Herzberg. Mareike Harenberg vom Ernst-Moritz-Arndt Gymnasium in Herzberg ist Regionalsiegerin beim Vorlesewettbewerb. Darauf zielt die Veranstaltung ab.

Buchspringerin Amy ist gerade im Dschungelbuch gelandet und beobachtet, wie die Wolfsfamilie den Menschenjungen Mogli aufnimmt. Da legt sich eine riesige Pranke auf ihre Schulter. Amy dreht sich um und erkennt hinter sich den Tiger Shir Khan, der Bösewicht im Dschungelbuch.

Was dann passiert? Die Zuhörerinnen und Zuhörer beim Regionalentscheid des Vorlesewettbewerbs 2023 am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMAG) in Herzberg müssen die Fortsetzung selbst in dem Roman „Die Buchspringer“ von Mechthild Gläser lesen. Denn die Kandidatinnen lesen immer nur einen Ausschnitt aus selbst ausgewählten Büchern vor. So taucht das Publikum, bestehend aus Jury, mitgebrachten Verwandten und natürlich den Mitbewerberinnen, in ganz unterschiedliche Genres ein: Neben Fantasy sind das Detektivgeschichten wie „Die drei Ausrufezeichen“ von Mira Sol und Tagebuchromane wie die Reihe „Pfeffer und Minze“ von Sarah Welk. Lesen Sie auch: Bad Sachsa will TKKG-Stadt werden – das sind die Ideen

Darauf achtet die Jury beim Vorlesewettbewerb

In der Jury sitzen die Vorjahressiegerin Karla Böhlendorf, die es bis zum Bundesfinale in Berlin schaffte, Schriftsteller Hans-Joachim Wildner, die pensionierte Lehrerin Martina Stahn-Schröter, Laurent Weydmann von der Buchhandlung Moller in Bad Lauterberg und Nicole Herbst von der Sparkasse Osterode. Sie bewerten Lesetechnik, Interpretation und Textauswahl der Teilnehmerinnen – übrigens durch Zufall alles Mädchen. Bei den Schulentscheiden hatte sich ein Junge qualifiziert, der jedoch nicht beim Regionalentscheid antrat.

Neben den mitgebrachten Texten sollten die Kandidatinnen einen Fremdtext lesen. Dafür hatte Leonie Hensel vom Buchwichtelteam der Buchhandlung Moller in Bad Lauterberg den Roman „Birdie und Ich“ von J. M. M. Nuanez ausgewählt. Jeweils zwei Minuten lasen die Sechstklässlerinnen nacheinander daraus vor. Hensel hat sich bewusst gegen einen Fantasytext entschieden, damit die Mädchen nicht über ausgedachte Wörter stolpern. „Die Teilnehmerinnen sind beim Fremdtext häufig besser als bei den Geübten, weil sie diese so häufig gelesen haben, bis sie gar nicht mehr wissen, worum es geht“, weiß die Buchhändlerin aus Erfahrung.

Am Ende setzte sich EMAG-Schülerin Mareike Harenberg durch gegen Annelie Schemonalist von der Oberschule Hattorf, Amalia Krüger von der KGS Bad Lauterberg, Mia Marie Langer von der Oberschule Bad Sachsa, Luisa Lorenz vom Tilman-Riemenschneider-Gymnasium in Osterode, Jelde Günzelmann von der Realschule Röddenberg in Osterode und Franziska Leonie Hain von der Oberschule Badenhausen.

Impuls für das Lesenlernen

Der 1959 von Schriftsteller Erich Kästner mitbegründete Vorlesewettbewerb ist inzwischen die bundesweit größte Leseförderungsaktion und einer der größten Schülerwettbewerbe Deutschlands, gibt die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels als Veranstalter an. Die jährlich rund 650 regionalen Wettbewerbe werden von Buchhandlungen, Bibliotheken, Schulen oder anderen kulturellen Einrichtungen organisiert und ehrenamtlich durchgeführt.

39 Prozent der Kinder in Deutschland wird selten oder nie vorgelesen, so die Veranstalter. Der Vorlesemonitor von November 2022 belegt, dass viele Eltern erst um den zweiten Geburtstag der Kinder mit dem Vorlesen beginnen und bereits mit dem Schuleintritt wieder aufhören. 2019 lag dieser Wert noch bei 32 Prozent. Die Folgen seien vorhersehbar, denn schon jetzt sei zu erkennen, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, leichter lesen und schreiben lernen, einen umfangreicheren Wortschatz haben und sich später als Heranwachsende und Erwachsene Texte besser erschließen können. In Zeiten, in denen Eltern immer seltener die Notwendigkeit sehen, ihren Kindern vorzulesen und Lehrkräfte angeben, ihren Schulklassen keine angemessene Unterstützung mehr bieten zu können (Deutsches Schulbarometer 2022), setzt der Vorlesewettbewerb einen starken Anreiz für Kinder, das Lesen und Vorlesen zu lernen und aktiv zu erfahren, so die Veranstalter.

Der Wettbewerb biete den Schülerinnen und Schülern einen vertieften Einstieg in die Welt der Bücher und stärke zugleich ihre Lesekompetenzen. Damit helfe er, das Sprach- und Textverständnis zu verbessern – unerlässliche Fähigkeiten für Chancengleichheit im Bildungssystem, für eine selbstbestimmte Zukunft und für gesellschaftliche Teilhabe.

Entscheide wieder in Präsenz

Die positive Resonanz auf den aktuellen 64. Vorlesewettbewerb unterstreiche dabei einmal mehr, wie wichtig die Aktion sei: An den über 650 regionalen Entscheiden, die Ende Januar 2023 starten, beteiligen sich bundesweit 6.600 Schüler aus sechsten Klassen. Die Anmeldezahlen liegen damit wieder auf dem Niveau von Zeiten vor der Corona-Pandemie. Mit dem diesjährigen Wettbewerb finden die Entscheide erstmals seit drei Jahren wieder vollständig in Präsenz statt.

Für Regionalsiegerin Mareike Harenberg geht es im Frühjahr beim Bezirksentscheid weiter. Dort kann sie sich für den Landesentscheid im Mai qualifizieren und die Chance sichern, wie Vorjahressiegerin Karla Böhlendorf am Bundesfinale in Berlin teilzunehmen, das in diesem Jahr am 21. Juni stattfindet.

Karlas Tipps für den weiteren Wettbewerb: Bei der Auswahl der Lesestelle genau auf die vorgegebene Zeit achten, die richtige Betonung von wörtlicher Rede intensiv üben, wenn diese im Text vorkommt, und nicht zu aufgeregt sein, denn „es ist schon ein Erfolg, dabei zu sein.“

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