Braunschweig. Das Eintracht-Stadion in Braunschweig – immer wieder mit neuen Perspektiven, aber auch mit dunklen Flecken.

Bestimmt kennen Sie Ulsaß, Breitner, Popivoda, Kumbela. Legendäre Eintracht-Namen. Aber kennen Sie auch Utermark, Buckendahl, Bolte und Bock? Die sind ebenso legendär, nur nicht ganz so bekannt. Ohne diese Braunschweiger Pioniere gäbe es das Eintracht-Stadion nicht, das am Samstag, 17. Juni 2023, 100 Jahre alt wird.

Historische Aufnahme: Bei der Stadioneröffnung am 17. Juni 1923 laufen die Abteilungen von Eintracht Braunschweig ins neue Eintracht-Stadion ein.
Historische Aufnahme: Bei der Stadioneröffnung am 17. Juni 1923 laufen die Abteilungen von Eintracht Braunschweig ins neue Eintracht-Stadion ein. © Archiv Eintracht Braunschweig

Gemeinsam mit Eintracht-Historiker Gerhard Gizler blättern wir in einer Chronik des Stadions, das ein Braunschweiger Lebensort ist – mit allen Höhen und Tiefen. Die vier Genannten bildeten ab 1919/20 die „Braunschweiger Stadiongesellschaft“: Da war alles beisammen, was man so braucht: Eintracht-Spieler Otto Buckendahl war zugleich Architekt und technischer Leiter, Hermann Bolte praktischerweise Maurermeister.

Kriegsschäden repariert, Wälle aufgeschüttet: Blick ins Rund des Eintracht-Stadions im Jahr 1950.
Kriegsschäden repariert, Wälle aufgeschüttet: Blick ins Rund des Eintracht-Stadions im Jahr 1950. © Archiv Eintracht Braunschweig

100 jahre Eintracht-Stadion: Bauarbeiten gestalten sich sich extrem schwierig

Geschäftsführer Willi Utermark und Rechtsanwalt Paul Bock kamen auf dem sandigen Spargelacker vor den Toren der Stadt – Siegfriedviertel und Volkswagenwerk existierten noch nicht – nur zäh voran. Die Bauarbeiten gestalten sich extrem schwierig, es gibt immer wieder Verzögerungen – und dann kommt auch noch die Hyperinflation der Jahre 1922 und 1923 hinzu.

Eintrachts Stadion-Coup: Schwager in Mexiko hinterlegt drei Millionen in Dollar

Das Projekt Eintracht-Stadion muss scheitern, doch in Braunschweig gelingt ein beispielloser Coup: Utermark schaltet seinen Schwager Karl Mues ein. Eintracht-Historiker Gizler berichtet: „Der ehemalige Spieler – ein jetzt nach Mexiko ausgewanderter Kaufmann – schließt mit dem Verein einen Vertrag über 3 Millionen Reichsmark – und hinterlegt eine entsprechende Summe inflationssicherer amerikanischer Dollars.“

Die Stadiongesellschaft kann tatsächlich weiterbauen. Es klingt wie ein Anachronismus, ist aber wahr: In der tiefsten Krise vor 100 Jahren in einer schicksalhaften Zeit wird am 17. Juni 1923 das Eintracht-Stadion mit einer 1:10-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg eröffnet. Aber das Ergebnis ist völlig egal. Für 15.000 Zuschauer ist der Fußball ein Ventil, das Versprechen auf einige Stunden Lebensfreude abseits von Politik, Not, Krieg und Krisen. So ist es bis heute geblieben.

Militarisierung im Stadion: Wehrsport-Übungen vor der Haupttribüne (1940) und „Kriegskampfspiele der Studenten“.
Militarisierung im Stadion: Wehrsport-Übungen vor der Haupttribüne (1940) und „Kriegskampfspiele der Studenten“. © Stadtarchiv

Aber da sind auch jene Brüche der Geschichte, die sich ebenfalls in der Chronik Eintrachts und des Stadions ablesen lassen. Der Verein sympathisierte früh mit den Nazis, sah es gern, dass Adolf Hitler und Hermann Göring 1932 im Eintracht-Stadion Wahlkampf machten.

Eintracht-Stadion: Statt Punkt- und Pokalspielen Kriegskampfspiele und Wehrsport-Übungen

Später dann gibt es dort nicht nur Ligakämpfe und Pokalspiele, sondern auch „Kriegskampfspiele der Studenten“ (1940) und Wehrsport-Übungen.

Nach dem Krieg nutzen die Briten das Stadion als Materiallager und Parkplatz. Schnell wird wieder gespielt: Im Dezember 1945 tritt eine englische Divisionself gegen ein Braunschweiger Polizeiteam an.

Blick in die Geschichte: Welle der Erneuerungen am Eintracht-Stadion

Eine Welle von Stadionerneuerungen beginnt nun, die bis in die jüngste Vergangenheit andauert. Zunächst werden Kriegsschäden repariert, Wälle aufgeschüttet, eher provisorisch eine Arena für 30.000 Besucher hergerichtet (1950). Der Rat der Stadt Braunschweig hatte für den Aus- und Umbau immerhin schon 4300 Mark bewilligt.

Mit diesen Summen sollte man später nicht mehr auskommen. 1963 gibt es von der Stadt einen Zuschuss von 500.000 Mark für den bundesligatauglichen Ausbau – und eine Kapazität von 38.000 Zuschauern.

Stadiongeburtstag: Eintracht-Stadion brachte Club in finanzielle Schieflage

In den 1970er-Jahren und am Anfang der 1980er-Jahre bringt das zunehmend marode Eintracht-Stadion den Verein in die finanzielle Schieflage, trotz sportlicher Erfolge.

1975 nimmt der Klub 1,5 Millionen Mark Schulden für die Stadionsanierung auf, im Gegenzug gibt die Stadt einen Investitionszuschuss in gleicher Höhe. In mehreren Wellen ziehen sich Modernisierung und Umbau hin, doch die Kosten explodieren. Im Frühjahr 1981 droht Eintracht Braunschweig der Konkurs.

Mehr Nachrichten aus Braunschweig

Mehr wichtige Nachrichten aus Braunschweig lesen:

Täglich wissen, was in Braunschweig passiert: Hier kostenlos für den täglichen Braunschweig-Newsletter anmelden!Hier kostenlos für den täglichen Braunschweig-Newsletter anmelden!