Almancil. Der Geschäftsführer Sport des VfL Wolfsburg spricht im Trainingslager über die schwache Hinserie und warum er positiv nach vorn blickt.

Seit fast einem Jahr ist Marcel Schäfer nicht mehr der Sportdirektor, sondern der Geschäftsführer Sport des VfL Wolfsburg. Es waren nicht immer einfache Zeiten, vor allem das zurückliegende Halbjahr war sportlich schwierig. Doch der 39-Jährige blickt nach den Trainingslager-Tagen in Almancil (Portugal) optimistisch in die Zukunft. Im Interview verrät Schäfer, wie er das zurückliegende Jahr beurteilt, warum die Transfers von Felix Nmecha und Micky van de Ven im vergangenen Sommer für den Klub genau richtig waren und was er sich alles von seinem Vorgänger und Mentor Jörg Schmadtke hat abschauen können.

Wie fällt Ihr Fazit des Trainingslagers aus?

Wir hatten überragende Bedingungen - das Hotel, die Infrastruktur mit den Trainingsplätzen sind herausragend. Deswegen haben wir uns trotz der Kürze der Zeit bewusst entschieden, diese Reise auf uns zu nehmen. Wir haben die Zeit optimal nutzen können und intensiv trainiert. Trotzdem ist auch der nötige Spaß dabei gewesen. Wenn man ein Fazit ziehen möchte, war es ein sehr gelungenes Trainingslager.

Mit den sechs Tagen im Trainingslager in Portugal zeigte sich Marcel Schäfer, der Geschäftsführer Sport des VfL, sehr zufrieden.
Mit den sechs Tagen im Trainingslager in Portugal zeigte sich Marcel Schäfer, der Geschäftsführer Sport des VfL, sehr zufrieden. © Sport | Marvin Seibert

Marcel Schäfer: „Es ist ein absolutes Privileg, im Fußball und beim VfL zu arbeiten“

Klappt es, in so kurzer Zeit für eine Aufbruchsstimmung zu sorgen?

Ich finde, man kann zu jeder Zeit eine positive Energie reinbringen. Das ist meine klare Erwartungshaltung an jeden Einzelnen. Natürlich haben wir eine schwierige Phase hinter uns, in der wir unseren Ansprüchen nicht gerecht geworden sind. Sowohl was die Leistung betrifft als auch die Ergebnisse haben wir Luft nach oben. Aber ein Jahreswechsel ist im Privaten wie im Beruflichen immer dazu da, die Dinge zu reflektieren. Wo sind die Potenziale, wo müssen wir uns verbessern? Dann ist jeder gefragt, dann muss jeder Verantwortung übernehmen. Egal in welcher Phase man sich befindet, ist es ein absolutes Privileg, im Fußball und beim VfL Wolfsburg zu arbeiten. Das sollte man nicht vergessen.

„Der VfL Wolfsburg hat sportlich und wirtschaftlich auch seine Grenzen“

Was gibt Ihnen die Überzeugung, dass es in der zweiten Saisonhälfte besser läuft?

Im Großen und Ganzen lag es sicherlich nicht an der Einsatzbereitschaft. Wir haben es noch nicht geschafft, Stabilität und Konstanz zu bekommen, Vertrauen in die Abläufe. Dass uns das in der ersten Saisonhälfte nicht so gelungen ist, ist auch darauf zurückzuführen, dass wir im Sommer einen großen Umbruch hatten. Wider Erwarten hatten wir zwar einen guten Start, sind dann aber in eine schwierige Phase gerutscht.

Mehr aus dem Trainingslager des VfL Wolfsburg:

Dieser Weg, Spieler zu entwickeln und mit einem Transferplus abzugeben, wie es im vergangenen Sommer mit Micky van de Ven und Felix Nmecha gelungen ist, ist unsere Strategie. Für unseren Weg und unsere Philosophie waren diese beiden Wechsel eine Bestätigung. Wenn man die Bundesliga so sieht: Welcher Klub kann die besten Spieler halten? Selbst für Bayern München wird es hier und da schwierig.

