Almancil. Die Stimmung beim Wolfsburger Fußball-Bundesligisten ist nach den Tagen in Almancil inklusive Test-Sieg gegen Schalke 04 positiv.

Sechs Tage Portugal liegen hinter dem VfL Wolfsburg, der am Sonntagnachmittag mit dem Flieger von Faro zurück ins kalte Deutschland abhob. Sechs Trainingseinheiten absolvierte der Klub in seinem Winter-Trainingslager und fuhr zum Abschluss am Samstag einen 3:2-Testsieg gegen Zweitligist FC Schalke 04 ein. Nach der durchwachsenen Hinrunde mit Platz 10 und nur 19 Punkten ist die Hoffnung groß, dass diese wenigen Tage in Almancil für Aufbruchsstimmung beim Fußball-Bundesligisten sorgen. Auf jeden Fall kehrt der VfL um seinen Trainer Niko Kovac mit zahlreichen Erkenntnissen zurück.

Erkenntnis 1 - die Vierer-Abwehrkette funktioniert: Die Rückkehr von der Dreier- beziehungsweise Fünferkette zum 4-2-3-1 oder 4-3-3 ist der taktisch größte Wechsel, der in den Tagen auf dem Trainingsplatz „The Campus“ zu beobachten war, der natürlich nicht nur die Defensive betrifft. Auch die offensiven Außen sind defensiv gefordert. Insgesamt scheint sich die Mannschaft in diesem System aber wohler zu fühlen. Das war auch im Testspiel gegen Schalke 04 zu sehen. Sieht man einmal vom ersten Gegentor durch S04-Torjäger Simon Terodde ab, standen die Wolfsburger sicher. Sorgenkind dabei ist Linksverteidiger Rogerio, der mit muskulären Problemen nicht alle Einheiten absolvierte, gegen Schalke nach 45 Minuten draußen blieb. Rechtsverteidiger Ridle Baku war krankheitsbedingt gar nicht mitgereist, absolvierte in Wolfsburg ein individuelles Programm.

Von der Rückkehr zur Vierer-Abwehrkette profitieren auch die Wolfsburger Außenstürmer wie Vaclav Cerny (am Ball), der beim 3:2 gegen Schalke an zwei Treffern beteiligt war.
Von der Rückkehr zur Vierer-Abwehrkette profitieren auch die Wolfsburger Außenstürmer wie Vaclav Cerny (am Ball), der beim 3:2 gegen Schalke an zwei Treffern beteiligt war. © Sport | RHR-FOTO

Das zweite Gegentor kurz vor Schluss fiel nach einem Standard. „Das ärgert mich, denn da ist eigentlich alles klar. Wir haben aber fast nichts aus dem Spiel heraus zugelassen“, so der Coach. Der Schalke-Test war für ihn dahingehend insgesamt eine Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. „Ich finde, wir haben vieles von dem gesehen, was wir ab dem 28., 29. Dezember angestoßen haben. Das freut einen Trainer natürlich. Wenn es dann viele Chancen gibt und daraus schöne Tore erzielt werden, freut es einen umso mehr.“

Erkenntnis 2 - der VfL kann doch Tore schießen: Nimmt man die gesamte bisherige Saison zusammen, dann ist es dem VfL lediglich in der ersten DFB-Pokalrunde gegen Makkabi Berlin (6:0) gelungen, drei Tore oder mehr zu erzielen. Selbst in der Sommer-Vorbereitung war das nur einmal, beim 3:2 zum Auftakt gegen den SC Freiburg, gelungen. In der Bundesliga waren es nie mehr als zwei Wolfsburger Tore. „Entscheidend ist, dass wir drei Tore geschossen haben und noch viele, viele Chancen hatten und dass die Jungs sehen: Es wirkt, es funktioniert“, sagte Kovac am Samstag. Der Trainer hofft natürlich, dass auch die Leidensgeschichte von Lukas Nmecha ein Ende nimmt, der Torjäger selbst hat Ende Februar als möglichen Comeback-Termin vor Augen.

Erkenntnis 3 - nicht nur Jonas Wind kann treffen: Auf den Schultern des grün-weißen Topstürmers lastete die Hauptverantwortung im Angriff. Neun von 20 Toren hat er selbst erzielt, vier weitere aufgelegt. Gegen Schalke ging der 24 Jahre alte Däne leer aus. Aber seine Teamkollegen Jakub Kaminski, Vaclav Cerny und Nachwuchs-Talent Dzenan Pejcinovic sprangen in die Bresche. Die beiden Erstgenannten legten sich ihre Treffer gegenseitig auf, für den kurz zuvor eingewechselten Pejcinovic lieferte Mattias Svanberg den Assist. Genauso wichtig: Abgesehen von den Treffern hätte der Klub noch weiter nachlegen können; dass nicht gleich alles klappt, ist dabei durchaus klar.

