Wolfsburg. Der Direktor Frauenfußball des VfL Wolfsburg spricht über das Endspiel gegen Bayern München, Alexandra Popps Zukunft und vieles mehr.

Einen Anlass gibt es eigentlich immer, wenn sich Ralf Kellermann der Öffentlichkeit stellt. Am Montagnachmittag war es der Ausblick auf das Traumfinale im DFB-Pokal, wenn sein VfL Wolfsburg am Donnerstag (16 Uhr, ZDF und Sky) gegen Meister FC Bayern München nach dem zehnten Triumph in Serie greift. Doch nur selten, wenn der Direktor Frauenfußball des Klubs spricht, bleibt es bei diesem einen Thema. Die Einordnung des VfL im nationalen und internationalen Vergleich, infrastrukturelle Maßnahmen, ein erster Ausblick auf die kommende Saison und die Zukunft von Co-Kapitänin Alexandra Popp. Der 55 Jahre alte Macher der Wolfsburger Fußballerinnen bezog ausführlich Stellung.

Kellermann sieht am Donnerstag „das Nonplusultra im deutschen Frauenfußball“

Vor allem natürlich mit Blick auf das anstehende Endspiel im ausverkauften Kölner Stadion. Zum zweiten Mal nach 2018 trifft der VfL erst im Endspiel auf die Bayern. In der Partie sieht Kellermann „das Nonplusultra im deutschen Frauenfußball“, er persönlich spürt vor allem „Vorfreude“. Das Signal, das er sendet: Dass im Falle einer Niederlage die erste titellose Saison seit 2013 besiegelt wird, spiele keine Rolle. „Das ist Statistik. Wir können einen Titel gewinnen. Und das ist die einzige Botschaft, die wir für Donnerstag haben.“

Ralf Kellermann posierte nach dem Endspiel-Erfolg 2022 mit Trainer Tommy Stroot.
Ralf Kellermann posierte nach dem Endspiel-Erfolg 2022 mit Trainer Tommy Stroot. © regios24 | Darius Simka

Die Wolfsburgerinnen haben beide Liga-Duelle in dieser Saison verloren (1:2 und 0:4). Dass es ein Finale zweier abwartender Teams wird, glaubt er nicht. „Erst einmal keine Fehler zu machen - ich glaube, darauf sind beide Mannschaften nicht ausgelegt.“ Kellermann hofft „auf ein sehr attraktives Spiel, gerne auch mit Spektakel.“ Geholfen hat dabei in der Vorbereitung, dass die Ausgangslage in der Bundesliga so klar war. Der VfL hat seit gut zwei Wochen Platz 2 sicher, die Münchnerinnen waren seit dem 4:0 Ende März in der VW-Arena auf Meisterschaftskurs. Der Fokus lag also früh auf diesem Endspiel.

Kellermann: Bayern ruft jetzt das Potenzial verlässlich ab, das es so schon seit Jahren gibt

Neben der Botschaft für das Finale hatte der VfL-Macher noch einige weitere. Natürlich blickte er auch auf die Konkurrenz aus München, die sich im Sommer per Ausstiegsklausel Lena Oberdorf schnappen wird. Dass die Weltklasse-Spielerin vom VfL die Bayern rund 450.000 Euro kostet, führte einmal mehr vor Augen, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten der Klub aus dem Süden hat und nutzt.

Lena Oberdorf (Mitte) trifft zum letzten Mal mit dem VfL auf die Bayern. Im Sommer geht sie per Ausstiegsklausel nach München. Auch Toptorjägerin Ewa Pajor (links) wird Wolfsburg verlassen.
Lena Oberdorf (Mitte) trifft zum letzten Mal mit dem VfL auf die Bayern. Im Sommer geht sie per Ausstiegsklausel nach München. Auch Toptorjägerin Ewa Pajor (links) wird Wolfsburg verlassen. © regios24 | Darius Simka

Für den Direktor Frauenfußball aus Wolfsburg war das allerdings nichts Neues. „Das geht schon seit Jahren so, aber wir haben es immer wieder geschafft, konkurrenzfähig zu sein. Und wir sind es nach wie vor. Es hat sich nichts verändert. Es ist nur vielleicht so, dass der FC Bayern das Potenzial, das er hat, verlässlich abruft.“ Und Wolfsburgs Mr. Frauenfußball nimmt auch wahr, „dass die Herren oben an der Spitze keine Gelegenheit auslassen, um sich zu positionieren und Ziele zu verkünden. Das war nicht immer so.“

Kellermann über Aussage des VW-Chefs: Wenn der höchste Chef die Marschroute vorgibt...

