Wieda. Seit dem Jahr 1957 gibt es das Café mit Backstube in Wieda, Ende 2022 hört der aktuelle Betreiber auf, ein Nachfolger fehlt.

Es gehört fest zum Ortsbild in Wieda: das Café Wiedatal. Seit dem Jahr 1957 beherbergt das Gebäude in der Otto-Haberlandt-Straße 54 eine Backstube nebst dem namensgebenden Café. Doch ob auch in Zukunft dort Brot, Brötchen oder Zeitungen und Zeitschriften gekauft, Familienfeiern gefeiert oder aber Lotto gemacht werden kann, ist aktuell mehr als fraglich. Fest steht: zum 31. Dezember diesen Jahres wird der jetzige Betreiber Roland Müller sein Engagement dort beenden.

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Auf verschiedenste Weise hat er in der letzten Zeit versucht, die Nachfolge für das Geschäft zu regeln, bislang aber erfolglos. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er die Gründe, die ihn dazu bewegen das Geschäft aufzugeben, welche möglichen Geschäftsmodelle er für die Zukunft sieht – und vor allem eines: Roland Müller gibt das Geschäft nicht aus wirtschaftlichen Gründen auf, hofft aber im Sinne der Dorfgemeinschaft und auch für die Gäste und Pendler eine Betreiberin oder einen Betreiber zu finden, damit nicht nach 65 Jahren eine Institution im Südharz verschwindet.

Viele Stammkunden gewonnen

Gefühlt ist Roland Müller immer im Eiltempo unterwegs, dabei wirkt er keinesfalls gehetzt, aber halt immer in Action. „Man muss einfach Gastgeber sein“, erklärt er im Gespräch – und beweist dies gleich. Ein Motorradfahrer schaut vom Fenster aus in den Verkaufsraum, es ist Sonntag, 11.15 Uhr – also regulär hat das Café seit 15 Minuten geschlossen. Müller geht kurz raus und fragt den Mann, ob er noch etwas möchte.

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Für ihn ganz normal – und exakt mit dieser Art hat er es in den vergangenen fünf Jahren auch geschafft, sich viele Stammkunden aufzubauen.

Doch es gibt auch eine Kehrseite dieser zuvorkommenden Art: Arbeitszeiten von 70 Stunden pro Woche, niemals Urlaub, dazu an sieben Tagen in der Woche vor im Geschäft. „Selbst wenn ich krank war, war ich meist immer noch im Laden.“

Verlängerung nicht mehr möglich: „Zu müde, zu erschöpft“

Zwar verfügt der Wiedaer auch über ebenso engagierte wie freundliche Mitarbeiter, aber am Ende ist er selbst doch immer da. Das Projekt Café sei von ihm von vorn herein auf eine Laufzeit von fünf Jahren ausgelegt gewesen, erklärt er. „Und eine Verlängerung ist einfach nicht mehr möglich, ich bin zu müde, zu erschöpft“.

Roland Müller reicht im Café Wiedatal einen Kaffee an einen Kunden weiter. 
Roland Müller reicht im Café Wiedatal einen Kaffee an einen Kunden weiter.  © HK | Thorsten Berthold

Das ist, wie er auch betont, der alleinige Grund das am Ende diesen Jahres Schluss sein soll. „Ich habe auch immer noch Spaß an der Tätigkeit, aber der Körper gibt eindeutige Signale.“ Auch die Wirtschaftlichkeit stimme nach wie vor. Egal ob die Auswirkungen der Corona-Pandemie, des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise, „der Laden schreibt schwarze Zahlen“.

Zwar würde man sicher nicht reich werden mit dem Geschäft, aber es werfe eindeutig Gewinn ab.

Viele Gespräche geführt, aber noch gibt es keinen Nachfolger

Etwas ernüchtert ist Roland Müller bislang aber über die Suche nach einer potenziellen Nachfolgerin bzw. einem Nachfolger. Viele Gespräche wurden in den vergangenen Wochen geführt, alle aber ohne Erfolg bislang. Dabei hat Müller das Geschäft mit seiner Übernahme vor fünf Jahren in der Konzeption deutlich erweitert. Neben dem Verkauf von Brot, Brötchen und Kuchen, die zum Teil von einem Frischebäcker täglich geliefert wird, zum Teil aber auch im vor Ort gebacken werden, gibt es Zeitungen und Zeitschriften, einige haltbare Waren des täglichen Bedarfs, Lotto, sowie Eis im Sommer. Aber auch für Veranstaltungen und Feiern jeglicher Art wird das Café gern genutzt. „Der Bedarf ist da. Egal ob es um die Einheimischen geht, Berufspendler oder aber um Tages- und Übernachtungsgäste. Sie alle nutzen das Café.“

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Vor allem für die Dorfgemeinschaft in Wieda hofft Roland Müller auf eine positive Nachfolgeregelung. Schließlich sei das Gebäude heute wie in den vergangenen sechs Jahrzehnten auch ein Mittelpunkt des dörflichen Lebens, ein Ort des Austausches und der Kommunikation.

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Damit es in den Räumen in der Otto-Haberlandt-Straße 54 weitergeht hat Müller ein Konzept für die nachfolgende Person erarbeitet. Das sieht unter anderem die Möglichkeit eines „Café light“ vor, dass dafür sorge, dass der Betreiber statt aktuell 42 Stunden nur noch 22 Stunden pro Woche abdecken müsse. „Das enthält einen Tag an dem komplett geschlossen ist. Aber ich denke die Menschen akzeptieren lieber eine solche Veränderung, anstatt einer kompletten Schließung.“ Auch Ideen für eine Änderung beim Verkauf bis hin zur Idee der Erweiterung des Sortiments oder gar der Integration einer Art Tourist-Info hat er erarbeitet. Alles nur, damit das Café nicht schließen muss.

Start ist ohne eigene Investitionen möglich

Und noch eines betont er: Jemand mit Interesse könne auch das gesamte Inventar übernehmen, einen Start ohne eigene Investitionen vornehmen. „Geregelt wird das dann über einen Darlehensvertrag.“ Auch mit dem Vermieter könne man sicher über die Pacht reden, ist er sich sicher. Zudem betont er im Gespräch, dass eine Gemeinschaft oder Genossenschaft den Weiterbetrieb übernehmen kann. „Es muss nicht eine einzelne Person sein.“

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Fest steht bislang aber nur, dass Roland Müller es nicht sein wird, der die Geschicke des Cafés lenkt. Er werde nach den fünf Jahren in ein Angestelltenverhältnis zurückkehren, „ich gehe also auch noch nicht in Rente.“

Müller will die Seite des Tresens wechseln

Bis zum 31. Dezember will er zunächst aber alles daran setzen, dass die Nachfolge doch noch erfolgreich geregelt wird. „Ich bleibe in Wieda wohnen und will auch weiterhin in das Café kommen können.“ Nur ab Januar 2023 möchte er eben auf der anderen Seite des Tresens stehen, Brötchen und Brot selbst kaufen, statt sie zu verkaufen.