Neudorf-Platendorf. Das Hochwasser sorgt für unerwartet gute Wasserverhältnisse im größten Moor der Region Braunschweig-Wolfsburg. Ein Besuch vor Ort.

Erst allmählich gehen die Überschwemmungen zurück. Auf der Fahrt von Braunschweig Richtung Gifhorn ist das gut zu beobachten: Links und rechts der B4 stehen nach wie vor Flächen unter Wasser. Während klitschnasse Äcker Landwirten Sorge bereiten, freuen sich Naturschützer über die Überflutungen im Großen Moor, dem riesigen Feuchtgebiet nahe der Kreisstadt. „Wir haben jetzt einen Zustand erreicht, von dem wir bis vor Kurzem nur geträumt haben“, sagt Walter Wimmer, Leiter der Braunschweiger Regionalstelle des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).

Der Grund zur Freude des behördlichen Naturschützers: Hier, im südöstlichsten Hochmoor Niedersachsens und größten Moor der Region Braunschweig-Wolfsburg, ist Nässe das A und O. „Ohne eine gründliche Durchfeuchtung können wir hier gar nichts reißen“, erklärt Wimmer. Schließlich soll aus der Landschaft, die viele Jahrzehnte lang durch Trockenlegung, industriellen Torfabbau sowie landwirtschaftliche Nutzung ihren ursprünglichen Charakter und ihre natürliche Funktion verloren hat, wieder ein lebendiges Moor werden.

In Jahrtausenden gewachsen, in wenigen Jahrzehnten zerstört

Die Flächen, die das Land Niedersachsen zu diesem Zweck seit rund 30 Jahren aufkauft, mittlerweile sind rund 1000 Hektar zusammengekommen, sind vom erklärten Ziel aber noch weit entfernt. „Bis hier wieder großflächig Torfmoose wachsen, wird es noch Generationen, wahrscheinlich sogar Jahrhunderte, dauern“, sagt Wimmer beim Gang durch den schwarzen Matsch. „Man kann eben nicht in wenigen Jahrzehnten reparieren, was in Jahrtausenden gewachsen ist und der Mensch in Jahrhunderten kultiviert – beziehungsweise zerstört – hat.“

Ortstermin im großen Moor bei Gifhorn

Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um  Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn.
Ortstermin mit Nabu-Mitarbeiterin Doris Plenter. Es geht um Torfabbau und Wiedervernässung im großen Moor im Kreis Gifhorn. © Andreas Eberhard
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Um zu zeigen, warum er und seine Kollegin Bea Achtermann dennoch geradezu euphorisch sind angesichts der jüngsten Entwicklungen, geht es mit dem Auto ans Ende des Westerbecker Wegs in Neudorf-Platendorf, dem langgestreckten Straßendorf, das an das Moor grenzt. Hier, außerhalb des Orts, befindet sich die Stelle „Stau 1“, wo ein Wehr den Füllstand einer großen, durch Erdwälle eingedämmten Waldfläche steuert. Die Birken und Kiefern auf dem Areal stehen tief unter Wasser, sogar noch etwas tiefer als erwünscht. Deshalb wird torfbraun gefärbtes Wasser von der Fläche in breitem Schwall in den alten Moorkanal abgelassen. Über diesen fließt es in Richtung Aller ab.

Am „Stau 1“ riecht es nach faulen Eiern

Am „Stau 1“ beginnt die rund zwei Quadratkilometer große Fläche, die der NLWKN in den zurückliegenden drei Jahren durch das Einfrieden mit kilometerlangen Dämmen, durch massive Spundwände und Wehre zur Wiedervernässung vorbereitet hat. 3,7 Millionen Euro hat das Land für diese Bauarbeiten ausgegeben. Positiv überraschend ist, dass die Polder, also die von Dämmen umgebenen „Wannen“, schon jetzt randvoll gelaufen sind. „Damit hat niemand von uns gerechnet“, erklärt die studierte Umweltplanerin Achtermann begeistert auf der begehbaren Brücke oberhalb des Abflusses. „Das ist gerade ein echter Härtetest. Es tut gut zu sehen, dass alles funktioniert und standhält.“

Am „Stau 1“ bei Neudorf-Platendorf beginnt die rund zwei Quadratkilometer große Fläche, die vom Land wiedervernässt wird.
Am „Stau 1“ bei Neudorf-Platendorf beginnt die rund zwei Quadratkilometer große Fläche, die vom Land wiedervernässt wird. © Newsdesk | Andreas Eberhard

Während die beiden Behördenvertreter schwärmen, liegt eine verdächtige Brise fauler Eier in der Luft: Schwefelwasserstoff, der beim Vermodern von totem organischen Material unter Wasser entstanden ist. Durch das Aufwühlen des Wassers am Wehr gelangt das Gas in die Luft. Der gesamte Wald auf der Polderfläche ist auf mittlere Sicht todgeweiht. Er wuchs, als das Areal über Drainage und Kanäle trockengelegt war. Jetzt, da er unter Wasser steht, sterben die Bäume nach und nach – eine Voraussetzung dafür, dass hier wieder Moor entsteht.

