Braunschweig. Braunschweigs Einsatzleiter Uwe Lange lobt den Austausch mit Eintracht und 96. Der Dialog mit Fan-Vertretern gestaltet sich schwierig.

Uwe Lange (57) macht aus seiner „fußballerischen Liebe“ keinen Hehl. Auf dem Tisch des neuen Vizepräsidenten der Polizeidirektion (PD) Braunschweig steht eine Tasse mit dem Wappen der Borussia aus Mönchengladbach. Seit 1978 ist er Fan und seit Jahren Mitglied beim Verein vom Niederrhein.

Der gebürtig aus Uslar stammende Lange machte Karriere bei der Polizei in Hannover, war zuletzt kommissarischer Leiter der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) Niedersachsen, dann wurde er von Innenministerin Daniela Behrens abgeordnet, den Posten in der PD anzutreten. Nach gut drei Monaten in diesem Amt eine erste Bewährungsprobe. Er verantwortet als Einsatzleiter der Polizei das Derby am 14. April zwischen Eintracht und 96. Über seine Erwartungen an den Tag sprachen wir mit ihm.

Herr Lange, Sie haben schon einige Großeinsätze der Polizei in Hannover geleitet. Das Derby 2017 dort, den Obama-Besuch ein Jahr zuvor, auch beim wegen der Terrordrohung abgesagten Länderspiel 2015 waren Sie im Einsatz. Wie schauen Sie auf so einen Derbytag? Nervös oder auch mit etwas Vorfreude?

Ich freue mich tatsächlich auf solche Großeinsätze. In diesem Fall auch, weil ich der Überzeugung bin, dass wir als Polizei sehr gut vorbereitet sind. Wesentlich dafür ist aus meiner Sicht die Kommunikation im Vorfeld des Spiels, insbesondere mit den Vereinen. Wir wollen allen, die eine friedliche und sportliche Veranstaltung erwarten, die dafür notwendige Sicherheit bieten. Mit meinem Wechsel nach Braunschweig war klar, dass ich diesen Einsatz führen darf.

Dieses Spiel hat nach den Krawallen im Hinspiel und den Ansagen der Politik eine besondere Vorgeschichte. Ist das aus Ihrer Sicht auch bei den Vereinen angekommen?

Der Vorstoß von Frau Behrens, den ich sehr begrüßt habe, hat dazu geführt, dass wir die Intensität der Gespräche im Vorfeld noch mal erhöht haben. Es gab mehr Austausch und Dialog und aus meiner Sicht gibt es auch mehr Verständnis für die gegenseitigen Positionen. Das nehme ich zumindest bei Eintracht Braunschweig als Veranstalter dieses Spiels wahr.

Gab es auch eine Kommunikation seitens der Polizei mit Fan-Vertretern?

Wir standen und stehen im Austausch mit den Fanbeauftragten der Vereine. Andere Fan-Gruppen von Eintracht haben unser Gesprächsangebot nicht angenommen. Auf ein Schreiben von mir haben sie bislang nicht reagiert, da warte ich noch auf eine Antwort. Mir wäre dieser Dialog wichtig gewesen, weil ich ja auch neu bin in der Stadt und die Philosophie des Vereins und aller Beteiligten kennenlernen möchte.

Können Sie die Einsatztaktik für das Derby grob erläutern, welcher Marschroute folgen Sie?

Es ist ja kein Geheimnis, dass sich beide Fanlager feindschaftlich gegenüberstehen. So gilt es, diese konsequent voneinander zu trennen. Störungen und Gewalt jeder Art sind zu verhindern. Wir werden sofort einschreiten, wenn es dazu kommt. Im direkten Umfeld des Stadions sehe ich die Vereine in der Pflicht, für Sicherheit zu sorgen. Natürlich wird die Polizei dort die Lage überwachen. Das ist bei einem Hochrisikospiel auch nicht anders denkbar. Ich plane, zunächst defensiv zu agieren, zurückhaltend in freundlicher Präsenz, und erst dann einzugreifen, wenn wirklich etwas eskaliert. Wir werden auch im Stadionumlauf aufgestellt sein, aber es geht nicht um Machtdemonstration.

Können Sie etwas zu den Einsatzzahlen sagen?

Wir liegen hier sicherlich im vierstelligen Bereich. Wir werden auch von Kräften aus anderen Bundesländern wie Thüringen und Hessen unterstützt sowie von der Bundespolizei. Insgesamt werden aber weniger Polizistinnen und Polizisten auf der Straße sein als noch beim letzten Derby in Braunschweig. Wie zuletzt auch werden wir einen Hubschrauber und eine Drohne in der Luft haben.

Was sind die Auswirkungen, die die Bürger an diesem Tag spüren werden?

Es wird rund um das Stadion zu Verkehrsbehinderungen und zu zeitweisen Sperrungen von Straßen kommen, insbesondere beim Transport der Gästefans zum Stadion und nach dem Spiel. Das passiert aber alles in dem Rahmen, den die Bürger Braunschweigs auch schon von anderen Eintracht-Spielen dieser Sicherheitskategorie kennen.

