Harz. „Die Wildkatzen sind nicht hilflos“ – Experten erklären, worauf man bei jungen Fundkatzen im Wald achten muss.

Auf den ersten Blick sehen sie sich ähnlich, in Wirklichkeit hat unsere Hauskatze aber nur wenig mit der Europäischen Wildkatze gemeinsam. Deswegen warnen der Nabu (Naturschutzbund Deutschland) und der BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) derzeit davor, grau getigerte Katzen im Wald unüberlegt mitzunehmen.

„Ab Mai werden junge Wildkatzen mobil“, erklärt Josefine Beims aus der Nabu-Regionalgeschäftsstelle Südost-Niedersachsen. „Es kommt immer wieder vor, dass Menschen auf die Kätzchen aufmerksam werden, wenn sie allein im Wald spielen, während ihre Mutter auf Mäusejagd ist“.

Katzen im Wald nicht anfassen oder mitnehmen

Wer kleine grau getigerte Katzen im Wald findet, sollte unbedingt Abstand bewahren und sich von ihnen entfernen, damit die Mutter sich nicht gestört fühlt. „Keinesfalls dürfen die Jungtiere angefasst oder sogar eingefangen werden“, warnt Beims. Andrea Krug, Wildkatzenexpertin beim BUND ergänzt: „Die Tiere sind nicht hilflos und verlassen – ihre Mutter ist nur auf Mäusejagd und kommt bald zurück.“

Krug erläutert weiter: „Wildkatzen sind streng geschützte Wildtiere, sie sind nicht zähmbar. Im Wald aufgesammelte Jungkatzen werden schnell sehr kratzbürstig. Bestenfalls werden sie dann als Wildkatze erkannt und landen in speziellen Auffangstationen. Doch nicht immer wird der Irrtum schnell erkannt.“ Graugetigerte Hauskatzen sehen Wildkatzen oft sehr ähnlich. Unsere Hauskatzen stammen jedoch nicht von dieser, sondern von der Afrikanischen Falbkatze ab. Erst die Römer brachten die Hauskatzen zu uns. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Wildkatze schon zehntausende von Jahren in unseren Wäldern.

Junge Wildkatzen werden laut BUND schnell kratzbürstig – So unterscheidet man sie leicht von Hauskatzen.
Junge Wildkatzen werden laut BUND schnell kratzbürstig – So unterscheidet man sie leicht von Hauskatzen. © dpa | Martin Schutt

Landen die Wildkatzen in Privathaushalten oder Tierheimen, sind oft schwere Verhaltensstörungen die Folge. Und verboten ist die Haltung von Wildkatzen ohnehin. Nur in seltenen Ausnahmefällen sind die aufgefundenen jungen Wildkätzchen im Wald tatsächlich in Not. Bei Unsicherheiten sollten Spaziergängerinnen und Spaziergänger zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren, um die Situation erneut zu bewerten. Hat sich die Situation für die Wildkatze nicht verbessert, sollte man die Untere Naturschutzbehörde im Landkreis, den BUND oder den Nabu kontaktieren.

Erkennbare Unterschiede zwischen Hauskatze und Wildkatze

Anhand einiger optischer Unterschiede könne man adulte Tiere gut von Hauskatzen unterscheiden, berichten Nabu und BUND. So hätten Europäische Wildkatzen eine grau-braun verwaschene Streifenmusterung und einen dunklen Aalstrich auf dem Rücken, informieren Nabu und BUND weiter. Der Schwanz ist buschig und bis zur schwarzen Spitze gleich stark. Dunkle Stirn- und Backenstreifen zeichnen das Gesicht. Sehr auffällig ist aber auch ihr Verhalten: Wildkatzen sind ausgesprochen scheu, wild und heimlich. Nachdem sie vor hundert Jahren bei uns fast ausgerottet war, kehrt die Wildkatze mittlerweile in viele ihrer ursprünglichen Lebensräume zurück.

Wildkatze gefunden? Das muss man tun-

Wer eine Wildkatze findet, die offensichtlich Hilfe benötigt, muss zuerst den zuständigen Jagdpächter kontaktieren. Dieser kann auch über die Polizei erfragt werden. Auch muss die Naturschutzbehörde informiert werden.

