Hannover. Der Präsident des Niedersächsischen Turner-Bunds macht in einem offenen Brief an die Landesregierung auf die Sorgen der Vereine aufmerksam.

Die Corona-Pandemie lässt das öffentliche Leben stillstehen, kein gesellschaftlicher Bereich bleibt von den Folgen verschont. Das spüren auch die Turn- und Sportvereine in Niedersachsen. Heiner Bartling, Präsident des Niedersächsischen Turner-Bundes (NTB), mit mehr als 780.000 Mitgliedern größter Sportfachverband im Landessportbund Niedersachsen, hat sich daher mit einem offenen Brief an die Landesregierung und Ministerpräsident Stephan Weil gewandt, um auf die Lage der Vereine aufmerksam zu machen.

„Unsere Vereine und wir tragen und unterstützen – als ein wesentlicher Teil der Zivilgesellschaft – das Vorgehen der Landesregierung in der Coronakrise vollumfänglich. Wir versuchen die Stärken unserer Gemeinschaft vor Ort einzubringen und werden auch bei der schrittweisen Wiederaufnahme des gesellschaftlichen Lebens unseren Anteil, verantwortungsbewusst und engagiert, beisteuern. Gleichzeitig erhalten wir aus unseren Vereinen viele Hinweise, dass auch sie mit großen Sorgen in eine ungewisse Zukunft schauen“, schreibt Bartling.

Wichtige Säule der Gesellschaft

Der NTB-Präsident regt daher an, ein Corona-Notprogramm für Sportvereine aufzulegen und damit eine systemrelevante Säule der niedersächsischen Zivilgesellschaft finanziell abzusichern. „Seit dem 14. März ruht der Sportbetrieb. Eine Entscheidung, die den Verantwortlichen in unseren Vereinen nicht leichtgefallen ist, die jedoch alternativlos war und in Teilen vorauseilend, mindestens aber sofort umgesetzt wurde. Eine Entscheidung, die durch das Verantwortungsbewusstsein insbesondere gegenüber unseren älteren und gesundheitlich vorbelasteten Bürgern geleitet war und die der Sport gerne mitgetragen hat“, unterstreicht Bartling.

Die Pause sorge jedoch für Probleme: „Unsere gemeinnützigen Vereine sind Gesinnungsgemeinschaften und fußen auf dem Solidaritätsprinzip. Ihren täglichen Sportbetrieb finanzieren sie hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, je nach Größe und Ausrichtung des Vereins zwischen 70 und 100 Prozent der Gesamteinnahmen, und in kleineren Teilen aus Kursangeboten, Freizeiten und weiteren ideellen Tätigkeiten. Das Gemeinnützigkeitsrecht erlaubt zwar wirtschaftlich tätig zu werden. Diese wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe dürfen jedoch nicht zum Hauptzweck des Vereins werden und ein Geschäftsgewinn sowie ein wirtschaftlicher Vorteil Einzelner muss ausgeschlossen sein. Sportvereine dürfen maximal nur einem klaren Verwendungszweck zugeordnete Rücklagen bilden und können so, im Gegensatz zu wirtschaftlichen Unternehmen, in Krisenzeiten auf keinerlei finanzielle Reserven zurückgreifen.“

Aktuelle Solidaritätswelle

Derzeit schwimmen die Vereine überwiegend noch auf einer Solidaritätswelle und die allermeisten Mitglieder haben im April ihren Beitrag überwiesen oder nicht zurückgehen lassen, so Bartling. „Dies wird jedoch umso kritischer, je länger die Beschränkungen aufrechterhalten werden müssen. Gerade, weil der Sportbetrieb von sozialen Kontakten und dem gemeinsamen Bewegen geprägt ist, bleibt zu vermuten, dass die Vereine nur langsam und mit Auflagen verbunden ihre Angebote wieder starten können.“

Der NTB-Präsident befürchtet daher, dass die derzeitige Situation zu einer Austrittswelle führen könnte, die den Vereinen ihre finanzielle Grundlage nehmen würde, „insbesondere auch, weil viele Bürger durch die Folgen der Corona-Pandemie vor finanzielle Herausforderungen gestellt sein werden.“ Die laufenden Kosten der Vereine verringern sich zwar, trotzdem müssen unter anderem Pflegekosten von Sportstätten, bereits getätigte Anschaffungen für den Sportbetrieb, Bankgebühren, Tilgungen von Darlehen und Versicherungsbeiträge weiterbezahlt werden, gibt Bartling zu bedenken.

„Die von der Bundesregierung und der Landesregierung aufgespannten Rettungsschirme sind ausschließlich Wirtschaftsunternehmen und dankenswerterweise in Niedersachsen den wirtschaftlichen Aktivitäten von Sportvereinen vorbehalten. Durch das Aufsetzen eines Notfonds für Vereine kann das Ministerium für Inneres und Sport unseren Turn- und Sportvereinen die Sorge um das langfristige Überleben nehmen und gleichzeitig ein zusätzliches wichtiges Signal an die Menschen und Vereine senden“, schließt Bartling.

Antwort des Ministeriums

Im Ministerium scheinen die Worte auf offene Ohren zu stoßen, denn der zuständige Innen- und Sportminister Boris Pistorius erklärt: „Als Sportminister werde ich alles daran setzen, den organisierten Sport in Niedersachsen vor einer existenziellen Krise zu schützen. Denn ich bin überzeugt davon, gerade der Sport wird es sein, der dabei hilft, die ersten Schritte Richtung Normalität zu gehen.“

Schon jetzt würden der LSB und sein Ministerium vielen Betroffenen im Kleinen ganz konkret und unbürokratisch helfen, so Pistorius. Zudem verweist er auf die Vereinsbefragung des LSB. „In Krisen waren die Sportvereine und ihre Mitglieder immer eine besondere Stütze. Daher müssen wir heute alles tun, um die Strukturen zu erhalten und die vielen Menschen bei der Stange zu halten, die den Sport in Niedersachsen zu dem machen, was er ist – eine wichtige Säule unserer Gesellschaft“, so Pistorius.