Braunschweig. Armin Causevic hat eine interessante Vita vorzuweisen. Nach einer Zeit im Profifußball ist er da angekommen, wo er immer landen wollte.

Armin Causevic weiß, wie sich Fußball-Talente fühlen. Der neue Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Eintracht Braunschweig war selbst mal eines von ihnen. Der heute 38-Jährige durchlief die Jugendmannschaften des FSV Frankfurt. Bis zur U23 spielte er dort. „Aber für den ganz großen Wurf hat es nicht gereicht“, sagt er. „Und dadurch, dass ich es am Ende nicht geschafft habe, habe ich mich viel reflektiert und darüber nachgedacht, warum es nicht geklappt hat.“

Dieses Schicksal ereilt Jahr für Jahr viele NLZ-Spieler. Causevics Wissen um die Situation der Jugendlichen, die ihrem Traum vom Profifußball hinterherjagen, hilft ihm in seinem Arbeitsalltag. Alljährlich müssen Trainer ihren Schützlingen die harten Entscheidungen vermitteln, dass es für sie an dieser Stelle nicht weitergeht. Der Flaschenhals in Richtung des bezahlten Geschäfts ist eng, nur wenige schlüpfen hindurch. Und auch auf dem Weg in die U19, die höchste Mannschaft vor dem Schritt in den Herrenbereich, gibt es Fallstricke und Probleme, die die jungen Sportler bewältigen müssen. Sie nehmen teils weite Anfahrtswege für ihr großes Ziel in Kauf, müssen mit der Doppelbelastung aus Schule und Training klarkommen. „Auch mentale Geschichten spielen eine große Rolle. Je höher du kommst, desto größer wird der Druck. Meine Erfahrungen helfen mir bei der Beurteilung“, sagt Causevic.

Sich selbst und seine Situation von damals kann er im Rückblick realistisch einschätzen – ohne Ausreden, ohne das große „Aber“. „Es waren sicher keine Knieverletzungen, wie bei so vielen, ich wäre auch so nicht Profi geworden“, verdeutlicht der Uefa-A-Lizenz-Inhaber, den es als Amateurspieler bis in die Landes- und Oberliga führte, den obersten Rand des Amateurfußballs. Er spielte erst als Rechts-, dann als Innenverteidiger. „Ich war immer sehr willensstark, habe immer Gas gegeben, mich in die Zweikämpfe reingehauen, aber technisch war ich nicht gut genug. Und daran ist es vermutlich auch gescheitert.“

Ähnliche Lebensgeschichte wie Eintracht Braunschweigs Legenden Fejzic und Bicakcic

Sich das einzugestehen, ist für Fußballer nicht immer leicht. Der Lebensinhalt, mit dem man hofft, sein Geld zu verdienen, wird plötzlich doch wieder nur zum Hobby. Causevic schaffte es dennoch auf anderem Wege ins Profigeschäft. Auch er hatte sein Leben lang immer den Fußball im Kopf.

Er teilt eine ähnliche Lebensgeschichte mit Eintracht-Legenden wie Jasmin Fejzic und Ermin Bicakcic. Auch Causevic ist gebürtiger Bosnier. Als Siebenjähriger verließ er sein Heimatland wegen des Krieges und landete als Flüchtling in Frankfurt am Main. „Das ist meine Heimat, dort bin ich groß geworden und zur Schule gegangen, dort habe ich Abi gemacht und studiert“, sagt der heutige NLZ-Leiter.

Wie viele Jungs in seinem Alter fing er an, Fußball zu spielen. „Wir haben in den Pausen gezockt, wir haben nach der Schule gezockt. Irgendwann hat meine Mutter in der Schule angerufen und gefragt, warum wir noch nicht zu Hause sind. Das war ja früher ein bisschen anders. Wir hatten keine Handys“, sagt Causevic und lächelt. Daheim kickte er mit seinem Bruder im Wohnzimmer oder draußen mit den Freunden. „Eigentlich bestand das Leben immer aus Fußball spielen oder gucken“, verdeutlicht er. „Vielleicht ist das den Kindern heute ein bisschen abhandengekommen. Trotzdem gehört zu einer fußballerischen Ausbildung mehr als nur Bolzplatzmentalität.“

Er vereint beides – Herz und Kopf. Während seines Studiums wurde er Trainer bei kleineren Vereinen, bis er die Chance erhielt, im Nachwuchs des FSV Mainz 05 zu arbeiten. Über Stationen bei Eintracht Frankfurt und dem VfL Wolfsburg landete er dann sogar im Profifußball als Sportdirektor und Sportvorstand des Chemnitzer FC.