Das Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde nimmt Wildtiere in Not auf. Hilfe können oft die lokalen Naturschutzverbände leisten. Sollte ein Tier schwer verletzt sein, muss es schnellstmöglich von einem Tierarzt behandelt werden.

Wer sich für Wildkatzen interessiert, kann die Tiere im Wildkatzen-Erlebniszentrum an der Marienteichbaude bei Bad Harzburg aus der Nähe betrachten. Das Zentrum ist im Sommerhalbjahr von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Die Schaufütterungen finden täglich um 12, 14 und 16 Uhr statt.

Wildkatzen gelten als nicht zähmbar. National und international gehören sie zu den streng geschützten Arten. Im Jungtieralter sind die Kennzeichen der Europäischen Wildkatze noch nicht so ausgeprägt. Vor allem für Laien ließen sich deswegen nur schwer von einer getigerten Hauskatze unterscheiden. In den vergangenen Jahren häuften sich laut den Angaben der Naturschutzverbände daher die Fälle, in denen Wildkatzen in Tierheimen oder Auffangstationen landen und dort als vermeintlich verwilderte Hauskatzen abgegeben würden.

Aufzucht durch den Menschen birgt große Risiken

Wenn diese Verwechslung rechtzeitig erkannt wird, können die Jungtiere artgerecht aufgezogen und wieder ausgewildert werden. Hatte ein Jungtier Menschenkontakt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es von der Mutter verstoßen wird. Dies kann für das Kätzchen fatale Folgen haben. Die Aufzucht durch den Menschen birgt große Risiken.

Im Wildkatzengehege vom Nabu Niedersachsen in Bad Harzburg können Interessierte mehr über die Tiere erfahren. Bei Schaufütterungen kann man sie aus nächster Nähe beobachten.
Im Wildkatzengehege vom Nabu Niedersachsen in Bad Harzburg können Interessierte mehr über die Tiere erfahren. Bei Schaufütterungen kann man sie aus nächster Nähe beobachten. © dpa | Julian Stratenschulte

So haben Wildtiere selbst in fachkundigen Händen eine geringere Überlebenschance als in der Natur. Nur wenn ein Tier nachweislich verwaist, verletzt oder hilflos ist, darf es der Natur entnommen werden und ist auf menschliche Hilfe angewiesen, so informieren die Naturschutzorganisationen. Hierbei müsse aber immer auf fachkundige Hilfe gesetzt werden. Privatpersonen sollten niemals eigenmächtig ein Tier aufnehmen, heißt es vonseiten des Nabu weiter.

Natürliche Verstecke fehlen - aufgeschichtete Baumstämme werden genutzt

Neben der Verwechslungsgefahr mit Hauskatzen gibt noch ein weiteres Problem für junge Wildkatzen: „Wildkatzenmütter brauchen naturnahe, vielfältige Wälder mit viel Totholz, um ihre Jungen sicher verstecken zu können. Finden sie keine natürlichen Verstecke, nutzen sie für ihre Jungen auch oft Holzstapel am Wegesrand. Werden die aufgeschichteten Baumstämme dann abtransportiert, kommen die Jungtiere oft um“, informiert der BUND.

„Mittlerweile werfen viele Wildkatzenmütter auch immer öfter ein zweites Mal im Spätsommer. Während der Aufzuchtzeit zwischen März und September sollten geerntete Holzstämme in Wildkatzengebieten daher entweder ohne Lagerung sofort abtransportiert werden oder die Holzstapel liegengelassen werden. Auch sollte vermieden werden, Flächen mit umgestürzten Bäumen im Frühling und Sommer mit schwerem Gerät zu räumen, da Wildkatzen hier besonders gerne ihre Jungen verstecken. Da aktuell aufgrund von Dürre, Sturmschäden und Borkenkäferbefall viel Holz aus den Wäldern geholt wird, ist diese Problematik von besonderer Bedeutung.“

Wildkatzen kommen in Südost-Niedersachsen oft in Gebieten vor, die für die Naherholung attraktiv sind, berichtet der Nabu. Ihr Hauptverbreitungsgebiet in der Region ist der Harz mit dem Harzvorland und der Elm. Im Altkreis Osterode sind zum Beispiel im Naturschutzgebiet Hainholz bei Düna heimisch. Anders als Hauskatzen, halten sie sich in der Regel von Siedlungsgebieten fern und leben hauptsächlich im Wald.