Berlin. Die SPD ist nach der Bundestagswahl stärkste Kraft. Doch was hat die Partei vor? Die Forderungen des Wahlprogramms als Kurzfassung.

  • Bei der Bundestagswahl gelang der SPD mit Olaf Scholz der Wahlsieg
  • Nun will der Sozialdemokrat ins Kanzleramt – doch was kommt dann auf Deutschland zu?
  • Im Wahlprogramm der Partei findet sich unter anderem die Forderung nach dem Ende von Hartz vier
  • Lesen Sie hier in der Kurzfassung, was im Wahlprogramm der SPD steht

Die SPD zog mit dem Versprechen in den Bundestagswahlkampf, bei einem Wahlsieg die Hartz-IV-Grundsicherung durch ein neues Bürgergeld zu ersetzen. „Das Bürgergeld muss absichern, dass eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht zur untragbaren Last wird“, heißt es im Wahlprogramm der Sozialdemokraten.

Nach dem Willen der SPD soll der Staat bei der Grundsicherung künftig Hartz-IV-Empfängern nicht mehr grundsätzlich misstrauisch gegenüberstehen und systematisch nach Regelverstößen fahnden, sondern als „haltgebender und bürgernaher Sozialstaat“ auf Augenhöhe mit Betroffenen agieren. Das geplante Bürgergeld beinhalte Mitwirkungspflichten, setze aber konsequent auf Hilfe und Ermutigung.

SPD: Unwürdige Hartz-Reformen sollen abgeschafft werden

„Sinnwidrige und unwürdige Sanktionen schaffen wir ab“, heißt es in dem Papier. Das Bürgergeld solle digital und unkompliziert beantragt werden können. Mit der Abkehr von Hartz IV hofft die SPD, verloren gegangene Glaubwürdigkeit als Arbeiterpartei zurückzugewinnen.

Die vor mehr als 15 Jahren vom damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder eingeführten Hartz-Arbeitsmarktreformen steigerten nach Ansicht von Ökonomen Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit enorm. Intern zerriss Hartz IV die Partei, in der Folge der Reformen wandten sich viele Wähler ab.

Überblick: Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl im Vergleich

Bei einer Regierungsbeteiligung wollen die Sozialdemokraten flankierend zum Bürgergeld mit umfassenden staatlichen Angeboten für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen sowie Kinder rechtlich und finanziell aufwerten.

Dazu will die SPD eine neue Kindergrundsicherung einführen und die steuerlichen Kinderfreibeträge abschaffen. Neben kostenloser Infrastruktur für Kinder wie kostenlose Kitas, Ganztagsschulen und freie Fahrt im Nahverkehr soll es ein neues „existenzsicherndes Kindergeld“ geben, das alle bisherigen Familienleistungen zusammenfasst und nach Einkommen der Eltern gestaffelt ist. Lesen Sie außerdem: Legalisierung von Cannabis: Was in den Wahlprogrammen steht

SPD will Kinder aus Hartz IV herausholen

„Damit machen wir das Leben der Familien leichter, die es besonders schwer haben“, kündigt die SPD an. Der monatliche Basisbetrag solle bei 250 Euro je Kind liegen, der Höchstbetrag bei 528 Euro (je nach Kindesalter und Einkommen). „Das neue Kindergeld ersetzt so den Kinderfreibetrag und bündelt bisherige Leistungen.“

Eltern sollen direkt nach Geburt eines Kindes Anspruch auf zwei Wochen „Partnerschaftszeit“ haben, die vom Staat sozial abgesichert wird. Außerdem solle das Elterngeld um ein „Elterngeld akut“ erweitert werden. Lesen Sie hier: Corona-Kinderbonus – Wann kommt das Geld?

Dazu solle der in der Corona-Pandemie ausgeweitete Anspruch auf Kinderkrankentage dauerhaft für 20 Tage pro Jahr pro Elternteil gelten – „bei mehr als zwei Kindern maximal 90 Tage pro Elternpaar oder Alleinerziehende“. Wer Angehörige pflegt, soll Anspruch auf 15 Monate Lohnersatzleistungen erhalten.

SPD will Mindestlohn auf „mindestens 12 Euro“ erhöhen

Den gesetzlichen Mindestlohn will die SPD auf „mindestens 12 Euro“ anheben.

  • Außerdem sollten die Spielräume der Mindestlohnkommission, die regelmäßig über Erhöhungen der Lohnuntergrenze befindet, für künftige Erhöhungen ausgeweitet werden.
  • Midi-Jobber – mit kleinen Einkommen zwischen 450 und 1300 Euro im Monat – sollen bessergestellt werden. „Um die Nettoeinkommen von gering Verdienenden zu erhöhen, heben wir die Gleitzone der Midi-Jobs auf 1.600 Euro an.“
  • In dieser Zone würden Arbeitnehmerinnen geringere Beiträge zahlen, ohne dass sie dadurch einen geringeren Rentenanspruch haben.

Das Programm wurde federführend von der SPD-Doppelspitze Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gemeinsam mit Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz verfasst. Er wird nach einem monatelangen Beteiligungsprozess mit der Parteibasis an diesem Montag erstmals im Parteivorstand beraten.