Wir haben ganz klar auch eine Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Wir können stolz sein auf unsere Historie, aber der VfL Wolfsburg hat sportlich und wirtschaftlich auch seine Grenzen. Man muss es einem Spieler zugestehen, dass er sich damit auseinandersetzt, wenn er ein Angebot von einem absoluten Topklub bekommt. Ich habe eine klare Haltung: Es gehört zu unserer Strategie, mit entwicklungsfähigen Spielern zu arbeiten, sie aufs nächste Level zu bringen und auch über Transfers den nächsten Schritt zu ermöglichen, wenn wirtschaftlich wie sportlich alle Parameter passen. Zu dem Umbruch gehört aber auch, dass wir einige Stammspieler ablösefrei verloren haben, mit insgesamt fast 20 Transfers war es doch ein großer Umbruch.

VfL-Geschäftsführer: Um Europa zu erreichen, müssen alle Faktoren zusammenpassen

Kann man angesichts dessen das Ziel Europacup aufrechterhalten?

Die wichtigste Aufgabe ist es, Punkte einzufahren. Ich kann aber auch jetzt schon sagen: Ich möchte nächstes Jahr wieder Pokalsieger werden. Wir haben es seit dem DFB-Pokalsieg 2015 nicht mal ansatzweise geschafft, so weit zu kommen. In der aktuellen Saison wäre die Möglichkeit groß gewesen. Man sollte sich immer sehr hohe Ziele setzen. Denn ich bin der Überzeugung, dass man sie nur dann auch erreichen kann. Wir können um die europäischen Plätze mitspielen, aber da müssen schon alle Faktoren zusammenpassen, denn unser Weg bringt es mit sich, dass wir die Spieler, die uns verlassen, auch ersetzen müssen. Man hat immer den Wunsch, dass es dann wieder sofort funktioniert. Aber es bedarf auch einer gewissen Geduld.

Im vergangenen Sommer hat der VfL zahlreiche Stammspieler abgegeben. Micky van de Ven (2. von links) und Felix Nmecha (3. v. l.) allerdings mit einem großen Transferplus.
Im vergangenen Sommer hat der VfL zahlreiche Stammspieler abgegeben. Micky van de Ven (2. von links) und Felix Nmecha (3. v. l.) allerdings mit einem großen Transferplus. © regios24 | Darius Simka/regios24

Haben beim VfL alle diese Geduld?

Einerseits geduldig zu sein und andererseits den ständigen Antrieb zu haben, tagtäglich besser zu werden – da ist es schwierig, die Balance zu finden. Aber für uns als Klub ist Geduld mit den Protagonisten schon sehr wichtig. Und wenn man noch einmal auf die beiden Beispiele mit Felix und Micky schaut, sieht man, dass sich Geduld und Vertrauen auszahlen können.

Werden Sie im Winter noch etwas auf dem Transfermarkt machen?

Momentan sieht es nicht so aus. Und ich habe schon mehrfach betont, wie groß unser Vertrauen in die Gruppe ist.

Fast ein Jahr Geschäftsführer: Das hat sich verändert

Sie sind seit fast einem Jahr Geschäftsführer Sport des VfL. Was hat sich verändert?

Der Titel ist anders, in der täglichen Arbeit hat sich aber nicht allzu viel verändert. Sebastian Schindzielorz übernimmt viele Aufgaben, wir stimmen uns regelmäßig ab. Das läuft aber so ab wie es auch schon für mich unter Jörg Schmadtke der Fall war. Wir gehen die Dinge gemeinsam an. Der Bereich Frauenfußball ist dazugekommen, der sehr viel Spaß macht.

Hat sich der Druck auf Sie verändert?

Es gibt für mich keinen Druck, nur den, den ich mir selbst mache. Ich nehme alle Aufgaben und Herausforderungen an. Denn noch einmal: Es ist ein Privileg, im Fußball und beim VfL Wolfsburg zu arbeiten.

Viereinhalb Jahre hat Marcel Schäfer (rechts) als Sportdirektor Manager Jörg Schmadtke beim VfL Wolfsburg zugearbeitet. Am 1. Februar 2023 übernahm er den Posten des Geschäftsführers Sport.
Viereinhalb Jahre hat Marcel Schäfer (rechts) als Sportdirektor Manager Jörg Schmadtke beim VfL Wolfsburg zugearbeitet. Am 1. Februar 2023 übernahm er den Posten des Geschäftsführers Sport. © regios24 | Darius Simka

Wie viel Jörg Schmadtke steckt in Ihnen?

