Wolfsburg. Der neue Wolfsburg-Coach sprach über Hunger, Chancen und Träume. Von Niko Kovac distanzierte er sich wohl unbewusst, aber eindeutig.

Wahrscheinlich war es Ralph Hasenhüttl gar nicht bewusst, aber der neue Trainer des VfL Wolfsburg zerlegte bei seiner Vorstellung in wenigen Worten die rote Verteidigungslinie in der Kommunikationsstrategie, mit der sich sein Vorgänger Niko Kovac in den vergangenen Wochen und Monaten beim VW-Klub im Job gehalten hatte. „Glück und Pech sind für mich schlechte Parameter, um Spiele zu analysieren“, sagte der 56 Jahre alte Österreicher. Er ergänzte ein Zitat der Trainer-Legende Hermann Gerland: „Immer Glück ist Können und immer Pech ist Unvermögen.“

So. Und damit war am Montagmittag dann Kovac auch kommunikativ Geschichte in Wolfsburg. Der hatte nahezu jeden unbefriedigenden Spielausgang aus VfL-Sicht, und davon hatte es in den vergangenen Monaten zu viele gegeben, entweder mit fehlendem Glück begründet oder mit schwachen Schiedsrichterleistungen. Irgendwas war jedenfalls fast immer. Und am Ende, so betonte Sportdirektor Sebastian Schindzielorz im voll besetzten Presseraum der VW-Arena nochmals, war es nötig, dass „ein neuer Impuls“ auf der Trainerposition her müsse, der eine „Aufbruchstimmung“ herbeiführt und „den Trend stoppt“. Denn der ist bedrohlich.

Niko Kovac wurde nach einem 1:3 gegen Augsburg entlassen.
Niko Kovac wurde nach einem 1:3 gegen Augsburg entlassen. © regios24 | Darius Simka

Der VfL steckt im Tabellenkeller fest und hat nur aufgrund der Schwäche der noch schlechteren Teams keine akuten Abstiegssorgen. Dennoch sind sie wachsam in Wolfsburg, sie haben solche Phasen schon zweimal erlebt: 2017 und 2018, als es in die Relegation ging. Hasenhüttl soll der Impuls für die grün-weiße Aufbruchstimmung sein. Der Österreicher strahlte enorme Ruhe und Gelassenheit aus, er wirkte fokussiert, charmant und klar. Und er hatte drei Botschaften im Gepäck, die er bei seiner Vorstellung platzierte. Es ging um Hunger, Chancen und Träume.

Seit November 2022 hatte Hasenhüttl pausiert. Er hatte gerade den FC Southampton verlassen, „da war ich ein bisschen leer“, sagte er. Die Arbeitsanstrengungen in vier Jahren in der intensivsten Liga der Welt haben ihre Spuren hinterlassen. „Ich hätte nicht gedacht, dass das Gefühl wiederkommt.“ Hasenhüttl pausierte, nahm sich Zeit außerhalb der Öffentlichkeit, „die ich sehr genossen habe“.

Ralph Hasenhüttl hat ein Leben wie vor dem Fußball geführt

Er sei „abgetaucht“ und habe ein Leben „wie vor dem Fußball geführt“. Er war unerkannt durch die Straßen gegangen und hatte im Lokal in Ruhe Zeit verbracht. „Das war nötig, um die Kraft und den Hunger wiederzufinden“, so Hasenhüttl. Und jener Hunger, „der ist jetzt wieder voll da“. Denn der Fußball lasse ihn nicht los. Das Beispiel, das der Österreicher für die oft ambivalente Beziehung wählt, ist sehr schön. „Man kann tagsüber noch so schöne Dinge tun, nachts träumt man doch vom Fußball.“

