Südharz/Wieda. Am 21. Mai 2023 öffnen Museen auch im Altkreis Osterode beim Aktionstag wieder ihre Pforten. Darum lohnt sich der Blick auch in kleine Einrichtungen.

Orts- und Heimatgeschichte – für manchen sind diese Begriffe alles andere, nur nicht interessant. Und genau das ist ein Fehler: Die Geschichte eines Ortes sollte jeden Einwohner interessieren – denn letzten Endes ist er ein Teil von ihr. Zudem bieten gerade Aktionen wie der Internationale Museumstag am Sonntag, 21, Mai, die Möglichkeit auf Entdeckungsreise gezielt zu gehen. Und wer sich einmal offen auf das Thema Museum einlässt, erkennt dass diese nicht unbedingt alt und verstaubt sind – und das gerade bei den ehrenamtlich geführten Einrichtungen ein sehr großes Maß an Leidenschaft und Engagement dahintersteckt.

Weiteres Event im Harz: So soll das Stadtfest in Osterode am Wochenende ablaufen

Bestes Beispiel ist für mich als Wiedaer natürlich das Glas- und Hüttenmuseum. Oben im ersten Stock, nachdem man die seit Jahren knarrende Treppe hinauf gestiegen ist, öffnet sich eine Welt, die sich heute unvorstellbar scheint. Wieda – ein Zentrum der Hochindustrie, die nicht nur den Ort, sondern auch der Region darum Lohn und Brot bot. In Zeiten, in denen sich die Gemeinde Walkenried als Tourismusort aufstellen will, kaum vorstellbar. Doch im frühen 17. Jahrhundert gab es im Ort eine bedeutende Weinglashütte in der damaligen Glasmachersiedlung Westerwieda.

Hochwertige Fertigung

„Es wurde nach bestem venezianischem Vorbild gearbeitet und dass, was dort hergestellt wurde, konnten sich nur Reiche leisten. Für die Wiedaer gab es keine Gläser oder Besteck aus Glas, sie mussten Holzutensilien nutzen“, erklärt Ursula Rempel vom Förderverein des Glas- und Hüttenmuseums im Gespräch.

In Vitrinen im ersten Raum des Museums können die Besucherinnen und Besucher eine kleine archäologische Sensation erkunden: Glasfunde, von Flaschen und Trinkgläsern über Fensterglas bis hin zu gläsernen Löffeln – alles aus einer Fundstelle im Wald bei Wieda, wo im frühen 17. Jahrhundert die Weinglashütte stand und produzierte. Archäologische Ausgrabungen fanden zuletzt vor fast 50 Jahren statt, seitdem ruht noch kistenweise Fundmaterial in den Räumen des Museums und wartet darauf, bearbeitet zu werden.

Doch nicht nur das: Nach dem Ende das Glashüttenwesens wurde Wieda im 18. Jahrhundert ein florierender Bergbau- und Hüttenort. Dieser Teil der Ortsgeschichte ist in der Abteilung Bergbau und Verhüttung des Museums zu sehen. Von den ersten Hütten zur Herstellung von Schmiedeeisen über mehrere Entwicklungsstufen der Rennöfen bis hin zu Öfen, in denen das Eisen verflüssigt wurde, um es in Formen zu gießen, kann die Entwicklung der Bergbau- und Hüttenindustrie nachvollzogen werden.

Industriegeschichte im Südharz

Vom simplen Formen über die schönsten Ausformungen der gusseisernen Öfen, zum Beispiel mit Jugendstilornamentik, bis hin zu den spätesten Modellen aus den 1920er und 1930er Jahren sind hier Öfen zu sehen. Alle wurden in Wieda gefertigt.

Doch Ursula Rempel, wie auch Ulrich Bornkessel, der zweite große Aktivposten im Museum, können eben passend zum Internationalen Museumstag der Öffentlichkeit etwas Neues präsentieren. Es gibt neue Abteilungen in der Etage, die zum einen das Leben in Wieda vor 150 Jahren aufzeigen, zum anderen die Geschichte auf dem Stöberhai aufzeigen. Gerade für das Leben vor 150 Jahre wurde eine mehrere tausend Euro teure neue Vitrine angeschafft, um die Exponate bestmöglich zu präsentieren.

