Berlin. Nach der Bundestagswahl folgt nun die Regierungsbildung. Wir erklären, wie sich Koalitionen bilden und wie die Verhandlungen ablaufen.

Die Bundestagswahl ist vorüber, die Sitzverteilung für den neuen Bundestag steht fest. Doch was machen die Parteien aus dem Ergebnis, das ihnen die Wählerinnen und Wähler beschert haben? Neben einer – eher unwahrscheinlichen – großen Koalition sind im Bund nur Dreierbündnisse möglich. Doch wie bilden sich eigentlich Koalitionen?

Bundestagswahl: Sieben Parteien sitzen im neuen Bundestag

Im neuen Bundestag sitzen sechs Fraktionen aus acht Parteien: Die Union aus CDU und CSU, die SPD, die Grünen, die FDP, die AfD, die Linke und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Chancen auf eine Regierungsbeteiligung haben aber nur vier davon. Denn ein Bündnis mit der rechtspopulistischen AfD schließen aktuell alle anderen Parteien aus – eine Koalition mit den Linken verweigern FDP und Union, sodass es unter Mitwirkung der Partei nicht für eine Mehrheit reichen würde. Lesen Sie auch: Abwärtssog – Bleibt die AfD nur im Osten erfolgreich?

Es bleiben drei Bündnisse, die Deutschland in Zukunft anführen könnten. Möglich sind:

In den kommenden Wochen wird es zu Koalitionsverhandlungen zwischen den vier Parteien kommen. Die SPD unter Führung von Olaf Scholz und die Union unter dem CDU-Vorsitzenden Armin Laschet werden versuchen, die kleineren Parteien auf ihre Seite zu ziehen. Denn eine Fortsetzung der großen Koalition strebt aktuell niemand der Beteiligten an. Mehr zum Thema: Grüne und FDP sind jetzt die Kanzlermacher

Koalitionsverhandlungen: Ein Dreierbündnis scheint wahrscheinlich

Solche Dreierbündnisse gab es in Deutschland auf Bundesebene bisher nicht. Da jetzt mehr Parteien als bisher am Tisch sitzen, können die Verhandlungen über Ziele und Ausrichtung einer gemeinsamen Bundesregierung deutlich länger dauern. Was das bedeuten kann, ließ sich bereits vor vier Jahren beobachten.

Damals gab es sogar zweimal Sondierungen. Einmal versuchten Union, Grüne und FDP, sich auf ein Jamaika-Bündnis zu einigen. Das scheiterte an den Liberalen, die ausstiegen. Danach mussten sich Union und SPD zusammenraufen, um sich weitere vier Jahre gemeinsam in einer großen Koalition zu arrangieren. Lesen Sie hier: Jamaika, Ampel und R2G: Das bedeuten die Koalitionen

Bundestagswahl: Gewinner-Partei muss nicht automatisch Kanzler stellen

Die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2017 geriet zu einem Kraftakt, der ein halbes Jahr andauerte. Erst im März 2018 hatte Deutschland eine neue Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel. Diesmal dürfte es keineswegs einfacher werden.

Für gewöhnlich stellt die Wahlsiegerin, also die Partei mit dem besten Wahlergebnis, die Kanzlerin oder den Kanzler und lädt potenzielle Regierungspartner zu Koalitionsgesprächen ein. Das wäre nach der Bundestagswahl 2021 die SPD mit Olaf Scholz. Doch die Union und ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet liegen nur knapp hinter den Sozialdemokraten und der rechnet sich auch nach wie vor Chancen auf das Kanzleramt aus.

Dass der Wahlsieger nicht zwingend Kanzler wird, zeigt ein Blick auf die Geschichte: Nach der Bundestagswahl 1976 war das zum Beispiel so. Damals erhielt zwar die Union die meisten Stimmen, die Regierung bildeten später aber SPD und Liberale. Ähnliche Szenarien sind auch diesmal denkbar.

