Braunschweig. Ein Braunschweiger Lieblingsort mit der Gunst von Rat, Politik und Fans. Wäre ein Neubau besser gewesen?

Im Februar 2011 spielen sich im ehrwürdigen Ratssitzungssaal der Stadt Braunschweig erschütternde Szenen ab, die man dort noch nicht gesehen hat. Menschen fallen sich in die Arme, es bricht Jubel aus wie in der Südkurve beim Siegtreffer, Fäuste werden in die Luft gereckt, und von der Ratstribüne wird ein riesiges braunschweigisches Banner herabgelassen.

Jubelszenen im Braunschweiger Rathaus nach der Bürgerbefragung zum Stadionausbau am 6. Februar 2011.
Jubelszenen im Braunschweiger Rathaus nach der Bürgerbefragung zum Stadionausbau am 6. Februar 2011. © Rudolf Flentje / Archiv

Eintracht-Stadion: Umbau der Hauptribüne 2013 fertiggestellt

Der Jubel gilt dem Ergebnis einer vom damaligen Oberbürgermeister Gert Hoffmann kühl kalkulierten Bürgerbefragung, bei der sich mehr als 60 Prozent von 60.000 Braunschweigern (Beteiligung: 32,9 Prozent) für den weiteren Stadion-Ausbau aussprechen, insbesondere der Haupttribüne – Startsignal für jene Entscheidungen, die zum heutigen Bild (seit Fertigstellung 2013) des Eintracht-Stadions führen werden.

14,5 Millionen Euro nimmt die Stadt Braunschweig dafür in die Hand, am Ende werden es durch Kostensteigerungen rund 20 Millionen sein.

1981 steht Eintracht Braunschweig vorm Konkurs – und muss Stadion an die Stadt verkaufen

Vorläufiger Schlusspunkt einer Entwicklung, deren wechselvoller Verlauf mit einem Paukenschlag im Mai 1981 begonnen hatte.

Wieder blättern wir in einer von Eintracht-Historiker Gerhard Gizler erstellten Chronik. Das eigene Stadion hat Eintrachts Finanzen zerrüttet, der vom Konkurs bedrohte Klub muss es damals für rund 12 Millionen D-Mark an die Stadt Braunschweig verkaufen. Beziehungsweise kann Eintracht froh sein, dass die dem Fußball in Braunschweig traditionell gewogene Politik es ihr überhaupt abnimmt, denn bereits 1985 und 1989 müssen baufällige und einsturzbedrohte Bereiche gesperrt werden (Südkurve, Gegengerade), am Beginn der 1990er-Jahre gleicht das Eintracht-Stadion einer Ruine. Die ist jetzt städtisch – und heißt bis 2008 „Stadion an der Hamburger Straße“.

1981 ist die neue Haupttribüne mit der charakteristischen Rampe fertig. Dies wird das Bild des Stadions bis 2011 sein. 
1981 ist die neue Haupttribüne mit der charakteristischen Rampe fertig. Dies wird das Bild des Stadions bis 2011 sein.  © Werner Riedel / privat

Wieder muss im Juni 1993 ein Ratsbeschluss her. Abriss, Neubau und Überdachung der Südkurve, Sanierung und Ausbau der Gegengerade, Herrichtung der maroden Nordkurve, dazu neue Flutlichtmasten.

Fans sorgen dafür, dass Stadion weiter Eintracht-Stadion heißen kann

Summasummarum 25 Millionen Mark öffentliche Gelder, dabei auch ein Sechs-Millionen-Zuschuss vom Land und Lotto-Toto, was Niedersachsens damaligem Sport- und Innenminister Gerhard Glogowski, der das eingefädelt hat, nicht nur Freunde in Hannover und anderswo im Land einträgt. Der Mann ist Mitglied in Eintrachts Wirtschaftsbeirat, später wird er auch mal Klubpräsident.

Ein „Schmuckstück“ sei da entstanden, konstatiert 1995 der unvergessene Sportchef unserer Zeitung, Jochen Döring, in seinem Klassiker „Helmut, laß die Löwen raus!“. Tatsächlich ist das Kunststück gelungen, die Arena nicht nur – wie andernorts – exklusiv für den Fußball herzurichten. In den Jahren 2000, 2004, 2010, 2020 und 2021 finden die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften im Braunschweiger Stadion statt.

Eintracht-Stadion: Club kann sich auf die Politik in Braunschweig verlassen

Und Eintracht kann sich weiterhin auf die Politik in Braunschweig verlassen. 2006 kommt die Rasenheizung, 2008 stimmt der Verwaltungsausschuss dem Vorschlag zu, das Namensrecht des Stadions an Eintracht-Sponsoren zu verkaufen.

Jetzt ist der Tempel, wie die Fans sagen, zwar immer noch städtisch, heißt aber bis zum Vertragsende im Juni 2021 endlich wieder Eintracht-Stadion. Das soll auch danach so bleiben: Im Februar 2023 gibt der Verein bekannt, dass eine Kampagne für Spenden besonders vieler Fans so erfolgreich war, dass es auch bis 2025 noch Eintracht-Stadion heißen kann ...

Bau und Überdachung der Nordkurve, hier im April 2010. Zwei Monate später wird sie eröffnet.
Bau und Überdachung der Nordkurve, hier im April 2010. Zwei Monate später wird sie eröffnet. © Schulitz Architects

Wäre Neubau des Eintracht-Stadions bessere Option gewesen?

Zurück zu den Kostenbeschlüssen. 2009 stimmt der Rat für Ausbau und Überdachung der Nordkurve, 2010 ist dann das gesamte Rund überdacht.

Dann die eingangs beschriebenen Entwicklungen nach der Bürgerbefragung im Februar 2011. Rechnete man bis heute alles zusammen, wäre womöglich der oft geforderte Neubau eines Stadions, gar an anderer Stelle, vielleicht nicht doch die bessere Option gewesen?

Das ist dann mal ein ganz anderes Thema. Am Samstag, 17. Juni 2023, wird unser Eintracht-Stadion 100 Jahre alt. Es lebt. Und wie!