Braunschweig. Vor dem Derby gegen Hannover 96, stellen wir uns der Frage, was es eigentlich ausmacht, Fan von Eintracht Braunschweig zu sein.

Das Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 ist zum Greifen nah. Die Fan-Herzen beider Lager pulsieren. Aber was macht es eigentlich aus, Anhänger der Blau-Gelben oder der Roten zu werden – und vor allem zu bleiben? Gemeinsam mit den Kollegen der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung versuchen wir, diese Frage zu beantworten – an mancher Stelle mit leichtem Augenzwinkern. Hier gibt‘s die Braunschweiger Sicht.

Warum tun sich die Menschen das eigentlich an? Bei Eintracht Braunschweig jagt eine Krise die nächste. Zeit, um Luft zu schnappen, gibt’s nur ganz selten. Dann geht der Kopf wieder unter Wasser. Seit Jahrzehnten läuft das so. Es könnte doch viel einfacher sein. Als Bayern-Anhänger zum Beispiel. Obwohl – das wäre dann doch zu einfach.

Tiefe Täler schweißen Eintracht-Fans zusammen

Denn ein Stück weit macht das Fansein doch auch aus, dass eben nicht immer alles einfach ist. Wer es mit den Blau-Gelben hält, der kennt das. Diese tiefen Talfahrten gehören beinahe schon zu Identität. Klingt ein bisschen traurig. Ist es irgendwie auch. Irgendwie aber auch nicht.

Die Ausführung „wie wird man überhaupt 96-Fan?“ der HAZ finden Sie hier

So etwas schweißt schließlich auch zusammen. Und wenn alles ständig zu glatt läuft, wird’s ja langweilig. Sich aufzuregen, zu meckern und zu pöbeln gehört zum Fußball-Fandasein dazu wie kaltes Bier und verkohlte Bratwurst. Nörgeln ist schließlich so etwas wie die deutsche Komplementär-Tugend zum Besserwissen. In Braunschweig geht das ganz wunderbar. Klingt das ein wenig nach Masochismus? Ja, wahrscheinlich schon.

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Was Eintracht Braunschweig Hannover 96 voraus hat

Das ist aber freilich längst nicht alles. In Braunschweig gibt es Alleinstellungsmerkmale. Eintracht war Vorreiter. Und zwar auf verschiedenen Ebenen. Der Klub war Bundesliga-Gründungsmitglied – bekanntermaßen das einzige in Niedersachsen. Er war Pionier der Trikotwerbung. Die Leibchen mit dem Hubertushirsch auf der Brust gehen auch heute noch fast so reichlich über den Ladentisch wie der Kräuterlikör von Jägermeister selbst.

Und dann ist da ja noch die deutsche Meisterschaft von 1967. Die wird gefeiert – in jedem Spiel. Die Schale mal sein Eigen genannt haben zu dürfen, ist schließlich nicht selbstverständlich, oder? Aber wen frage ich da …

Eintrachts Fans wissen die kleinen Dinge zu schätzen

All das sind Meilensteine, auf die sich die Braunschweiger eine Menge einbilden. Sie stiften Tradition. Sie stiften Identifikation. Obwohl die Liste dieser Erfolge kurz ist. Oder: Gerade deswegen.

Zu viel Nostalgie? Egal. Ein kräftiger Druck auf die Pathos-Tube fördert das Wohlbefinden. In Braunschweig feiern die Fans die kleinen, die ungewöhnlichen Dinge. Eben weil sie so einzigartig sind. Bayern-Fans können sich wahrscheinlich nicht mehr daran erinnern, welcher Trainer den zehnten Titel nach München holte. Oder den 15. In der Löwenstadt weiß aber jeder, wer Helmuth Johannsen ist. Und weil die kleinen Momente so viel Gewicht haben, können die Eintracht-Fans auch ein ganzes Jahr Abstieg aus der Bundesliga feiern, als wäre es ein langer Europapokal-Ritt.

Kreativität der Anhänger findet bundesweit Anerkennung

Eben weil die Rückkehr ins Oberhaus im Jahr 2013 etwas so Besonderes war. Beinahe 30 Jahre waren die Blau-Gelben schließlich weg vom Bundesliga-Fenster. Zeitweise hatte sie die fußballerische Bedeutungslosigkeit verschluckt. Da hießen die Gegner Herzlake und Lurup statt Hamburg und Leverkusen. Die Fans mussten mehr einstecken als ein Rummelboxer in der Hauptsaison.

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Vielleicht deshalb sind auch einige von ihnen Ikonen. Nicht so sehr wie Danilo Popivoda, Branko Zebec oder Horst Wolter. Aber eben doch Ikonen. Die Braunschweiger Anhänger sind kreativ. Bei den Choreos, die sie zusammenschustern. Aber längst nicht nur dabei. Es gibt Fan-Gesänge, die in Braunschweig aus der Taufe gehoben und bundesweit kopiert worden sind. Das „Harz-und-Heideland-Lied“ ist gemeint. Erst kürzlich haben die Anhänger mit einer Crowdfunding-Aktion den Stadion-Namen gerettet. In Braunschweig gibt’s keinen Investor. Die Heimspielstätte heißt nicht Heinz-von-und-zu-irgendwas-Arena oder so ähnlich. Sie heißt Eintracht-Stadion.

Eintracht-Stadion: Eine ehrliche Heimspielstätte

Das wirkt ein bisschen marode, ja. Aber eben auch ehrlich. In den kleinen Buden vor den Blöcken qualmt der Holzkohle-Grill noch so zünftig, dass beinahe eine Rauchvergiftung droht, wenn man zu lange auf die Bratwurst warten muss.

Und nicht zuletzt hilft auch ein klarer Antagonist dabei, sich mit einem Klub zu identifizieren. Den Namen des gemeinten Klubs spricht man in Braunschweig eigentlich nicht aus. Peine-West muss da reichen als Bezeichnung. Plötzlich ergibt es doch irgendwie Sinn, warum sich die Menschen das antun.