Dzenan Pejcinovic (Mitte) erzielte das 3:1 im Test gegen Schalke 04. Der Youngster muss sich noch gedulden.
Dzenan Pejcinovic (Mitte) erzielte das 3:1 im Test gegen Schalke 04. Der Youngster muss sich noch gedulden. © FUNKE Foto Services | RHR-FOTO

Kovac lieferte zugleich eine Erklärung, warum er Pejcinovic, für den VfL im Sommer 2023 1,25 Millionen Euro an den FC Augsburg bezahlte, nach seinem zehnminütigen Bundesliga-Debüt gegen Hertha BSC in der Vorsaison nicht mehr zum Zuge gekommen ist. „Spieler kann man nur entwickeln, wenn man sie Schritt für Schritt reinbringt. Die Situation bei uns ist aber: Wir müssen punkten.“ Der 18-Jährige muss sich also noch etwas in Geduld üben: „Natürlich muss ich ihn trösten. Ich sehe aber, wie er als 17-Jähriger ankam und jetzt ist er ein richtig erwachsener Bursche geworden. Dzenan hat wirklich einen starken linken Fuß. Wenn er weiter hart arbeitet - und das macht er, er ist demütig und sehr bescheiden -, dann wird er früher oder später eine gute Karriere hinlegen.“

Erkenntnis 4 - bei offensiven Standards hat der VfL weiter Probleme: Es war eine große Stärke in der Vorsaison, doch bisher bekommen es die Wolfsburger nicht hin. Im Test gegen Schalke wäre ein Standard-Tor vielleicht das i-Tüpfelchen gewesen, doch auch gegen die Knappen wollte es bei ruhenden Bällen nicht so recht klappen. Und das war auch in den Trainingseinheiten in Portugal zu beobachten, als Kovac immer wieder Standard-Schichten einlegte: Da muss noch mehr Präzision in die Flanken kommen, mehr Konsequenz in den Abschluss gelegt werden.

Erkenntnis 5 - die Mannschaft ist enger zusammengerückt: Es war einer der Hauptgründe, warum der VfL für eine so kurze Zeit dem tristen Wetter in Deutschland entflohen ist, einmal abgesehen von den wirklich guten Bedingungen mit Mannschaftshotel „Conrad Algarve“ und den Plätzen auf dem „The Campus“. Nach dem Umbruch im Sommer soll es noch enger zusammenwachsen. Vielleicht auch ganz gut ist es, dass Pavao Pervan seinen auslaufenden Vertrag jetzt verlängert hat. Das Wort der Nummer 2 hat in der Kabine Gewicht. Ein gemeinsames Teamevent gab es dabei nicht, aber allein die gemeinsamen Mahlzeiten und Radwege vom Hotel zum Trainingsplatz dürften das Wir-Gefühl stärken. Einige Profis waren auch beim Paddle-Tennis mit dabei, am Freitag gab es eine Staff-Olympiade für das Team ums Team und am Samstag ein gemeinsames Dinner mit den gerade angereisten Fußballerinnen, bei dem die Tische bunt durchgemischt waren.

VfL-Coach Niko Kovac ist zufrieden mit dem Trainingslager.
VfL-Coach Niko Kovac ist zufrieden mit dem Trainingslager. © VfL Wolfsburg/oh | Marvin Seibert

Gleichzeitig ging es darum, das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis nach der ruckeligen Hinrunde zu stärken. Auch da findet Kovac: „Man sieht, dass die Jungs Freude am Spiel hatten und auch die komplette Woche war richtig gut.“

Und so fällt die Trainingslager-Bilanz beim VfL positiv aus. Allerdings mit einem Aber: Die Mannschaft muss es jetzt auch im Bundesliga-Alltag auf den Platz bringen, sonst verpufft der Effekt dieser Reise ganz schnell. Das weiß auch Kovac, sagt mit Blick auf die Tage in Almancil: „Das ist jetzt Vergangenheit, ich hoffe, dass wir gegen Mainz genauso gut performen können wie gegen Schalke.“ Kovac weiter: „Das Vertrauen der Spieler ist da, das war für mich schön anzusehen. Aber jetzt ist Bundesliga. Ich hoffe, dass wir das mitnehmen können für das Mainz-Spiel, denn dort zu spielen ist nicht immer ganz einfach.“