Scharzfeld. Unter den ersten Funden der jetzt begonnenen archäologischen Ausgrabungen an der Einhornhöhle war unter anderem der Kiefer eines Höhlenbären.

Ein großer fossiler Knochen von einem Höhlenbären und dessen Unterkiefer mit Zähnen – das sind die ersten Entdeckungen bei den jetzt angelaufenen Ausgrabungen an der Einhornhöhle. Es ist ein Zufallsfund, eigentlich sind die Archäologen auf der Suche nach Spuren der Neandertaler, die schon vor mehr als 100.000 Jahren das Felsmassiv als Lagerplatz genutzt haben (wir berichteten).

Einer der studentischen Grabungshelfer an dem noch im Boden steckenden Knochen eines Höhlenbären (die rotbraune Struktur unterhalb seiner linken Hand). Die Archäologen müssen sich sehr behutsam an die Fossilien herantasten, um nichts zu beschädigen.
Einer der studentischen Grabungshelfer an dem noch im Boden steckenden Knochen eines Höhlenbären (die rotbraune Struktur unterhalb seiner linken Hand). Die Archäologen müssen sich sehr behutsam an die Fossilien herantasten, um nichts zu beschädigen. © HK | Martin Baumgartner

Doch auch die Überreste der mächtigen Eiszeit-Bären sind den Forschern sehr willkommen, erläutert der örtliche Grabungsleiter, Dr. Dirk Leder vom Landesamt für Denkmalpflege: Die tierischen Überreste helfen den Wissenschaftlern dabei, das Klima und die Umweltbedingungen zur damaligen Zeit zu rekonstruieren. In der Einhornhöhle haben sich die Hinterlassenschaften der letzten über 100.000 Jahre in mächtigen Ablagerungen erhalten, in denen zahlreiche hervorragend erhaltene Tierknochen und Werkzeuge unserer eiszeitlichen Vorfahren zu finden sind.

Die Höhle bietet damit auch ausgezeichnete Möglichkeiten, die natürlichen Klimaveränderungen von der Eiszeit bis heute zu studieren. Knochen von Tieren wie Höhlenbären, Wölfen und sogar Fledermäusen werden in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Braunschweig analysiert, sie erlauben eine verlässliche Rekonstruktion der Umweltverhältnisse.

Anfang dieser Woche hat das Grabungsteam um Dr. Leder mit der Arbeit begonnen und legt Schicht für Schicht den Höhleneingang frei. Dabei wird das Werkzeug immer filigraner: Zunächst Spitzhacke und Schaufel, um die Erde abzutragen, dann Hammer und Kelle und schließlich Pinsel und Handfeger, je näher die Forscher an die oft zerbrechlichen Objekte im Boden heranrücken.

Studenten lernen das Handwerk der Archäologen

An der Ausgrabung sind auch Studenten aus Göttingen, Clausthal, Braunschweig, Tübingen und Bochum beteiligt, die dabei das Handwerk der Archäologen in der Praxis lernen. Dabei gilt es vor allem, sehr sorgfältig vorzugehen, auf die unterschiedlichen Schichten und Veränderungen im Boden zu achten, betont Professor Thomas Terberger von der Universität Göttingen, Leiter der Untersuchung, der ebenfalls für das Landesamt tätig ist. „Eine Grabung zur Altsteinzeit ist jedesmal etwas Besonderes“, sagt er. „Hier an der Einhornhöhle ist eine sehr kleinteilige Arbeitsweise nötig.“ Das Untersuchungsfeld am Felsportal ist relativ klein. „Man muss auf engem Raum mit genauem Blick Feinstrukturen ermitteln.“

Etwa fünf bis sechs Meter hinter der Felskante, die aus dem Boden ragt, befindet sich der sogenannte Jacob-Friesen-Gang, dort wurden 1984 erste Steingeräte gefunden. Über mehrere Jahre wurde dort bereits gegraben.

Mit Spitzhacke und Schaufel, Hammer und Kelle, Pinsel und Handfeger arbeiten sich die Forscher in den Boden vor. An der Ausgrabung sind auch Studenten beteiligt, die dabei das Handwerk der Archäologen in der Praxis lernen.
Mit Spitzhacke und Schaufel, Hammer und Kelle, Pinsel und Handfeger arbeiten sich die Forscher in den Boden vor. An der Ausgrabung sind auch Studenten beteiligt, die dabei das Handwerk der Archäologen in der Praxis lernen. © HK | Martin Baumgartner

Daran war maßgeblich Paläontologe Ralf Nielbock vom Verein „Gesellschaft Unicornu fossile“ beteiligt. „Ich bin zufällig an meinem ersten Tag auf die ersten Artefakte gestoßen“, erinnert Nielbock sich an seine Anfangstage an der Einhornhöhle vor 35 Jahren. Er ist geblieben und seit der Wiederaufnahme des Führungsbetriebes in der Höhle im Jahr 2003 ist Nielbock deren Betriebsleiter und wissenschaftlicher Projektleiter.

Der ursprüngliche Eingangsbereich der Höhle ist deshalb so interessant für die Archäologen, weil die Neandertaler sich nach aktueller Auffassung vorwiegend die meiste Zeit vor der Höhle aufgehalten und dort ihre täglichen Aktivitäten verrichtet haben: Dort war vermutlich die Feuerstelle, es wurde gekocht, Werkzeuge wurden repariert. Nach Überbleibseln von diesen Tätigkeiten suchen die Forscher nun.

Wie die Knochen des gefährlichen Bären dorthin gekommen sind, darüber kann vorerst nur spekuliert werden. Vielleicht war das Raubtier von den Steinzeit-Menschen erlegt worden.