Braunschweig. Fast vier Monate nach dem Spiel in Hannover steht ein Urteil des DFB noch aus. Mit dieser Geldstrafe rechnet die Eintracht.

Pyro, Raketen, Böllerwürfe: Das Fehlverhalten der Fans beim Niedersachsen-Derby im November in Hannover wird für Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig erhebliche finanzielle Konsequenzen haben. Wie hoch die Geldstrafe allerdings ausfallen wird, steht auch fast vier Monate nach der Partie noch nicht fest.

Eintracht erklärte gegenüber unserer Zeitung, man rechne mit einer Strafe im „unteren sechsstelligen Bereich“. Man habe aber weder Hinweise vonseiten des Sportgerichts erhalten, wie hoch das Urteil ausfallen werde, noch, wann es verkündet werde. Pessimistische Einschätzungen aus dem Umfeld des Vereins gehen von einer Zahlungsaufforderung von bis zu einer Viertelmillion aus. Sollten diese düsteren Prognosen zutreffend sein, wäre das ein Höchstwert für das Jahr 2023.

„Derby“-Strafe für Eintracht könnte sich noch um bis zu 30 Prozent reduzieren

Dabei kann sich die Strafhöhe noch um bis zu 30 Prozent reduzieren, sollte Eintracht in der Folge ausreichend in „sicherheitstechnische oder gewaltpräventive Maßnahmen“ investieren. Das sehen die Statuten des DFB vor. Die Kommunikationsabteilung des Verbandes teilte hierzu unserer Zeitung mit: „Beim Drittelnachlass, den die Klubs beantragen können, sind von den Vereinen Nachweise über die Mittelverwendung zu erbringen, beispielsweise Rechnungen und Auftragsbestätigungen.“

Neben dem Urteilsspruch zum Derby rechnet der Fußball-Zweitligist für das Jahr 2023 auch noch mit einer Geldbuße für Pyro-Vergehen in Elversberg. Dort hatten blau-gelbe Anhänger im Oktober ebenfalls gezündelt. Auch ein mutmaßlich von 96-Fans angebrachter Fernzünder ging los und sorgte für Aufregung. Fest steht schon jetzt: Auch ohne die noch ausstehenden Urteile belaufen sich die Strafen für Eintracht im vergangenen Jahr schon jetzt auf 150.000 Euro.

Eintracht-Anhänger hatten im November im Stadion von Hannover 96 zudem einen großen Sachschaden angerichtet. Sie schraubten unter anderem ganze Sitzreihen ab und warfen sie über die Balustrade des Oberrangs. Die Polizeidirektion Hannover bezifferte gegenüber unserer Zeitung den Schaden, der dort entstanden war, auf 124.000 Euro. Die Schadenshöhe sei aber noch vorläufig, teilte ein Polizeisprecher unserer Zeitung mit. Auch Hannover 96 wollte sich zu laufenden Ermittlungen nicht näher äußern.

Politik macht vor nächstem Derby Druck: Müssen Vereine bald für Polizeieinsätze zahlen?

Nach dem Spiel in Hannover war eine Debatte über Sicherheit und Polizeikosten entbrannt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte dazu mit Eintracht-Präsidentin Nicole Kumpis und 96-Geschäftsführer Martin Kind die Spitzen beider Vereine einbestellt. Behrens verlangte eine signifikante Verbesserung der Sicherheitslage rund um die Spiele der beiden Erzrivalen. Das nächste Derby in BraunschweigMitte April werde darüber entscheiden, ob die Politik intensiver als bisher das Ziel verfolgen werde, die Kosten für den Polizeieinsatz den Vereinen zumindest teilweise in Rechnung zu stellen. Das Verhalten der Fans im Stadion und im Umfeld der Partie sei nicht mehr hinnehmbar, erklärte sie.

Auf die Frage unserer Redaktion, ob sich Eintracht Braunschweig an Kompensationszahlungen zur Schadensbeseitigung beteiligen werde, hatte Eintracht-Sprecher Luca Podlech bereits Anfang Februar erklärt: „Bei entstandenen Sachschäden durch Gästefans verzichteten beide Vereine in der Vergangenheit grundsätzlich auf Kompensationszahlungen.“

Er verwies auf das Spiel in Braunschweig aus der Vorsaison, bei dem im März 2023 im Eintracht-Stadion durch 96-Ultras ein unterer fünfstelliger Schaden entstanden war. Auch das DFB-Sportgericht verdonnerte beide Vereine damals zu satten Zahlungen, die Eintracht zu knapp 95.000 Euro, Hannover 96 zu mehr als 60.000 Euro.

Jede Rakete kostet: So begründete das Sportgericht die letzte Derby-Strafe

Der Auszug aus der Begründung des Urteils gegen die Eintracht vom 16. August zeigt, wie genau der DFB mithilfe seiner Spielbeobachter das Verhalten der Fans kontrolliert. So heißt es da: „In der 39. Spielminute wurden im Braunschweiger Fanblock mindestens 19 pyrotechnische Gegenstände (6 Böller, 8 Bengalische Fackeln, 5 Rauchkörper) entzündet sowie aus dem Block mindestens 13 Leuchtspurraketen abgeschossen. Das Spiel musste für 1:58 Minuten unterbrochen werden. Im weiteren Spielverlauf wurden durch Braunschweiger Anhänger folgende pyrotechnischen Gegenstände entzündet bzw. abgeschossen: 42. Spielminute: ein Böller entzündet und eine Leuchtspurrakete abgeschossen; 48. Spielminute: 20 Bengalische Fackeln und 4 Böller entzündet, eine Leuchtspurrakete abgeschossen; 61. Spielminute: ein Böller entzündet; 81. Spielminute: ein Böller entzündet; 88. Spielminute: ein Böller entzündet; 91. Spielminute: 15 Bengalische Fackeln, 6 Rauchtöpfe, 6 Böller entzündet, 9 Leuchtspurraketen abgeschossen; nach Spielende wurden 3 Rauchtöpfe, 4 Böller und 4 Bengalische Fackeln entzündet.“

