Braunschweig. Der Investor hat faule Schiffskredite gekauft. Die Kapitalquote der Nord-LB schrumpft massiv.

Aus welchem Grund kauft man faule Kredite?

Diese Frage stellt unser Leser Martin Kämmer.

Die Antwort recherchierte Hannah Schmitz.

Die Norddeutsche Landesbank (Nord-LB) hat ein Gesamt-Portfolio an Schiffskrediten in Höhe von 10,8 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon – ein Kreditvolumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro – gilt als ausfallgefährdet, kann von den Gläubigern also nicht mehr bedient werden. Weil die Landesbank diesen Ausfall mit einer Risikovorsorge ausgleichen muss, schrumpft die sogenannte Kernkapitalquote – der Risikopuffer einer Bank. Je niedriger die Quote, desto eher steht die europäische Bankenaufsicht auf der Matte und desto schlechter bewerten Ratingagenturen die Bank. Ein Teufelskreis, denn: Je schlechter das Rating, also die Kreditwürdigkeit der Bank, desto schlechter kommt das Institut an neues Geld heran.

Es ist also im hohen Interesse der Nord-LB, ihre notleidenden Kredite loszuwerden.Der Verkauf eines Portfolios in Höhe von 2,7 Milliarden Euro wurde nun am Wochenende abgewickelt – für die Nord-LB ist das ein Meilenstein. Insgesamt hat die Landesbank ein faules Schiffskredit-Portfolio in Höhe von 7,3 Milliarden Euro. Ziel der Nord-LB war, bis Ende 2019 das Portfolio auf unter 5 Milliarden Euro zu schrumpfen. Das hat sie nun vorzeitig geschafft. Übrig bleiben 4,6 Milliarden Euro. Diese will die Nord-LB in Eigenregie wertschonend abbauen. Wie, ist bisher unklar, im Raum steht etwa die Gründung einer „Bad Bank“.

Doch wer kauft eigentlich faule Kredite und mit welchem Interesse? Das fragt auch unser Leser Martin Kämmer. Käufer des Portfolios ist der US-amerikanische Finanzinvestor Cerberus. Cerberus ist bereits an der Deutschen Bank (3 Prozent) sowie an der Commerzbank (5 Prozent) beteiligt, im Februar vergangenen Jahres hat es mit J.C. Flowers den Zuschlag für den Kauf der HSH Nordbank erhalten. Diese Landesbank wurde durch faule Schiffskredite in die Knie gezwungen. Mit notleidenden Schiffskrediten hat Cerberus also schon Erfahrungen gesammelt und gilt als Kenner in diesem speziellen Geschäft.

Der Investor hat das 2,7-Milliarden-Kreditpaketmit einem Abschlag, massiv unter dem nominalen Werts der Kredite, der Landesbank abgekauft. Die Kaufsumme nennen weder Nord-LB noch Cerberus auf Anfrage. Für die Landesbank entsteht beim Verkauf ein geringerer Verlust, als wenn sie die Kredite weiterlaufen lassen würde. Ein weiterer Vorteil für die Landesbank ist, dass sie diese faulen Kredite nicht mehr absichern muss. Die Rückzahlungsforderung verschwindet aus der Bilanz, dafür kann sie eine Buchung eintragen. Im Gegensatz zu Privatinvestoren tickt bei der Nord-LB außerdem die Uhr für den Verkauf der faulen Kredite, weil die europäische Aufsicht sie unter Druck setzt und sie außerdem ihr Rating bessern will. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) sprachen in den vergangenen Tagen in diesem Zusammenhang stets von einer „Altlast“. Eine Restrukturierung, Verkleinerung sowie Regionalisierung soll die Bank wieder nach vorne bringen. Der jetzige Verkauf des Portfolios lässt die Kernkapitalquote auf 6 bis 6,5 Prozent schrumpfen. Damit unterschreitet die Nord-LB aufsichtsrechtliche Schwellen. Ziel ist eine Quote von 14 Prozent.

Cerberus hat das Portfolio nach Einschätzung von Branchenkennern mit Eigen- und Fremdkapital erworben und setzt dabei auf den Hebeleffekt: Da Cerberus das Fremdkapital zu günstigeren Konditionen aufnehmen kann als die Investitionen in das Portfolio an Rentabilität erzielt, lohnt sich das Geschäft – diese Rendite muss letztlich höher sein als die Rendite des Fremdkapitals. Cerberus geht demnach aber wohl nicht von einem sich erholenden Markt für die gebeutelte Schifffahrtsbranche aus, sondern will sich die Rückzahlungen zurückholen, unter anderem durch eine Restrukturierung der Gläubiger. Dafür gibt es bei Banken und Finanzinvestoren eigene „Workout“-Abteilungen, die auf die Bearbeitung und Abwicklung von Problemkrediten spezialisiert sind. „Das ist ein extrem spezielles, und kein schönes Geschäft“, sagte einer der Branchenkenner. Ein anderer sagte, dass Cerberus dabei wohl mehr Geld herausholen könne als die Landesbank.

Kein Wunder also, dass der Verband Deutscher Reeder (VDR) den Verkauf großer Schiffskreditportfolien an ausländische Investoren mit Sorge sehen. „Hinter den Schiffskrediten stehen Schiffe und Reedereien, daran hängen vor allem in Norddeutschland tausende hochqualifizierter Arbeitsplätze. Die neuen Eigentümer sollten das im Blick haben“, sagt VDR-Sprecher Christian Denso. Allerdings bedeute der Verkauf nicht automatisch einen erheblichen Einschnitt für die deutsche Flotte. „Wenn die Schiffe weiterhin vom deutschen Standort aus bereedert werden können, bleiben die meisten Arbeitsplätze hier erhalten“, so Denso.

Bis zur Finanzkrise 2008, vor allem 2005 und 2006, haben Reedereien in Deutschland Schiffe „am Bedarf vorbei“ bestellt, erläutert Jan-Henning Ahrens die Entwicklung der Branche. Der Bremer Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht vertritt in Kapitalanleger-Musterverfahren nach eigenen Angaben einige Tausend Schiffsanleger vor Gericht. Die Folge: Eine Überkapazität am Markt, durch die die Rendite der Reedereien schrumpfte. Landesbanken, neben der Nord-LB auch die damalige Bremer Landesbank sowie die HSH Nordbank, hätten den Reedereien das Geld hinterhergeworfen. „Offenbar waren da keine Schiffsexperten am Werk“, sagt Ahrens.