Koalitionsverhandlungen: FDP und Grüne wollen sich beraten

Die Entscheidung, wer ins Kanzleramt einzieht, dürften 2021 daher nicht die großen Parteien treffen. Vielmehr geht es darum, ob sich die FDP und die Grüne für eine Zusammenarbeit mit der Union oder der SPD entscheiden. Die kleinen Parteien haben bereits angedeutet, zunächst bilateral Gespräche führen zu wollen. Am Schluss dürfte es auf die Frage hinauslaufen, ob die SPD und die Grünen, die sich politisch nahe sind, die FDP von einem Bündnis überzeugen können, oder ob die Wunschpartner Union und FDP den Grünen eine Koalition mit Zugeständnissen schmackhaft machen können. Lesen Sie dazu: Wer führt Deutschlands nächste Regierung an? Welche Koalitionen sind jetzt in Deutschland möglich?

Wie lange dauern Koalitionsverhandlungen?

Bis Klarheit herrscht, welche Konstellation Deutschland in den nächsten vier Jahren tatsächlich regiert, kann Zeit vergehen. Einen per Verfassung vorgeschriebenen Zeitrahmen gibt es nicht. Zunächst führen die Parteien Sondierungen. Das ist eine Art politisches Beschnuppern, um herauszufinden, was miteinander machbar ist. Bereits dieser erste Schritt kann dauern.

Sondierungen stehen vor der Koalitionsbildung

Dabei können die Parteien auch parallel mit verschiedenen potentiellen Partnern sondieren, um auszuloten, welche Koalitionsmöglichkeiten es gibt. Meist finden Sondierungen an einem neutralen Ort wie den Räumlichkeiten der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft statt.

Dies ist ein Treffpunkt für Bundestagsabgeordnete aller Parteien, direkt neben dem Berliner Reichstag. Bekannt wurde vor allem der Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft, nachdem sich dort 2017 die Jamaika-Unterhändler regelmäßig den Fotografen zeigten.

Die Mitglieder der Sondierungen zwischen Union, FDP und Grünen nach der Bundestagswahl 2017 bei einer Pause auf dem Balkon.
Die Mitglieder der Sondierungen zwischen Union, FDP und Grünen nach der Bundestagswahl 2017 bei einer Pause auf dem Balkon. © IMAGO / Christian Ditsch | IMAGO / Christian Ditsch

Koalitionsverhandlungen: Parallele Gespräche möglich

Wenn nach Abschluss der Sondierungen irgendwann klar ist, wer mit wem will oder gegebenenfalls nicht will, ist Zeit für den nächsten Schritt. Dann beginnen die eigentlichen Koalitionsverhandlungen zwischen den beteiligten Parteien. Auch hier können zwei Verhandlungsrunden parallel stattfinden, etwa eine geführt von Laschet und eine von Scholz. Die Gespräche können sich über viele Wochen hinziehen.

Am Ende der Verhandlungen steht im Idealfall ein Koalitionsvertrag – falls es nicht zu einem Abbruch der Gespräche kommt. Im Vertrag wird schriftlich festgehalten, welche gemeinsamen Ziele sich eine Regierung gibt. Oft stehen hinter einzelnen Kapiteln stundenlange Verhandlungen zu Detailfragen. Die Kompromisssuche dürfte auch diesmal im Fall von Dreiergesprächen aufwendig werden.

Koalitionsverhandlungen drehen sich erst um politische Themen, dann um Ministerien

Wenn die Inhalte schließlich geeint sind, geht es um Posten und Personal. Dann wird verhandelt, welche Partei welches Ministerium bekommt und wer wie viele Ministerinnen und Minister ins Kabinett entsenden darf. Auch das ist meist beinharte Verhandlungssache, bei der jede Seite so viel rausschlagen möchte wie möglich. Welche Personen die Parteien für „ihre“ Ministerposten benennen, entscheiden sie selbst.

Sind auch diese Fragen geklärt, ist die Koalition auf der Zielgeraden. Bevor die neuen Regierungspartner den Koalitionsvertrag und auch das neue Personal öffentlich vorstellen, stimmen meist noch die beteiligten Parteien hierzu ab – entweder auf einem Parteitag oder per Mitgliederentscheid wie bei der SPD im Jahr 2018. Danach müssen die neue Kanzlerin oder der neue Kanzler vom Bundestag gewählt werden.