Der DFB-Strafenkatalog sieht für Vergehen im Stadion unterschiedlich hohe Strafsätze vor.
Der DFB-Strafenkatalog sieht für Vergehen im Stadion unterschiedlich hohe Strafsätze vor. © FMN | Jürgen Runo

Der DFB bemisst die Strafen anhand eines Sanktionskatalogs. Dieser sieht unterschiedliche Sätze je nach Ligazugehörigkeit und Vergehen vor. Das Abbrennen von Pyro-Technik sieht in der Fußball-Bundesliga ein Strafmaß von 1000 Euro pro Gegenstand vor, in der 2. Bundesliga sind es noch 600 Euro. Es wird unterschieden, ob Bengalos abgebrannt oder als Raketen abgeschossen werden. Ist das der Fall, erhöht sich die Strafe nochmal. Zudem wird auch das Eindringen von Personen auf das Spielfeld geahndet. Das Werfen von Gegenständen wie Bierbechern oder die Verwendung von sogenannten Laserpointern werden sanktioniert, ebenfalls unsportliche Botschaften auf Plakaten. Das Strafmaß richtet sich hier nach Bannergröße. All das muss der Spielbeobachter im Blick haben.

Der DFB teilte unserer Zeitung mit, dass in der Regel ein Beobachter das Geschehen auf den Rängen beobachtet und notiert. Informationen, dass Hochrisikospiele wie das Niedersachsen-Derby mit einem höheren Personalaufwand verbunden seien, wollte der DFB nicht bestätigen. Es gebe sogar Spiele, die unbesetzt blieben, hieß es.

Dabei kann der DFB offensichtlich nicht auf Videomaterial der Polizei zurückgreifen. Polizeiliche Ermittlungen, die der Täteridentifizierung dienen könnten, werden den Vereinen als Veranstalter gemeldet. Es ist dann an diesen, aktiv zu werden, wenn es darum geht, konkrete Vergehen konkreten Personen zuzuordnen und im Zweifel bei schweren Straftaten Stadionverbote auszusprechen.

Spielunterbrechungen haben noch drastischere Geldbußen zur Folge, sollten Täter identifiziert werden, können Vereine mit Strafnachlass rechnen.
Spielunterbrechungen haben noch drastischere Geldbußen zur Folge, sollten Täter identifiziert werden, können Vereine mit Strafnachlass rechnen. © FMN | Jürgen Runo

Beispiel 1. FC Köln: Strafnachlass nach Täteridentifizierung

Geht es nach dem DFB, müsste der Anreiz für Vereine, das zu tun, groß sein. Zumindest sieht der DFB bei Täterermittlung eine erhebliche Reduzierung der Strafen vor, teilweise bis zu 75 Prozent. Anfang Januar hatte ein Urteil gegen den 1. FC Köln für Aufsehen gesorgt. Nach einer ursprünglich in Höhe von fast 600.000 Euro ausgesprochenen Strafe reduzierte das Sportgericht die Strafe um rund 160.000 Euro. Der Sportgerichts-Vorsitzende Stephan Oberholz begründete die Entscheidung damals mit der Ermittlung zweier Täter aus dem Umfeld der Kölner Ultra-Szene.

Eintracht wies im Zusammenhang von „Überwachung und Täterermittlung“ auf die Zuständigkeit der Polizei hin. „Nach unserem Kenntnisstand konnten Täter im Jahr 2023 polizeilich dabei nicht ermittelt werden, daher wurden auch keine Stadionverbote ausgesprochen. Ferner ist niemand auf uns zugekommen, um uns über mögliche Täteridentifizierungen zu informieren“, erklärte Vereinssprecher Podlech. Gelder aus dem DFB-Strafnachlass seien zuletzt unter anderem „für das Schulungssystem für Ordnungsdienstmitarbeiter in unserem Stadion eingesetzt worden“.

Die ausgesprochenen Geldstrafen nach Fanvergehen werden in der Geschäftsbilanz des Vereins unter „außerordentliche Aufwendungen“ geführt. Sie dürfen nicht im Vorgriff als Rückstellungen Eingang in die Bilanzen finden. Das erlaubt das Lizenzierungsverfahren des DFB nicht.

Die Zahlen aus der Zentralen Informationsstelle der Polizei (ZIS) belegen die Zunahme des missbräuchlichen Umgangs von „Pyro“-Technik im Stadion. Die Ordnungswidrigkeiten stiegen zwischen der Saison 2018/19 und der Saison 2022/23 um mehr als das Zehnfache.
Die Zahlen aus der Zentralen Informationsstelle der Polizei (ZIS) belegen die Zunahme des missbräuchlichen Umgangs von „Pyro“-Technik im Stadion. Die Ordnungswidrigkeiten stiegen zwischen der Saison 2018/19 und der Saison 2022/23 um mehr als das Zehnfache. © FMN | Jürgen Runo

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