Braunschweig. Ausgangssperre, Kontaktverbot, die neuen Shopping-Regeln: Wir erklären, was sich mit einer Inzidenz über 100 alles ändert – und was nicht.

Um die „dritte Welle“ zu brechen, die Corona-Fallzahlen zu senken und damit auch die intensivmedizinischen Abteilungen in Deutschlands Kliniken zu entlasten, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel qua ihres Amtes durchgegriffen. So sah sich Merkel nach eigenen Angaben gezwungen, bundeseinheitliche Regeln in der Bekämpfung der Pandemie durchzusetzen. Das geschieht über die sogenannte „Bundes“-Notbremse, deren Ausgestaltung im geänderten Bundesinfektionsschutzgesetz geregelt ist. Diesen Änderungen im Gesetz stimmte im April zunächst der Bundestag und dann – mit deutlichem Widerspruch – auch der Bundesrat, die Länderkammer, zu. Über das Gesetz gab es eine wahre Beschwerdeflut. Was sind die Folgen, was die Grundlagen der Entscheidung?

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Was ändert eine Inzidenz ab 100?

Die bundeseinheitliche Notbremse gilt seit dem 24. April und ist für alle Kreise und Städte bindend, die eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 aufweisen. Dabei muss der Wert von 100 an drei hintereinander folgenden Tagen in den jeweiligen Kommunen überschritten werden. Erst dann gelten ab dem übernächsten Tag die in der „Notbremse“ angelegten Verschärfungen. Das Land Niedersachsen hat seine Corona-Verordnung dementsprechend angepasst, ergänzt sie ab dem 10. Mai um Öffnungsschritte, die bei einer Inzidenz unter 100 greifen. Voraussetzung ist auf allen Feldern, auf denen die Landesregierung Lockerungen erwägt, sind negative Schnelltests oder der Nachweis einer vollständigen Impfung gegen das Coronavirus. Hier lesen Sie alle aktuellen Infos zu Niedersachsen.

Was sagt die Sieben-Tage-Inzidenz aus?

Wer an Covid-19 erkrankt, ist verpflichtet, dies dem Gesundheitsamt an seinem Wohnort zu melden. Diese Meldungen werden aus den Kreisen und Städten an das für den Infektionsschutz zuständige RKI weitergeleitet und dort gesammelt. Zwischengeschaltet bei der Weitergabe der Daten sind zudem noch die Landesgesundheitsämter. Die Meldungen aus den Gesundheitsämtern sind Grundlage der Berechnungen der Sieben-Tage-Inzidenz. Diese gibt an, wie viele Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner es binnen einer Woche gab.

Ausschlaggebend für Maßnahmen der Notbremse sind die Zahlen, die das RKI mit Datenstand 0 Uhr veröffentlicht. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als Aufsichtsbehörde des RKI erklärt das Vorgehen so: „Die Bundesregierung betrachtet fortlaufend nicht nur die Inzidenz, sondern auch viele weitere Faktoren wie den R-Wert, die Auslastung der Intensivstationen, die Zahl der durchgeführten Tests etc. Die 7-Tage-Inzidenz ist aber ein früher Indikator für ein zunehmendes Infektionsgeschehen (...), sie wird täglich veröffentlicht und ist für jeden leicht nachvollziehbar.“ Lesen Sie dazu auch: Inzidenz als Maß der Dinge - angemessen oder irreführend?

Wann gelten Ausgangssperren? Wann nicht?

Kommunen, die eine Inzidenz von über 100 aufweisen, gelten auch in Niedersachsen nun als Hochinzidenzkommune. Das sind landesweit, Stand 10. Mai, 13 von insgesamt 45 Kreisen und kreisfreien Städten. In unserer Region zählen die Städte Salzgitter und Wolfsburg sowie die Kreis Peine und Gifhorn aktuell dazu. Ist die im Infektionsschutzgesetzt hinterlegte „Inkrafttretungsfrist“ erreicht, gilt dann auch eine Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens. Bis Mitternacht ist einzelnen Personen noch erlaubt „sich alleine draußen zu bewegen“.

Allerdings gibt es triftige Gründe, in denen die Ausgangssperre nicht greift. Dazu zählen: medizinische Notfälle oder unaufschiebbare Behandlungen, Berufsausübung, unaufschiebbare Unterstützung Minderjähriger oder betreuungsbedürftiger Personen und die Versorgung von Tieren. So ist das Gassigehen mit dem Hund weiterhin auch nachts erlaubt.

Wen kann ich privat treffen?

Private Treffen sind laut der bundeseinheitlichen Regelung nur noch mit einer haushaltsfremden Person gestattet. Kinder bis einschließlich 14 Jahren, die in einem der beiden Haushalte leben, sind ausgenommen. In der niedersächsischen Corona-Verordnung wird auch geregelt, was erlaubt ist, wenn die Inzidenz wie aktuell in den meisten Kreisen und Städten unter die Marke von 100 fällt. Dann darf sich ein Haushalt mit zwei Personen aus einem weiteren Haushalt treffen.

