Wolfsburg. Fast 16 Jahre Marcel Schäfer beim VfL Wolfsburg: Vom Musterprofi und Meisterspieler zum unglücklichen Fußball-Funktionär.

Sein Abschied kommt plötzlich, überraschend und fällt mitten in eine Phase, in der der VfL Wolfsburg einmal mehr um den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga kämpft. Marcel Schäfer ist wie kein Zweiter Identifikationsfigur und Ikone bei den Wolfsburgern. So schwer der Abschied des jetzigen Geschäftsführers Sport im ersten Moment auch fallen mag und für Unverständnis sorgt: Als Meister-Spieler, DFB-Pokalsieger und VfL-Retter als Funktionär hat Schäfer seinen unauslöschlichen Platz in den grün-weißen Geschichtsbüchern. Der Blick auf eine Wolfsburger Karriere, die zumindest bis zum großen Knall am Mittwoch nach Bilderbuch klang.

Bei einer 3:5-Niederlage beim VfL Bochum erzielte Marcel Schäfer am 12. Spieltag der Saison 2007/08 seinen ersten Treffer im Wolfsburg-Trikot. Es war zugleich sein erstes Bundesliga-Tor.
Bei einer 3:5-Niederlage beim VfL Bochum erzielte Marcel Schäfer am 12. Spieltag der Saison 2007/08 seinen ersten Treffer im Wolfsburg-Trikot. Es war zugleich sein erstes Bundesliga-Tor. © Joachim Thies | Joachim Thies

2007 holte Felix Magath den gebürtigen Aschaffenburger als Wunschspieler für die linke Abwehrseite aus der 2. Liga von 1860 München nach Wolfsburg. „Marcel ist einer, der auf seiner Position auch nach vorn orientiert spielt und gute Flanken schlägt“, hatte Magath schon im Vorfeld des 1,2-Millionen-Euro-Transfers prophezeit – und die Trainerikone sollte damit recht behalten.

Marcel Schäfer: Meisterspieler und Fanliebling beim VfL Wolfsburg

Der damals 23-Jährige wurde sofort VfL-Stammspieler: VfL-Debüt in der ersten DFB-Pokal-Runde in Würzburg, sechs Tage später das erste von 256 Bundesliga-Spielen (13 Tore, 38 Vorlagen) für Wolfsburg. Schäfer war lange Zeit Rekordspieler des Klubs, spielte eine überragende Meistersaison 2008/09 unter Magath, der ihm zu Beginn seiner zweiten Amtszeit nach einem halben Jahr als Spielführer die Kapitänsbinde wieder abnahm.

Marcel Schäfer als deutscher Meister 2009. Als Spieler erreichte er beim VfL Wolfsburg Kultstatus.
Marcel Schäfer als deutscher Meister 2009. Als Spieler erreichte er beim VfL Wolfsburg Kultstatus. © imago sportfotodienst | imago sportfotodienst

Schäfers Wort hatte weiter Gewicht, Fanliebling war der nahbare Star ohnehin. Mit den Wölfen holte er 2015 noch den DFB-Pokal und den Supercup. Er spielte mit Wolfsburg Champions League, hatte acht Einsätze für die deutsche Nationalmannschaft (Debüt am 19. November 2008 als Joker gegen England) und ebnete noch als Fußballer mit einem Abschluss in Sportmanagement den Weg in die Karriere nach der Karriere. In seiner Sportdirektor-Zeit schob er noch das DFL/DFB-Zertifikat „Management im Profifußball“ hinterher. Mit seiner Familie (zwei Kinder) wurde er sesshaft in der Stadt, sein Sohn Elia kickt in der U15 des VfL.

Nach USA-Abstecher: Erfolgreiche VfL-Rückkehr als Sportdirektor unter Jörg Schmadtke

Im März 2017 – seinen Stammplatz beim VfL hatte Schäfer inzwischen verloren – verließ er Wolfsburg in Richtung USA, erfüllte sich bei den Tampa Bay Rowdies so etwas wie einen Lebenstraum und hospitierte schon hier, um tiefergehende Einblicke in die Strukturen eines Profiklubs zu bekommen.

Marcel Schäfer (Mitte) beim Abschied von Geschäftsführer-Vorgänger und Mentor Jörg Schmadtke (2. v. l.) mit AR-Chef Frank Witter (von links) und seinen neuen Geschäftsführer-Kollegen Michael Meeske und Tim Schumacher.
Marcel Schäfer (Mitte) beim Abschied von Geschäftsführer-Vorgänger und Mentor Jörg Schmadtke (2. v. l.) mit AR-Chef Frank Witter (von links) und seinen neuen Geschäftsführer-Kollegen Michael Meeske und Tim Schumacher. © regios24 | Darius Simka

2018, ein Jahr früher als ursprünglich geplant, kehrte Schäfer aus den USA zurück. Unter dem neuen Geschäftsführer Jörg Schmadtke wurde er jüngster Sportdirektor der Liga und sollte von dem erfahrenen Bundesliga-Manager weiter lernen. Die gemeinsame Zeit schrieb ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte. Kluge Transfers (u. a. Wout Weghorst) und richtige Trainerentscheidungen (Oliver Glasner) führten den VfL nach zwei Abstiegsrelegationen zurück ins internationale Geschäft.

Höhepunkt als Kipppunkt: Als Geschäftsführer Sport überzeugten Schäfers Entscheidungen selten

Je näher Schmadtkes Abschied zum 31. Januar 2023 rückte, desto mehr rückte Schäfer in den Vordergrund, der dann auch mit dem neuen Sportdirektor Sebastian Schindzielorz und reichlich Vorschusslorbeeren aus dem Aufsichtsrat die Aufgabe als Geschäftsführer Sport übernahm. Vielleicht war dieser vermeintliche Höhepunkt vor gut einem Jahr auch der Kipppunkt in Wolfsburg.

Sein erster Transfersommer brachte dem Klub mehr als 70 Millionen Euro, vor allem für die Verkäufe von Micky van de Ven (Tottenham) und Felix Nmecha (Borussia Dortmund). Genau diesen Weg hatten er und Schmadtke für den VfL immer propagiert. Doch die Neuverpflichtungen schlugen bisher nicht so ein. Sein für die Branche unüblich langes Festhalten an Trainer Niko Kovac (Trennung Mitte März) wirkt im Nachgang nicht glücklich.

Seine letzte große Entscheidung als VfL-Macher: Marcel Schäfer (rechts, mit Bernd Osterloh) beim ersten Training des Niko-Kovac-Nachfolgers Ralph Hasenhüttl.
Seine letzte große Entscheidung als VfL-Macher: Marcel Schäfer (rechts, mit Bernd Osterloh) beim ersten Training des Niko-Kovac-Nachfolgers Ralph Hasenhüttl. © regios24 | Darius Simka

Am Mittwoch machte der Klub in wenigen Worten öffentlich, dass die Klubikone aufgrund eines Wechselwunsches mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben entbunden ist. Als Spieler und als Sportdirektor war Schäfer in schwierigen Situationen zum VfL gekommen. Jetzt, nach fast zehn Jahren als Profi und fast sechs als Funktionär geht er in einer erneut dramatischen Tabellenlage wohl endgültig. Es ist das Ende der einstigen grün-weißen Bilderbuchkarriere.

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