„Die Krise wirft ein grelles Schlaglicht auf die Notwendigkeit, die braunschweigischen Institute in ihrer Gemeinwohl-Bindung zu sichern.“

„Nachts ist es schön, an das Licht zu glauben.“ (Edmond Rostand)

Die Welt ist manchmal ungerecht. Viele Banken stürzten unternehmerisch und in der Achtung der Bürger ab, weil sie mit unverantwortlichen Spekulationen Milliardenwerte vernichteten. Ihr Derivate-Handel löste eine der schwersten Erschütterungen des weltweiten Finanzsystems aus. Die Norddeutsche Landesbank verhielt sich ganz anders – und rutschte tief in die Krise, gerade weil sie sich mit Realwirtschaft statt mit Finanz-Alchimie beschäftigte. Schiffe und deren Ladungen zu finanzieren, das schien nach den Erfahrungen des Lehman-Crashs gerade vorbildlich. Heute ist festzustellen, dass die Bank dabei deutlich zu viel Vertrauen in die Schifffahrtsbranche setzte. Die Verantwortlichkeiten sind bisher kaum aufgearbeitet worden.

Der Niedergang der Schifffahrt belastet die Landesbank mit milliardenschweren faulen Krediten. Acht Milliarden Euro hat die Bank in den vergangenen Jahren aus ihren Erträgen abgearbeitet. Das ist eine stattliche Summe, die für Leistungsfähigkeit spricht. Doch für eine stabile Zukunft reicht das nicht. Zu schwer wiegt auch der Mühlstein, den die Finanzaufsicht der Nord-LB mit der unternehmerisch nicht zu rechtfertigenden Übernahme der Bremer Landesbank umgehängt hatte.

Frisches Geld muss her. Das Land Niedersachsen darf nach den Beihilfe-Regeln der Europäischen Union nur helfen, wenn ein Privatinvestor eine Summe in gleicher Dimension bereitstellt. Diese Situation hätte eine große Chance für die deutschen Landesbanken eröffnet. Bündelung der Kräfte in partnerschaftlichem Interessenausgleich hätte diese Finanzinstitute für lange Zeit aus der finanzpolitischen Diskussion gebracht. Aber dafür reichte der Mut, vielleicht auch die Weitsicht nicht. Die denkbaren Partner von München über Frankfurt bis Stuttgart winkten der Reihe nach ab.

Lange Zeit sah es deshalb so aus, als bliebe dem Land Niedersachsen nur die Wahl zwischen einem verlustreichen Handel mit Investoren, deren einziges Interesse in maximaler Rendite liegt, oder der Abwicklung der Landesbank.

Thomas Bürkle, Vorstandschef der Nord-LB, der das krisengeschüttelte Institut klug und unbelastet führt, war zuletzt gezwungen, mit einem klaren Nein in die Debatte um die Abwrackung seines Unternehmens einzugreifen. Viele fragen sich, was den Grünen-Politiker und Ex-Minister Stefan Wenzel geritten hatte, der diese Abwicklung ausdrücklich forderte – wie er meint, zum Schutze der Steuerzahler. Tatsächlich wäre die Abwicklung der Norddeutschen Landesbank hoch riskant, für die Gesellschafter, von denen das Land Niedersachsen mit weitem Abstand der wichtigste ist, aber auch für die norddeutsche Wirtschaft und vielleicht sogar für das Bankensystem in Deutschland. Dessen Stabilität ist relativ.

Eine mutige Entscheidung der deutschen und niedersächsischen Sparkassen eröffnet dem Land Niedersachsen und der Nord-LB nun eine Option, die an das Bild vom weißen Ritter denken lässt. Die Wahrheit dürfte viel prosaischer sein. Die öffentlich-rechtlichen Bankiers werden mit kühlem Verstand in jenen Abgrund geblickt haben, den ein Scheitern der Nord-LB aufgerissen hätte. Als Gesellschafter der Landesbank hätten sie so oder so sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen. Der Eigennutz schmälert aber den Wert der unternehmerischen Klugheit dieser Entscheidung nicht.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und der Sparkassenverband Niedersachsen sind bereit, 1,2 Milliarden Euro in die Landesbank zu stecken. Mit massiver Stützung durch das Land Niedersachsen könnte so die Last der faulen Kredite neutralisiert werden. Die Landesbank bekäme ein stabiles Eigenkapital-Polster und könnte sich aus jener Refinanzierungsfalle befreien, die aus miserablen Ratings gebaut ist. Gegenwärtig muss die Nord-LB deutlich mehr für geliehenes Geld bezahlen als ihre Wettbewerber. Und: Die Landesbank bliebe öffentlich-rechtlich, wäre also weiterhin in hohem Maß dem Gemeinwohl verpflichtet.

Ministerpräsident Stephan Weil weiß, dass auch dieser Weg schmerzhaft ist. Das Land muss 1,5 Milliarden Euro aufbringen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Landesbank weniger Menschen Arbeit bieten wird als bisher. Weil und seine Koalition erkennen aber auch, dass jede Alternative schlechter wäre.

Die Frage ist, ob die EU diesen Weg mitgeht. Wird der Beitrag der Sparkassen als Privatkapital anerkannt? Für die öffentlich-rechtlichen Finanzinstitute, die zur Stabilität des deutschen Systems wesentlich beitragen, hat Brüssel keinen Sinn; in der Vergangenheit verhielt sich die EU wie ein Lobbyist der Privatbanken. Da wird politische Rückendeckung nötig sein. Sonst könnte vorgeblich marktorientierte Ideologie zum unkalkulierbaren Risikofaktor werden.

Und was wird aus der Landessparkasse und der Öffentlichen Versicherung? Unter dem Dach einer öffentlich-rechtlich organisierten Nord-LB hätte alles beim alten bleiben können. Nun kommt es aber zu einer wesentlich überzeugenderen Lösung: der Entkoppelung der Landesbank von den beiden Institutionen des Braunschweiger Landes. Es ist kein Geheimnis, dass die klare Abgrenzung Bedingung des Engagements der Sparkassen war. Den Interessen unserer Region verhalf dies zum Durchbruch. Das Scheitern einer Sanierung der Nord-LB aus eigener Kraft warf grelles Licht auf die Notwendigkeit, die braunschweigischen Institute mit ihrer Gemeinwohl-Bindung langfristig zu sichern. In der Eigenständigkeit wird dies am besten gelingen.

Gut, dass die Landesregierung über ihren Schatten sprang! Es dürfte nicht allein der Not des Landes und dem Druck der Sparkassenverbände zu verdanken sein. Vor allem Ministerpräsident Weil respektiert, dass die hiesigen Kommunen ihr Recht auf eine eigene Sparkasse mit großem Nachdruck einfordern. Und auch Finanzminister Reinhold Hilbers bewies bei aller Skepsis viel Weitsicht.

Die Entflechtung wird Jahre dauern. Aber das gute Werk ist den Schweiß der Edlen wert. Um es mit der zweifachen Nobelpreis-Trägerin Marie Curie zu sagen: „Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist. Mich interessiert, was getan werden muss.“