Braunschweig. Nur 39 Personen sind in Niedersachsen mit einem Stadionverbot belegt. Das fordert die Polizei vor dem Niedersachsen-Derby von den Vereinen.

Wenn es um zusätzliche Stadionsicherheit beim Fußball geht, wird immer wieder diskutiert, wie man gewalttätige oder besonders pyro-affine Fans dauerhaft von den Spielen ausschließen kann. Für erfahrene Polizeiführer wie den jetzigen Polizeivizepräsidenten der Polizeidirektion Braunschweig, Uwe Lange, wäre die wirksamste Maßnahme, überführte Täterinnen und Täter mit einem Stadionverbot zu belegen. Dabei wird zwischen örtlichen und bundesweit geltenden Ausschlüssen unterschieden, über die die Vereine entscheiden müssen.

Vor dem Derby: Das sagt der Einsatzleiter der Polizei im Video

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    Im Interview mit unserer Zeitung machte Lange allerdings bei Vereinen Hemmnisse aus, diese Verbote auch auszusprechen. „Die Daten der überführten Täter liegen den Vereinen in der Regel vor. Die Polizei ist aber der Ansicht, dass es hier am Willen mangelt, Stadionverbote auch umzusetzen.“ Ähnlich hatte sich Langes Dienstherrin, Innenministerin Daniela Behrens (SPD), gegenüber dieser Redaktion geäußert.

    Derby-Einsatzleiter gegen Kollektivstrafen: Müssen einzelne Straftäter ausschließen

    Lange, Einsatzleiter beim Niedersachsen-Derby in Braunschweig, zeigte sich zudem skeptisch, ob die verhängten „horrenden Geldstrafen“ für die Vereine, irgendeinen Einfluss auf das Verhalten von Personen hätten, die sich Gewalt und Renitenz auf ihre Fahnen geschrieben hätten. Dabei werde er nie ganze Ultra-Gruppierungen über einen Kamm scheren, betonte er. Es gehe laut Lange um die konsequente Verfolgung von einzelnen Straftätern im Umfeld von Fußballspielen und am Ende auch um deren Ausschluss. Lange räumte ein: „Aufenthaltsverbote und Gefährderansprachen sind präventive polizeiliche Mittel, die aber an Grenzen stoßen.“

    Behrens hatte ihrerseits davon gesprochen, Vereine gingen mit dem Stadionverbot „zum Teil sehr zurückhaltend um“. Deren Durchsetzung scheiterten nicht an der rechtlichen Handhabe, betonte sie.

    So entwickelte sich die Zahl der bundesweit verhängten Stadionverbote.
    So entwickelte sich die Zahl der bundesweit verhängten Stadionverbote. © FMN | Jürgen Runo

    Polizei-Statistik: Viel mehr Pyro, aber viel weniger Stadionverbote

    Liegen Lange und Behrens in ihrer Analyse richtig? Zumindest geben polizeiliche Statistiken den beiden indirekt recht. Stellte die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) fest, dass sich die Zahl der Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Pyro-Vergehen im Stadion im Vergleich zur Vor-Corona-Saison 2018/2019 mehr als verzehnfachte, sanken im selben Zeitraum die ausgesprochenen Stadionverbote deutlich. Müsste die Entwicklung hier nicht gegenläufig sein? Stellten doch nach Angaben von Verbänden und Polizei abgefeuerte Raketen, Bengalos oder Böller aktuell die größte sicherheitstechnische Herausforderung dar.

    Das Landesinnenministerium in Hannover hatte unserer Zeitung Ende Januar mitgeteilt, dass zu diesem Zeitpunkt „39 Stadionverbote gegen Personen mit niedersächsischer Vereinszugehörigkeit“ bestünden. Diese teilten sich auf die Vereine wie folgt auf: Eintracht Braunschweig (6), Hannover 96 (26), VfL Osnabrück (1) und VfL Wolfsburg (6). Darunter gäbe es auch Personen, die von Vereinen außerhalb Niedersachsens oder vom DFB mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt worden wären, teilte das Ministerium schriftlich mit.

    Abzuwarten bleibt auch, was nach den schweren Krawallen aus dem Hinspiel zwischen Eintracht und 96 in Hannover folgen wird. Nach ersten Erkenntnissen hatte die Polizei allein bei diesem Derby 60 Tatverdächtige ermittelt und mehr als 200 Verfahren eingeleitet. Der Großteil wurde der Braunschweiger Ultra-Szene zugerechnet. Erst im Mai schätzt die Polizei, die Ermittlungen hier abzuschließen.