Fällt die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Kommune auf unter 35, darf der entsprechende Landkreis oder die kreisfreie Stadt Treffen von bis zu zehn Personen aus maximal drei Haushalten erlauben. Kinder bis 14 Jahren werden auch hier nicht mitgezählt. An einem solchen Treffen dürfen nur dann Personen aus einer anderen Kommune teilnehmen, wenn dort auch die Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 liegt.

Was ist beim Sport erlaubt?

Steigt die Zahl der Neuinfektionen auf über 100 darf kontaktloser Sport tagsüber nur alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand betrieben werden. Davon ausgenommen sind Profisportler. Profisport findet ohne Zuschauer statt. Ausgenommen sind auch Kinder, wenn sie draußen kontaktlos in Gruppen von maximal 5 Kindern trainieren. Laut BMG müssen Trainer ggf. einen negativen Corona-Schnelltest vorweisen.

Unter der Inzidenz 100 will das Land Niedersachsen bei Kinder- und Jugendlichen größeren Gruppensport ermöglichen. Im Gespräch sind Gruppengrößen bis 30 bei sportlichen Aktivitäten, die an der frischen Luft geschehen. Auch Fußballspiele wären so im Kinder- und Jugendbereich möglich.

Mehr dazu hier: Individualsportler haben aktuell einen Vorteil

Was gilt im ÖPNV?

Auch hier setzt der Bund auf einheitliche Regeln. Im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr einschließlich Taxen gilt ab einer Inzidenz von 100 eine Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbares Modell). „Einfache medizinische Masken reichen nicht mehr aus“, stellt die Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen klar.

Was ist für Schulen angesagt?

Die vom Bund beschlossenen Maßnahmen dürfen vom Land Niedersachsen nicht unterschritten beziehungsweise gelockert werden, die Landesregierung ist jedoch berechtigt, überall dort, wo ihr dies notwendig erscheint, strengere Maßgaben vorzugeben.

Bundesweite Corona-Notbremse gilt jetzt

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    In den Bildungseinrichtungen hat Niedersachsen zunächst davon Gebrauch gemacht, steuert jetzt aber um. Mit der neuen Verordnung, die ab dem 10. Mai gelten soll, sollen alle Schulen in Regionen unter einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 wieder Präsenzunterricht im Wechselmodell („Szenario B“) anbieten dürfen. In geteilten Lerngruppen, rotierend, die eine Hälfte der Schülerinnen und Schüler vor Ort in der Schule lernend, die andere Hälfte von zu Hause aus – kommen somit alle Schülerinnen und Schüler wieder in ihre Schulen und lernen zusammen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern unter Anleitung ihrer Lehrkräfte. Wird der Schwellenwert von 165 überschritten, kann nicht mehr vor Ort unterrichtet werden.

    Allerdings soll Niedersachsens neue Corona-Verordnung Abschlussprüfungen „inzidenzunabhängig“ für folgende Schülergruppen und Schulformen ermöglichen:

    - der 9. und der 10. Schuljahrgang, soweit an der Schule im Schuljahr 2020/2021 Abschlussprüfungen vorgesehen sind

    - der Sekundarbereich II, soweit an der Schule in Lerngruppen dieser Schuljahrgänge im Schuljahr 2020/2021 Abschlussprüfungen vorgesehen sind, und der Schuljahrgang 12,

    - der 4. Schuljahrgang und

    - die Förderschulen geistige Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung sowie die Förderschulen Sehen und Hören

    Und was gilt für Kitas?

    Auch hier ist jetzt die Zahl 165 entscheidend. Die Kindertageseinrichtungen in Regionen unter dieser Sieben-Tage-Inzidenz wechseln in den eingeschränkten Regelbetrieb („Kita-Szenario B“). Damit können alle Kinder, die in der jeweiligen Einrichtung einen Betreuungsplatz haben, wieder zurück in Krippe, Kindergarten oder Hort. Es gelten Hygienevorschriften und feste Raumaufteilungen, gruppenübergreifende Angebote können nicht stattfinden. Kindertagespflegepersonen können in Regionen unter einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 einen Regelbetrieb unter Beachtung von Hygienevorschriften anbieten.

    Was ändert sich beim Einkaufen?

    Die Geschäfte des täglichen Bedarfs bleiben für Kunden offen – unabhängig davon, wie hoch die Inzidenz ist. Dazu listet das BMG auf seiner Homepage (www.bundesgesundheitsministerium.de) neben Supermärkten, Drogerien und Apotheken auch andere Geschäfte wie Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte oder Futtermittelmärkte auf.

    Auch Wochenmärkte, die Lebensmittel verkaufen, bleiben für die Bürger zugänglich. In Hochinzidenzkommunen müssen Geschäfte die Anzahl der Personen ihrer zur Verfügung stehenden Ladenfläche anpassen.