Die SPD ist damit die erste Partei, die sieben Monate vor der Wahl ein „Regierungsprogramm“ vorlegt. Es soll auf einem digitalen Parteitag im Mai endgültig beschlossen werden. Bis dahin sind noch Änderungen zu erwarten. Lesen Sie hier: Superwahljahr 2021: Das sind die Termine im Überblick

SPD will ran ans Ehegattensplitting

Bei einer erneuten Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl will die SPD das Ehegattensplitting für neu geschlossene Ehen einschränken. Derzeit verfestige das Steuerrecht die klassische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, das Ehegattensplitting bilde die gesellschaftliche Realität nicht mehr ab, heißt es im Wahlprogramm.

Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Kanzlerkandidat Olaf Scholz. © Getty Images | Pool

Nutznießer des Ehegattensplittings seien vor allem Alleinverdiener-Ehepaare mit hohem Einkommen, unabhängig von der Zahl der Kinder: „Das werden wir für neu geschlossene Ehe ändern und ein Wahlrecht für bestehende Ehen einführen.“

Die 1997 vom Bundesverfassungsgericht wegen falscher Bemessungsgrundlagen ausgesetzte Vermögensteuer will die SPD wieder in Kraft setzen. Dies werde den Ländern mehr Kraft für Investitionen geben, außerdem sollten sehr reiche Bürger mehr zum Gemeinwesen beitragen. „Deshalb werden wir unter anderem einen maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen einführen“, heißt es nach Funke-Informationen in dem 48-seitigen Entwurf. Gleichzeitig seien hohe Freibeträge vorgesehen, damit die Steuerlast sich auf besonders reiche Teile der Bevölkerung konzentriere.

Die „Grundlage von Betrieben“ solle von der Vermögensteuer verschont bleiben, um keine Arbeitsplätze zu gefährden.

Außerdem will die SPD den Spitzensteuersatz erhöhen, um von den Mehreinnahmen mittlere und untere Einkommen steuerlich zu entlasten. Das bekräftigte Finanzminister Scholz vor wenigen Tagen in einem Interview. Im Wahlprogramm stehen noch keine konkreten Angaben zu Steuererhöhungen. Dies dürfte sich erst nach Ostern ändern, wenn Scholz durchgerechnete Konzepte präsentiert.

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SPD fordert Tempolimit 130 auf Autobahnen

Um Gehaltsexzessen in der Wirtschaft Einhalt zu gebieten, wollen die Sozialdemokraten die steuerliche Absetzbarkeit von Gehältern von Managern und Managerinnen auf das 15-fache des Durchschnittseinkommens der Beschäftigten in dem Betrieb begrenzen, in dem die Top-Führungskraft arbeitet. Grundsätzlich kritisiert die SPD eine „extrem ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen“. Dies sei nicht nur sozialpolitisch bedenklich, sondern auch ökonomisch unvernünftig.

Das Wahlprogramm der Sozialdemokraten legt auch einen starken Schwerpunkt auf Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit. So will die SPD will bei einer Regierungsbeteiligung ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Deutschlands Autobahnen einführen. „Das schützt die Umwelt und senkt die Unfallzahlen deutlich.“ So will die SPD ausstrahlen, in der Klimapolitik den Grünen Paroli zu bieten und den Weg zu einem „klimaneutralen Deutschland“ zu beschleunigen.

So fordert die SPD, dass 2030 mindestens 15 Millionen Pkw voll elektrisch auf den Straßen unterwegs sind. Die Ökostromumlage, mit der jeder Stromkunde den Ausbau der Erneuerbaren Energie mitbezahlt, soll bis 2025 abgeschafft werden. Die Kosten der EEG-Umlage sollen ab dann aus dem Bundeshaushalt mit den Einnahmen der Anfang dieses Jahres eingeführten CO2-Besteuerung bezahlt werden. Lesen Sie dazu auch: Bundestagswahl 2021: Klimaschutz - Das planen die Parteien

Solaranlage auf jedes Dach von Schulen und Supermärkten

Mit einer Solar-Offensive sollen alle geeigneten Dächer öffentlicher Gebäude sowie gewerblicher Neubauten eine Solar-Anlage bekommen. „Unser Ziel ist eine Solar-Anlage auf jedem Supermarkt und jeder Schule.“ Einer möglichen Teilprivatisierung des Staatskonzerns Deutsche Bahn erteilt die SPD eine klare Absage. „Wir werden sie als integrierten Konzern erhalten.“

Bereits im August 2020 war Scholz als Kanzlerkandidat ausgerufen worden. Ein Scholz-Aufschwung in den Umfragen blieb für die SPD zunächst aus. Die Parteispitze blieb allerdings zuversichtlich: „Olaf Scholz ist der richtige Mann für die Zeit nach der Ära Merkel.“ Zurecht, wie sich jetzt herausstellt. Die SPD liegt in den Umfragen aktuell mit rund 25 Prozent vorne, Scholz ist mit deutlichem Abstand beliebter als Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (Union).

Mehr zu den Wahlprogrammen der anderen Parteien:

(tb/bml)