Berlin . Russland hat die Ukraine in der Nacht zum Montag massiv beschossen. Zahlreiche Menschen wurden verletzt – darunter auch Kinder.

  • Russland hat in der Nacht die Ukraine mit Raketen beschossen
  • Dutzende Zivilisten wurden verletzt, darunter Kinder
  • Doch auch auf russischem Boden nehmen die Angriffe zu

Es ist kurz nach halb sieben Uhr morgens, als die Sirenen in Odessa Entwarnung geben. In den Stunden davor herrscht in der gesamten Ukraine Luftalarm. Wieder einmal, wie so häufig in diesen Tagen, in denen sich die Hinweise verdichten, die lange erwartete ukrainische Gegenoffensive könne unmittelbar bevorstehen. Diese Nacht verläuft vergleichsweise glimpflich. Es gibt keine Toten.

Zwei russische Tu-160- und neun Tu-95-Bomber feuern in dieser Nacht nach ukrainischen Angaben 18 Marschflugkörper ab. 15 können von der ukrainischen Luftabwehr abgefangen werden. Die vom Westen gelieferten Systeme wie das deutsche IRIS-T arbeiten präzise, immer seltener gelingt es den russischen Angreifern, ihre Raketen in die anvisierten Ziele zu jagen.

Ukraine: Mindestens 34 Menschen sind bei dem Luftangriff verletzt worden

In Pawlohrad etwa 75 Kilometer östlich von Dnipro schlagen jedoch um kurz vor Mitternacht Geschosse ein. Sie treffen eine Fabrik und ein Wohnviertel, die Explosionen beschädigen mehrere Dutzend Häuser und sechs Schulen. 34 Menschen werden verletzt, darunter drei Kinder, teilte der Gouverneur der Region, Serghij Lyssak, am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Zuvor war von 25 Verletzten die Rede.

Die meisten Opfer wiesen Brüche und Prellungen, Stich- und Fleischwunden durch Splitter sowie Rauchvergiftungen durch die Brände auf. Zwei Frauen im Alter von 45 und 55 Jahren seien auf der Intensivstation, so Lyssak. Zuletzt war die Großstadt Mitte Februar attackiert worden, damals starb ein Mensch.

Tags zuvor haben die Menschen in Uman im Zentrum der Ukraine Abschied genommen von einigen der Opfer des russischen Luftangriffs vom Freitagmorgen, bei dem zwei Raketen ein neunstöckiges Wohnhaus getroffen und 23 Menschen getötet hatten, unter ihnen sechs Kinder.

Ukraine, Uman: Mykhayl Shulha (M) steht während eines Gebets weinend neben dem Sarg seiner Schwester Sofia Shulha. Sofia Shulha (12) und Pysarev Kiriusha (18) wurden bei einem Raketenangriff auf ein Wohnhaus getötet.
Ukraine, Uman: Mykhayl Shulha (M) steht während eines Gebets weinend neben dem Sarg seiner Schwester Sofia Shulha. Sofia Shulha (12) und Pysarev Kiriusha (18) wurden bei einem Raketenangriff auf ein Wohnhaus getötet. © Bernat Armangue/AP/dpa

Gegenoffensive der Ukraine macht Russen nervös

Die erwartete Gegenoffensive der Ukraine lässt auch die Nervosität in Russland wachsen. Die russische Armee hat nicht nur an der Front starke Verteidigungsanlagen errichtet. Nach Angaben britischer Geheimdienste sind sie auch in besetzten ukrainischen Gebieten und sogar zum Teil weit in Russland erkennbar. Das britische Verteidigungsministerium erklärte am Montag: „Bilder zeigen, dass Russland besondere Anstrengungen unternommen hat, um die nördliche Grenze der besetzten Krim zu befestigen“. Zudem seien Hunderte Kilometer Schützengräben auf russischem Territorium ausgehoben worden, darunter in den Gebieten Belgorod und Kursk, die an die Ukraine grenzen.

Das Ministerium in London glaubt, dass einige der Schützengräben von lokalen Kommandeuren in Auftrag gegeben worden sind, „um die offizielle Linie zu unterstützen, dass Russland von der Ukraine und der Nato „bedroht“ wird“. Zugleich würden die Abwehranlagen aber „die tiefe Besorgnis der russischen Führung“ unterstreichen, „dass die Ukraine einen großen Durchbruch erzielen könnte“, hieß es aus London. In Russland wurden aus Sorge vor möglichen Angriffen aus der Ukraine in einigen Städten die traditionellen Veranstaltungen zum 1. Mai abgesagt.

Die Attacken auf russischem Gebiet nehmen tatsächlich zu. Nach einer Schienensprengung entgleiste im Gebiet Brjansk zwischen Kiew und Moskau ein Güterzug, der offenbar Öl und Holz geladen hatte. Erst am Sonnabend war nach einer Drohnenattacke auf der Krim in der Hafenstadt Sewastopol ein großes russisches Treibstofflager ausgebrannt. Der Angriff auf die von Russland annektierte Halbinsel sei Teil der Vorbereitungen für die geplante Gegenoffensive, hieß es nach ukrainischen Militärangaben. „Diese Arbeit bereitet die groß angelegte Offensive vor, auf die alle warten“, sagte die Sprecherin des Südkommandos der ukrainischen Armee, Natalija Humenjuk.

Krim: Großbrand in Treibstofflager nach Drohnenangriff

weitere Videos

    Angriff lässt auf sich warten

    Wann die Gegenoffensive der Ukraine startet, ist unklar. Der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, erwartet sie Mitte Mai, wie er in einem Interview mit einem Militärblogger erklärte, und sie könnte, so warnte er, zu einer „Tragödie für unser Land“ werden. Prigoschin, der sich mit seinen Söldnern seit Wochen in einer verlustreichen Schlacht um Bachmut befindet, drohte: Wenn der Munitionsmangel nicht behoben werde, werde er wahrscheinlich gezwungen sein, „einen Teil der Einheiten abzuziehen“.

    Die Schuld dafür gab er erneut der Armeeführung Russlands. Prigoschin ist ein Verbündeter von Präsident Wladimir Putin und liefert sich aber einen Machtkampf mit dem Verteidigungsministerium und der Armeespitze. Wie aus den öffentlich gewordenen US-Geheimdienstinformationen bekannt wurde, soll Putin schon persönlich zwischen Verteidigungsminister Schoigu und Prigoschin vermittelt haben.

    Papst Franziskus schürte unterdessen vorsichtige Hoffnungen auf eine mögliche Friedensinitiative, an der auch er beteiligt ist. „Ich bin bereit, alles zu tun, was nötig ist. Derzeit läuft eine Mission, die aber noch nicht öffentlich ist“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag nach Medienangaben auf dem Rückflug von seiner Ungarn-Reise. (mit dpa)