Was hören Sie aus den Fan-Szenen? Rumort es schon?

Wir haben keine besonderen Hinweise auf Aktionen. Eintracht-Fans planen eine Choreografie. Das ist für mich Fan-Kultur und gehört zum Fußball dazu. Ich bin mal gespannt, wie die aussehen wird.

In Braunschweig geht es bei der Frage von zusätzlicher Stadionsicherheit auch um Investitionen in die Infrastruktur. Welche baulichen Maßnahmen hält die Polizei für dringend geboten? Reicht es, wie schon gegen Rostock, im Gästebereich eine Art „Drehkreuz“ an den Eingängen einzurichten?

Ja, das ist eine Möglichkeit. Gegen Rostock wurde versucht, mit einer sogenannten „Vereinzelungsanlage“ den Druck bei den Einlasskontrollen zu reduzieren. Es ist ein probates Mittel, Kassenstürme zu verhindern. Kontrollen durch die Ordner sind dann leichter durchzuführen. In den Gästeblöcken braucht es aus unserer Sicht generell mehr Fluchttore, die von den Fans nach draußen, aber von Einsatzkräften der Polizei im Notfall auch von außen genutzt werden könnten. Und es geht um weitere Zäune, die helfen, Fans voneinander zu trennen. All diese Themen sind der Eintracht bekannt. Ich bin guter Hoffnung, dass diese Baumaßnahmen bald umgesetzt werden.

Haben Sie das Gefühl, dass die von Frau Behrens getätigte Aussage in unserer Zeitung zu Quantität und Qualität des eingesetzten Sicherheitspersonals am Stadion von den Vereinen verstanden wurde? Werden wir schon am Sonntag eine verbesserte Lage sehen?

Uns wurde zugesagt, dass die Zahl der Ordner deutlich erhöht wird. Wir gehen auch von verbesserten Kontrollen aus. Ich habe die Wahrnehmung, dass dies bislang nicht so war, wie wir uns das vorgestellt haben. Der Verein weiß, dass die Polizei da genau hinschauen wird. Er hat aber selbst den Anspruch, es so zu regeln, dass sich die Stadionbesucher sicher fühlen und zugleich die Warteschlangen erträglich sein werden. Klar ist aber auch, ein Sicherheitsdienst kann nie so professionell aufgestellt sein wie wir als Polizei. Wenn dort Druck vonseiten gewaltbereiter Fans auf den Ordnungsdienst ausgeübt werden wird, müssen und werden wir zur Stelle sein.

Massive Präsenz der Polizei bei den letzten Spielen zwischen Eintracht und 96 haben Ausschreitungen auf den Wegen von und zum Stadion oder an den Bahnhöfen verhindert. Warum gelingt das nicht im Stadion? Könnte hier nicht mehr Polizeipräsenz einen präventiven Charakter besitzen? Oder wo besteht das Problem?

Das ist eine grundsätzliche Frage, die ich wie Ministerin Behrens beantworte. Für mich gehört die Polizei nicht ins direkte Umfeld eines Fußball-Stadions. Mir geht es da nicht um den Verweis auf Zuständigkeiten. Wir sprechen hier von einer Sportveranstaltung. Bei großen Handballspielen oder auch beim Basketball, wie in Braunschweig auch, finden die Veranstaltungen ja auch ohne Begleitung der Polizei statt. Das müsste eigentlich auch das Ziel beim Fußball sein.

Das Problem des Abbrennens von Pyro-Technik in der Kurve bleibt aber bestehen, hat sich in den letzten Jahren sogar weiter verstärkt?

Ja, aber das würden wir auch nicht mit einer wesentlich höheren Einsatzzahl im Stadion unterbinden können. Da gibt es mittlerweile Wege, die für mich, aber auch für die Vereine, nicht mehr nachzuvollziehen sind. Ich befürchte, wenn wir hier anders als bislang agieren würden, würden wir den grundsätzlich friedlichen Charakter, den ein Fußballspiel haben sollte, verändern. Das kann nicht das Ziel sein.

Fließen in Ihre Planungen zum Derby auch Erkenntnisse aus dem Hertha-Spiel ein? Da kam es zu hässlichen Szenen, zu Gewalt zwischen Fan-Gruppen und der Polizei?

Wir sind weiter in der Aufarbeitung, die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, aber natürlich sind solche Ereignisse immer ein Grund, sich zu hinterfragen und gegebenenfalls anders aufzustellen. In diesem Fall müssen wir, das ist mein Kenntnisstand heute, aber feststellen, dass nicht die Polizei ursächlich dafür war, dass vor der Südkurve das passierte, was passierte.