Wenn man viereinhalb Jahre zusammengearbeitet hat, ist es logisch, dass man einige Dinge übernimmt. Aber ich habe schon immer betont, dass ich meinen eigenen Weg finden muss. Ich bin vom Wesen und Charakter ein ganz anderer Mensch als Jörg. In puncto Transferabwicklung und Netzwerk konnte ich sehr viel von ihm mitnehmen. Er hat mich überallhin mitgenommen, mir sein gesamtes Repertoire zur Verfügung gestellt. Es gibt viele Impulse, die ich mitnehmen konnte und bin sehr dankbar für die gemeinsamen Jahre.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer bisherigen Bilanz als Geschäftsführer?

Zufrieden kann ich grundsätzlich nicht sein mit den Ergebnissen. Aber da gibt es noch weitere Faktoren. Ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen, dass wir die sportliche Leistung auf den Platz bringen. Das gilt für die Akademie, um dort die Durchlässigkeit zu erhöhen und Talente an den Profikader heranzuführen. Für die Frauen, mit denen wir ohne Wenn und Aber Titel gewinnen wollen. Und für die Männer, mit denen wir um die internationalen Wettbewerbe mitspielen wollen. Dieser Anspruch wird sich auch nicht ändern.

Schäfer über Odogu: Ich denke nicht, dass David für die Schlagzeilen gesorgt hat

U17-Weltmeister David Odogu ist nicht mit ins Trainingslager gereist. Stattdessen kamen Gerüchte um einen Wechsel zum FC Chelsea auf. Wie sehr muss man diese jungen Spieler auch auf dem Boden halten?

Ich denke nicht, dass David für die Schlagzeilen gesorgt hat. Dass die U17 Weltmeister geworden ist, finde ich klasse. Das ist auch für uns im deutschen Fußball ein tolles Signal, dass doch nicht alles so verkehrt ist, dass wir nach wie vor tolle Talente haben und Trainer, die für Furore sorgen können. Trotzdem haben wir noch Luft nach oben in der Ausbildung und Entwicklung junger Spieler. Wir müssen aber aufpassen, dass den jungen Spielern nicht der Kopf verdreht wird. Fast keiner von ihnen hat durch diesen Titel jetzt eine Berechtigung, in der Bundesliga zu spielen. Jetzt geht es erst richtig los in ihrer Karriere. Sie haben damit einen großen Schritt gemacht, aber da wartet immer noch sehr viel Arbeit. Sie müssen weiter hart arbeiten, diszipliniert sein und den Fokus auf das Wesentliche beibehalten.

David Odogu (links) wurde mit der deutschen U17 Weltmeister. Ins Trainingslager der Profis fuhr er nicht mit. Marcel Schäfer mahnt Geduld bei diesen jungen Talenten an.
David Odogu (links) wurde mit der deutschen U17 Weltmeister. Ins Trainingslager der Profis fuhr er nicht mit. Marcel Schäfer mahnt Geduld bei diesen jungen Talenten an. © AFP | BAY ISMOYO

Wie ist Ihr Wunsch, wie der VfL Wolfsburg 2024 wahrgenommen wird?

Wir wollen konstant sein in unseren Leistungen und deutlich mehr Punkte einfahren. Ich wünsche mir, dass wir wieder eine Mannschaft werden, gegen die es extrem schwierig ist zu spielen und dass wir mutig nach vorne spielen und selbst agieren, so wie gegen Bayern in der zweiten Hälfte. Was ich richtig gut fand: Als wir im vorletzten Spiel nach Darmstadt gefahren sind und nach 20 Minuten in Unterzahl waren, gab es ein tolles Signal. In der Halbzeit sind in der Kabine drei, vier Spieler aufgestanden und haben klar formuliert: Wir gewinnen hier das Ding. Es war nicht das Thema, in Unterzahl zu mauern, das Thema war einzig und allein, das Spiel zu gewinnen! Genau diese Begeisterung, diese Art von Angriffsmodus mag ich.