Kompromiss mit benachbarten Landwirten und Anwohnern

Der Erfolg der Wiedervernässung hängt auch davon ab, dass es gelingt, die Nachteile für angrenzende Anwohner und Landwirte möglichst kleinzuhalten. Nur wenige Meter von den Polderflächen mit dem überfluteten Wald entfernt befinden sich Wiesen. Damit deren Besitzer dort im Sommer Heu machen können, muss das Grünland befahrbar und trocken sein. Deshalb hat der NLWKN einen rund zwei Kilometer langen „Fanggraben“ angelegt, der die Wiesen entwässert.

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„Dieser Graben ist Teil unseres Kompromisses mit der Landwirtschaft“, erklärt Wimmer. Damit auf der einen Seite vernässt werden kann, muss der Landesbetrieb Sorge tragen, dass es auf der anderen Seite trocken bleibt. Dies klappe schon ganz gut, sagt Bea Ackermann. Dennoch ist von „Stau 1“ aus zu sehen, dass sich auf einer der angrenzenden Wiesen Wasser gesammelt hat. „Durch die Niederschläge der letzten Monate ist es einfach extrem nass“, sagt sie. „Dass dort Wasser jetzt steht, liegt aber nicht an unserem Vernässungsprojekt.“

Allerdings, gesteht sie offen, lerne man laufend dazu und justiere das System der Zu- und Abflüsse entsprechend nach. Neben technischen Lösungen – nachgedacht wird etwa über eine „noch feinere Regelbarkeit“ des Fanggrabens – soll aber auch der Tausch von Flächen helfen, Konflikte auszuschließen. Für ihre Privatgrundstücke im Großen Moor erhalten Landwirte dann andere Landflächen außerhalb angeboten. „Solche Flurbereinigungen“, erklärt sie, „erfolgen im Einvernehmen mit den Eigentümern und praktisch nie zu deren Nachteil.“

Das vom NLWKN zur Verfügung gestellte Luftbild vom Großes Moor stammt von Anfang Januar 2024.
Das vom NLWKN zur Verfügung gestellte Luftbild vom Großes Moor stammt von Anfang Januar 2024. © NLWKN | Silke Seemann

Großflächiger Torfabbau im Großen Moor ist beendet

Neben ehemaligen land- und forstwirtschaftlichen Flächen werden auch die Kernflächen des Großen Moors schrittweise wiedervernässt. Bis vor Kurzem wurde hier noch in großem Maßstab Torf für Blumenerde abgebaut. Laut dem Landkreis Gifhorn sind die großflächigen Abbaugenehmigungen mittlerweile ausgelaufen. Die dort bis zuletzt aufgetürmten großen Torfhalden dürfen die Unternehmen allerdings noch abtransportieren. Parallel dazu müssen sie die Abbauflächen für die Wiedervernässung vorbereiten. In großen gebaggerten „Wannen“ im Boden, sogenannten Pütten, soll sich Wasser sammeln und die moortypische Fauna wieder ansiedeln. „Diese laufenden Renaturierungsmaßnahmen folgen abgestimmten Plänen und werden voraussichtlich in drei bis vier Jahren ganz abgeschlossen sein“, heißt es vom Landkreis.

Für einen Teil der bisherigen Torfabbauflächen führt der NLWKN gerade noch Kaufverhandlungen, berichtet Wimmer. Auf den Flächen, die dem Land heute schon gehören, steht bereits das Wasser. Beim Gang durch das offene, unbewaldete Areal oberhalb des Moormuseums Neudorf-Platendorf lässt sich eindrucksvoll beobachten, wie prall gefüllt die Polder sind: Das braune Wasser steht den massiven vom NLWKN errichteten Wällen bis zur Deichkrone. Zur Freude Wimmers siedeln sich auf dem klitschnassen Torfboden bereits erste Heidepflänzchen an: „Je mehr Pflanzen hier wachsen, umso stabiler wird das Ganze nach und nach.“

Erste Heidepflänzchen besiedeln die vom Landesbetrieb errichteten Dämme, mit denen die Vernässungsflächen am Moormuseum Neudorf-Platendorf eingefriedet sind.
Erste Heidepflänzchen besiedeln die vom Landesbetrieb errichteten Dämme, mit denen die Vernässungsflächen am Moormuseum Neudorf-Platendorf eingefriedet sind. © Andreas Eberhard | Andreas Eberhard

„Weitere fünf Trockenjahre wären jetzt nicht gut“

Aber auch wenn das Wasser derzeit so hoch steht wie nie: Komplett vollgesogen hat sich der darunter liegende Torfboden, den man sich vorstellen muss wie einen extrem feinporigen riesigen Schwamm, noch nicht. Damit dies geschieht, gilt es, das Wasser möglichst lange auf den Flächen zu halten, erklärt Wimmer. „Hierzu tragen wir mit unseren Bauwerken bei, indem wir Zu- und Abflüsse regulieren und das Wasser optimal auf die einzelnen Flächen verteilen.“ Die Vernässung hängt aber auch vom Wetter der kommenden Monate und Jahre ab. „So optimistisch wir gerade sind“, sagt er vorsichtig: „Weitere fünf Trockenjahre wären jetzt natürlich nicht gut.“