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    Was ist Click & Meet?

    Für den darbenden Einzelhandel, insbesondere in den Innenstädten, ist künftig der Richtwert von 150 bei der Sieben-Tage-Inzidenz entscheidend. Bis zu diesem Wert dürfen Kunden nach Terminvereinbarung vor Ort in den Geschäften einkaufen. Dafür stehen die englischen Begriffe „Click“ (Bestellen) und „Meet (Treffen). Liegt die Inzidenz allerdings über 100, sind diese Vor-Ort-Treffen nur mit einem negativen Corona-Test, der nicht älter als 24 Stunden sein darf, erlaubt.

    Wann ist Click & Collect notwendig?

    Bestellen und Abholen, dafür steht dieses Shopping-Prinzip. Es muss von den Geschäften bundesweit ab einer Inzidenz von über 150 umgesetzt werden. Der Kunde muss mit dem Händler einen Abholtermin vereinbaren und bekommt die Ware ausgehändigt. Ein negativer Corona-Test ist hier nicht erforderlich.

    Was ändert sich für den Handel bei einer Inzidenz unter 100?

    Liegt die Inzidenz in den Kommunen unter 100 plant das Land Niedersachsen in einem am 4. Mai vorgestellten Entwurf Lockerungen. Entfallen soll die Terminvergabe beim Einkaufen. Notwendig ist aber ein negativer Corona-Schnelltest, der nicht älter als 24 Stunden alt sein darf. Die Kunden müssen zur Kontaktnachverfolgung ihre Daten vor Ort oder digital hinterlegen. Die Geschäfte müssen, je nach Größe der Ladenfläche, die Personenzahl einschränken.

    Was gilt beim Friseur?

    Liegt die Inzidenz in einer Kommune über 100 dürfen körpernahe Dienstleistungen wie Massage- und Kosmetikstudios ihre Arbeit nicht mehr anbieten. Friseure und die Fußpflege sind von dieser Regelung ausgenommen. Hier ist in Hochinzidenzkommunen nun allerdings ein negativer Corona-Test nötig, um im Geschäft bedient zu werden. Liegt die Inzidenz unter 100 fällt diese Testpflicht weg. Ausnahme: Überall dort, wo nicht durchgängig eine FFP2-Maske getragen werden kann, muss ein Schnelltest vorgelegt werden.

    Die Polizei fährt während der nächtlichen Ausgangssperre in der Innenstadt Streife. Seit dem 24. April 2021 gilt die Regelung einer bundeseinheitlichen Corona-Notbremse. Dazu gehören unter anderem Ausgangsbeschränkungen zwischen 22 und 5 Uhr.
    Die Polizei fährt während der nächtlichen Ausgangssperre in der Innenstadt Streife. Seit dem 24. April 2021 gilt die Regelung einer bundeseinheitlichen Corona-Notbremse. Dazu gehören unter anderem Ausgangsbeschränkungen zwischen 22 und 5 Uhr. © dpa | Ole Spata

    Was dürfen Geimpfte schon?

    Das Land Niedersachsen erlaubt Menschen mit vollständigem Impfschutz mehr Freiheiten. Sie werden von Test- und Quarantäne-Pflichten befreit. Dies greift zwei Wochen nach der Zweitimpfung. Die Betroffenen dürfen aber keine Krankheitsanzeichen haben. Ausgenommen davon sind Reiserückkehrer aus Virusvariantengebieten.

    https://www.braunschweiger-zeitung.de/impfmonitor

    Kann regional gelockert werden? Was ist mit Gastronomie und Tourismus?

    Ja, überall dort, wo die Inzidenz stabil unter 100 liegt, sieht die Bundes-Notbremse auch Öffnungsstrategien vor. Der Wert muss allerdings an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unterschritten sein. Ist dem so, tritt auch hier zwei Tage nach dem Unterschreiten des Werts, das Ende der strengeren Regeln in Kraft.

    Das Land Niedersachsen, mit CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann an der Spitze, plant schon ab dem 10. Mai, neben dem Handel auch der Gastronomie und dem Tourismus Öffnungsperspektiven zu geben. Maßgeblich ist auch hier immer eine Inzidenz unter 100 und aktuelle negative Corona-Schnelltests. Geplant sind aber Bewirtungs- und Beherbergungsgrenzen. In der Gastronomie soll es eine Sperrstunde ab 23 Uhr geben.

    Mehr dazu lesen Sie hier:

    Bis wann gelten die Maßnahmen des Bundes?

    Die Notbremse, die der Bund gezogen hat, endet spätestens am 30. Juni 2021. Über eine etwaige Verlängerung muss erneut der Bundestag und dann der Bundesrat entscheiden. Die Bundesregierung behält sich aber vor, innerhalb dieses Zeitraums per Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und Bundesrates weitere Maßnahmen, Präzisierungen und Ausnahmen zu erlassen.