Fahne löst Eklat aus

Ein optisches Highlight sind zudem die Fahnen vom aufgelösten Männergesangsverein Liedertafel. Ihre Mitnahme sorgte bei einem Umzug in Ellrich in vergangenen Zeiten für einen handfesten Eklat mit Kaisertreuen. Warum das ist eine der Geschichten, die in einem Museum wie dem in Wieda bewahrt wird – und die Besucherinnen und Besucher gerade bei einem Aktionstag wie am 21. Mai erfahren können.

Denn – und das geben Ursula Rempel und Ulrich Bornkessel unumwunden zu – die Besucherzahlen sind leider rückläufig, der Verein ist zudem überaltert. „Leider kennen noch nicht einmal viele Wiedaer das Museum, da kommen fast noch mehr Gäste oder Menschen, die in der Region zugezogen sind“, sagen sie beide.

Mit der Schaffung der neuen Abteilung, der Teilnahme an Aktionstagen hoffen sie, diesen Trend umkehren zu können. „Auch unsere Zeit ist begrenzt und wenn niemand kommt und mitmacht, wird irgendwann der Container kommen.“ Dann landet ein bedeutender Teil der Geschichte Wiedas im wahrsten Sinne des Wortes im Müll. Das wollen die beiden verhindern, doch sie brauchen dazu auch Hilfe. Sei es als Besucher, Sponsor oder Vereinsmitglied. Insofern lohnt sich ein Besuch beim Museumstag, denn damit honoriert man auch die Arbeit eben solcher Geschichts-Enthusiasten in Wieda, die das dortige Museum bereits seit dem Jahr 2005 betreiben.

Weitere Aktionen zum Museumstag 2023:

  • Im Museum Schloss Herzberg müssen Besucher am Sonntag keinen Eintritt zahlen. Geöffnet ist von 10 bis 17 Uhr. Um 10 und um 12 Uhr dürfen Kinder mitmachen. Inspiriert durch die Rettung eines Bienenvolkes im Schloss erfahren die Kinder im japanischen Erzähltheater alles zu dem fleißigen Insekt. Die jungen Besucher können auch Saatgutbomben selbst machen. Außerdem soll es ein Erzählcafé geben, von 14 bis 15.30 Uhr im Rittersaal.
  • Im Zisterziensermuseum Kloster Walkenried ist der Eintritt ebenfalls frei. Die Besucher können auf einen spirituellen Rundgang durch die Anlage gehen, dazu gibt es ein Begleitheft an der Museumskasse oder in digitaler Version. Tanzmeditation (12, 13, 14, 15, 16 Uhr) im Kreuzgarten runden das Angebot ab.
  • Im Industriedenkmal Königshütte in Bad Lauterberg gibt es um 10 Uhr einen Open-Air-Gottesdienst. Ab 11 Uhr starten die Führungen über das Gelände. Ab 14 Uhr können Besucher das Schaugießen erleben und dann gibt es auch den Fall der Brockenbande. Aussteller und Anbieter werden Stände aufbauen, zum Beispiel zum Thema Honig. Es gibt Süßwaren und andere kulinarische Dinge.
  • Das Dorfmuseum Meierhof in Hattorf ist nach vierjähriger Pause auch wieder beim Museumstag dabei. Ab 11 Uhr ist das Museum geöffnet und die Vereinsmitglieder halten Speisen und Getränke bereit. Als besonderer Höhepunkt wird an diesem Tag das „Schmieden“ zu erleben sein. Auch das Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht. Der historische Webstuhl ist restauriert worden und wieder funktionstüchtig. Nach vielen Tagen kleinteiliger Arbeit ist es vollbracht und an diesem über 200 Jahre alten Webstuhl kann zu Schauzwecken wieder gewebt werden. Am Museumstag kann man im oberen Stockwerk das Weben nicht nur bewundern, sondern auch hier selbst aktiv ausprobieren. Denn neben einem Lehrwebstuhl gibt es auch Webrahmen, mit denen auch schon Schulprojekte durchgeführt wurden.

Winterangebot: 6 Monate HK PLUS für nur 9,90 € lesen! Jetzt Angebot und Vorteile checken.