zu Verhandlungen kommen, mit am Tisch sitzen würde, sieht er als kluge Vorgehensweise an. „Wenn Chinesen den Russen signalisieren: „Ihr müsst jetzt mitmachen“, ist das wieder eine ganz andere Ausgangslage für Verhandlungen.“

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