An der Art und Weise, wie der VfL seine Kader zusammenstellt, werde sich vorerst nichts ändern. Sprich: Lena Oberdorfs Abgang wird nicht mit einer Weltklassespielerin aus dem obersten Regal kompensiert - das war auch bisher nicht der Wolfsburger Weg. „Wenn sie in Topform ist, gehört sie zu den besten Spielerinnen auf der Welt. Es ist so, dass wir jemanden finden müssen oder schon im Kader haben, der perspektivisch dahinkommen kann.“ Toptalente früher zu entdecken als die Konkurrenz - vor allem mit dieser Transferstrategie hat es der VfL an die Spitze geschafft, wurde 2013 und 2014 Champions-League-Sieger. Aber: Inzwischen sind auch die anderen, weitaus finanzstärkeren Topklubs immer früher dran. Markt und Konkurrenzsituation seien für den VfL schwieriger geworden. Aber, so Kellermann: „Es macht nach wie vor riesigen Spaß und ist eine riesen Herausforderung.“

Rückendeckung: VW-Chef Oliver Blume hatte zuletzt zum Ausdruck gebracht, dass die VfL-Fußballerinnen international weiter vorne mitmischen sollen.
Rückendeckung: VW-Chef Oliver Blume hatte zuletzt zum Ausdruck gebracht, dass die VfL-Fußballerinnen international weiter vorne mitmischen sollen. © regios24 | Helge Landmann

Mit großem Interesse hat auch der Architekt der VfLerinnen verfolgt, dass sich Oliver Blume vor wenigen Wochen zu den Ambitionen der Wolfsburger Fußballerinnen geäußert hatte. Der VW-Chef sagte mit Blick auf den internationalen Wettbewerb: „Wir werden diese Entwicklung mitmachen.“ Handfestes habe sich seit dessen Interview Mitte April natürlich nicht ergeben, „sondern man merkt in allen Bereichen, dass wir komplett unterstützt werden. Und wenn der höchste Chef die Marschroute vorgibt, dass wir international konkurrenzfähig bleiben sollen, dann müssen wir natürlich auch Dinge hier vorantreiben und auch investieren.“

Der VfL will in die Infrastruktur investieren

Kellermann denkt dabei vor allem an infrastrukturelle Anpassungen. Daran werde seit Monaten hinter den Kulissen gearbeitet, offenbar verschiedene Szenarien am Elsterweg, wo es nur gemeinsam mit dem e. V. ginge, oder anderen Standorten durchgespielt. Von heute auf morgen sei das dabei nicht umzusetzen. Es ist eine ganz große, vielleicht die wichtigste Baustelle, die der VfL so zeitnah wie möglich angehen muss. „Aber die Bereitschaft hier in Wolfsburg ist auf jeden Fall da, dass wir weiter im Konzert der Großen mitspielen können“, so der 55-Jährige, der gleichfalls betonte, dass die Trainingsplätze in einem Topzustand sind. „Wir haben hier für die tägliche Arbeit alles, um erfolgreich zu arbeiten.“

In der kommenden Saison sieht er eine „konkurrenzfähige Mannschaft“ beim VfL, die national als Herausforderer des „klaren Favoriten“ aus München um Titel mitspielen und international in die Gruppenphase der Champions League einziehen soll. Das ist neu: Zuletzt galt hier die Prämisse, es mindestens unter die besten Acht in Europa schaffen zu wollen - aber die Leistungsdichte wird immer größer. Es ist kein Selbstgänger mehr, wie auch das Gruppen-Aus der Bayern und Frankfurts in der laufenden Saison zeigt.

Bleibt Alexandra Popp dem VfL über das Karriereende hinaus erhalten?

Und Kellermann sprach auch über die Zukunft zweier fußballerischer Aushängeschilder des Klubs: Svenja Huth und Alexandra Popp. Erstere hat ihren Vertrag kürzlich bis 2025 verlängert, Letzere ist noch bis 2025 gebunden. Der Direktor Frauenfußball betonte: „Wenn sie gesund bleibt, was wir alle hoffen, dann muss dann noch nicht Schluss sein.“ Er halte es bei Popp auch ohne bisherige Gespräche für gut möglich, „dass sie den Umbruch, den wir 2025 haben werden, noch einmal mit begleitet. Gleiches gilt für Svenja Huth.“ Gleichzeitig eruiert der Klub die Möglichkeiten, Popp auch nach dem Ende ihrer aktiven Karriere im Klub zu halten.

Ralf Kellermann und Wolfsburgs Co-Kapitänin Alexandra Popp, hier nach dem DFB-Pokalfinale 2021.
Ralf Kellermann und Wolfsburgs Co-Kapitänin Alexandra Popp, hier nach dem DFB-Pokalfinale 2021. © regios24 | Darius Simka

Popp spielt seit 2012 für den VfL, ist die gesamte Erfolgsgeschichte mitgegangen und an jedem Titel beteiligt. Kellermann lobt: „Wenn man sie nur auf dem Spielfeld betrachtet, dann reicht das eigentlich schon. Wie wichtig sie für uns ist und wie sie vorneweg geht mit ihrer Art Fußball zu spielen, damit ist sie in den vergangenen Jahren eigentlich unverzichtbar für uns gewesen.“