Der Hunger treibt den 56-Jährigen nach Wolfsburg. Schon im Sommertrainingslager in Seefeld hatten sich beide Seiten kennengelernt. Hasenhüttl schaute sich Trainingseinheiten der Grün-Weißen an, sprach gemeinsam mit seinem Nun-Vorgänger Kovac über den VfL-Kader und blieb mit Wolfsburgs Entscheidern in Kontakt. Der Samstagabend nach dem 1:3 gegen Augsburg, so Schindzielorz, war dann das „konkrete Initial“, um aus Klub-Sicht die Bemühungen über eine Zusammenarbeit mit Hasenhüttl zu intensivieren. Am Sonntag waren die Verträge dann fix. Es würde nicht verwundern, wenn schon vor Samstagabend konkretere Gespräche geführt worden waren. Aber das ist nun unerheblich.

Ralph Hasenhüttls erste Aufgabe beim VfL: der Klassenerhalt

Hasenhüttl hat eine kurzfristige Aufgabe, die über allem steht, und eine perspektivische. Zunächst die kurzfristige: Der neue Trainer soll Punkte sammeln, um den Klassenerhalt klarzumachen. Dafür starten alle seine Spieler bei null, stellte der 56-Jährige klar. Er habe noch keine direkten Berührungspunkte mit einem aktuellen Wolfsburg-Akteur gehabt, er kenne keinen besser als einen anderen und gehe „völlig unvorbelastet“ an die Aufgabe heran. „Somit haben alle dieselben Chancen.“

Bis zur Sommerpause will Hasenhüttl sehen, „was der Kader kann und was er nicht kann“. Und dann, wenn das Ziel Klassenerhalt erreicht ist, geht es ans Eingemachte. Er sei auch „ein Träumer“, gab der Österreicher preis, und blickte damit schon einmal kurz über den kurzfristigen Tellerrand hinaus. Klar ist allen in Wolfsburg: Eine historisch schlechte Saison wie diese muss erst einmal seriös und mit dem Mindestmaß an Erfolg, dem Klassenerhalt, finalisiert werden. Dann aber sollten die Blicke wieder nach oben gerichtet werden.

Der letzte erfolgreiche Trainer in Wolfsburg war auch Österreicher

Unterer Bundesliga-Durchschnitt ist nicht das, was zu den Ansprüchen von Tochter VfL und Eigner Volkswagen passt. Ganz und gar nicht. So versucht sich jetzt Hasenhüttl daran, Ansprüche und Wirklichkeit in Wolfsburg überein zu bringen. Zuletzt hatte das sein Landsmann geschafft, Oliver Glasner. Der hatte eine klare Spielidee, einen taktisch passenden Ansatz zum Team und – ganz wichtig – durchschlagenden Erfolg. Ihm sollen jedoch die feinen Antennen gefehlt haben, um die wichtigen Kaderelemente bei Laune zu halten.

Das, so sagen viele ehemalige Wegbegleiter, die mit den ersten Eindrücken korrespondieren, sollte bei Hasenhüttl kein großes Problem darstellen. Er gilt als eine Art Menschenfänger, der fußballerisch auf klassische Elemente der RB-Leipzig-Schule setzt. Was das heißt? Hohes Pressing, intensive Laufarbeit, schnelles Umschalten, viele Abschlüsse. Er stehe für einen „sehr aktiven Fußball“, so Hasenhüttl.

Nach der Länderspielpause geht es zu Werder Bremen

In seiner Zeit in England habe er sich aber etwas von der „Eindimensionalität des RB-Kosmos“ abgelöst. Er habe seinen Stil erweitert. Es ging nicht mehr nur darum, gegen den Ball gut zu arbeiten und umzuschalten, sondern auch im Ballbesitz Lösungen zu finden. Und das in der besten Liga der Welt, „gegen die besten Trainer der Welt“.

Nun kann Hasenhüttl in der VW-Stadt zeigen, dass er mit neuer Energie zurück ist in der Bundesliga. Und dass er in England Dinge gelernt hat, die seiner Idee vom Fußball zuträglich sind. Nach der Länderspielpause geht es am Ostersamstag in Bremen wieder um Punkte.

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