Profierfahrung in Chemnitz und Sarajevo für Armin Causevic

Die Zeit beim damaligen Drittligisten beschreibt er trotz der Corona-Pandemie und leeren Stadien als „Riesenerfahrung“. Causevic bekräftigt: „Das war unheimlich wertvoll, um selbst zu reifen und hat mich einfach nur nach vorn gebracht.“ Aber der Druck war immens, die Stimmung hing immer von den Ergebnissen ab. „Im Profifußball denkst du oft von Spieltag zu Spieltag. Und das sehe ich im NLZ nicht. Das ist ein Stück weit angenehmer“, sagt er. Der Schritt zurück in den Nachwuchsbereich war bewusst gewählt.

Doch Chemnitz ist nicht die einzige Erfahrung in der rauen Fußballwelt. Nach einer kurzen Zeit als Scout bei Werder Bremen arbeitete Causevic als Direktor Strategie und Entwicklung in seinem Geburtsland. Beim FK Sarajevo stand er nur drei Monate unter Vertrag, doch die Auslandsstation prägte ihn sehr. „Das war ein Hauptstadtklub mit vielen Fans und richtig Tamtam um den Verein“, sagt der Neu-Braunschweiger über den Klub, der in der Qualifikation zur Uefa Conference League scheiterte. „Das Level dort ist deutlich niedriger als in Deutschland, aber es ist trotzdem Fußball mit großen Stadien und vielen Fans. Da steckt Power dahinter“, erläutert der NLZ-Chef.

Er kannte die Kultur, wusste um die Art und Weise, die die Menschen dort besitzen. „Trotzdem war ich überrascht, wie es dort abläuft. Es ist anders als bei uns, wilder“, sagt Causevic. Die Klubs sind oft von einzelnen Personen abhängig. Diese Klubbesitzer geben das Geld, bei ihnen laufen die Fäden zusammen. Und sie treffen zuweilen Entscheidungen über die Köpfe anderer hinweg.

Causevic will nicht nachkarten, aber eine Geschichte aus dem Nähkästchen erzählt er dann doch. „Der Präsident sagte, dass ohne das Okay des Trainers, des Chefs der Scouting-Abteilung und des Direktors Entwicklung, der ich war, kein Spieler verpflichtet wird“, führt er aus. Dann flog das Team ins Trainingslager nach Slowenien und Causevic erfuhr, dass besagter Präsident höchstpersönlich einen Spieler geholt hatte. „Das Arbeiten dort war eben etwas kurioser.“

„Luft nach oben“ – Eintracht Braunschweig will wieder regelmäßig Profis im NLZ formen

Im Nachwuchsleistungszentrum am Kennelweg wird er so etwas vermutlich nicht erleben. Und er ist nach einer anfänglichen Kennenlernphase froh, dort zu sein. Er weiß nun um die Strukturen und Prozesse und verspürt große Lust auf die Aufgabe als NLZ-Leiter: „Mein Profil ist auch mit meinen Erfahrungen im Profibereich auf das hier zugeschnitten. Und wenn ich zurückblicke, war es mein Ziel, die Position auszufüllen.“

Mittlerweile fühlt er sich pudelwohl und seine Arbeit sich schon wie Alltag an. Doch er hat auch schon einige Dinge ausgemacht, die er mit seinen Mitarbeitern verbessern möchte. Das Scouting, die Kaderplanung, die Trainingsarbeit an sich und die Art, wie der Eintracht-Nachwuchs Fußball spielen will. „Wir haben unglaublich viel Entwicklungspotenzial, welches wir gemeinsam ausschöpfen wollen“, sagt Causevic, der in die zuweilen klinisch anmutende NLZ-Welt ein bisschen Kantigkeit zu bringen scheint.

Er wünscht sich, dass die Strukturen weiter verbessert werden, dass seine Mitarbeiter mitziehen und gerne zur Arbeit kommen. „Das ist mein großes Ziel, denn nur dann kannst du produktiv sein“, glaubt er. Und Produktivität ist ein großes Thema. „Die Nachwuchsarbeit kostet einiges an Geld jedes Jahr. Und es muss unsere Nische sein, Spieler zu entwickeln und nach oben zu bringen. Wir müssen ehrlich sein, dass wir da noch Luft nach oben haben“, legt Causevic den Finger in die Wunde.

Ihm selbst blieb damals der Sprung in den Profifußball verwehrt, anderen will er ihn ermöglichen. „Das ist mein und unser aller Wunsch, Jungs nach oben zu bringen, die die Zuschauer im Stadion sehen und mit denen sie sich identifizieren können.“

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