Für Teile der Fans stellte das Verhalten der Polizei eine Eskalation dar und führte offenbar dazu, Sie beschreiben es ja auch, dass die Tür für Kommunikation erstmal zu ist. Können Sie das akzeptieren?

Ich muss das akzeptieren, finde es aber sehr schade. Ich hoffe, dass im Laufe der Zeit die Bereitschaft zum Dialog wieder zunimmt. Derzeit findet keine Kommunikation statt. Ich war auch beim Hertha-Spiel, als eine Vorbereitung auf das Derby. Die Bilder, die ich kenne, zeigen nicht das, was die Fanhilfe unmittelbar nach dem Spiel kommuniziert hat. Hier hätte ich mir gewünscht, erst mit der Polizei zu sprechen und sich dann öffentlich zu äußern.

Wo endet für Sie denn Fußballkultur?

Die endet da, wo es zu Straftaten und Ordnungsverstößen kommt und wo Gewalt ausgeübt wird. Das Abbrennen von Pyro-Technik schließe ich da ausdrücklich mit ein, weil es sehr gefährlich ist. Wir haben eigentlich nur Glück, dass da in der Vergangenheit nicht mehr passiert ist.

Würden Sie mit einem kleinen Kind zu einem Spiel wie dem Derby gehen?

Ja, denn ich hätte großes Vertrauen in die Arbeit der Polizei, für Sicherheit zu sorgen. Ich würde aber die Kurven meiden und die Haupttribüne nutzen, insbesondere vielleicht den sogenannten „Familienblock“.

Ist es nicht schade, dass man sich solche Fragen stellen muss?

Ja, natürlich. Aber wir als Polizei können das Problem nicht lösen. DFL und DFB müssen sich da mehr einfallen lassen und perspektivisch hinterfragen, ob die horrenden Geldstrafen, die Vereine für das Verhalten ihrer Fans bezahlen müssen, zum Ziel führen, oder ob nicht andere Möglichkeiten bestehen, für mehr Sicherheit zu sorgen.

Was würden Sie vorschlagen?

Es geht um die konsequente Verfolgung von Straftätern und am Ende auch um deren Ausschluss. Aufenthaltsverbote und Gefährderansprachen sind präventive polizeiliche Mittel, die aber an Grenzen stoßen. Aber wirkungsvoll ist meines Erachtens nur die Maßnahme des Stadionverbots. Hier gibt es deutlich Luft nach oben.

Glauben Sie, hier ändert sich etwas grundsätzlich?

Das entscheiden am Ende nicht wir, sondern Vereine und Verbände. Die Daten der überführten Täter liegen den Vereinen in der Regel vor. Die Polizei ist aber der Ansicht, dass es hier am Willen mangelt, Stadionverbote auch umzusetzen.

Zum Schluss: Für wen schlägt Ihr Herz am Sonntag?

Da bin ich neutral. Ich bin in der niedersächsischen Polizei groß geworden, habe sowohl in Hannover als auch früher schon einmal in Braunschweig gearbeitet. Ich bin ein traditionsbewusster Fußball-Fan und halte es daher auch mit diesen Mannschaften, insbesondere wenn sie aus Niedersachsen kommen. Mein „Fußball“-Herz schlägt aber für Borussia Mönchengladbach, das wird sich auch nicht ändern. Etwas mehr gönne ich der Eintracht am Sonntag den Sieg, denn ich fände es wichtig, wenn der Verein auch nächstes Jahr in der 2. Liga spielt.

Zur Person: Uwe Lange (57)

Uwe Lange, gebürtig aus Uslar, ist seit 1983 Polizeibeamter des Landes Niedersachsen. Nach dem Abschluss seines Studiums 1993 arbeitete er in verschiedenen Führungsfunktionen des gehobenen Dienstes. Nach erfolgreichem Abschluss an der Polizeiführungsakademie im Jahr 2001 wechselte er die Laufbahn und arbeitet seither im (ehemaligen) höheren Dienst der Polizei.

In den Folgejahren leitete Uwe Lange unter anderem das Polizeikommissariat Holzminden und das Präsidialbüro im Landespolizeipräsidium. Seit 2013 arbeitete er als Leiter des Dezernates für Einsatz und Verkehr in der Polizeidirektion Hannover. In dieser Funktion war er vielfach als Polizeiführer oder Leiter Führungsstab bei Großeinsätzen, wie beispielsweise dem abgesagten Länderspiel 2015, dem „Obama-Besuch“ oder dem Fußballderby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig in Verantwortung.

Ab 2019 war er in der Behördenleitung bei der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen tätig. Als Schwerpunkt seines Wirkens leitete er dort unter anderem Projekte zur Digitalisierung der Arbeitswelt. Darüber hinaus ist Lange Polizeisportbeauftragter des Landes Niedersachsen.

Nach einem eingeleiteten Disziplinarverfahren gegen ihn in seiner Funktion als kommissarischer Leiter der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) Niedersachsen in Hannover wurde er durch Innenministerin Daniela Behrens im Januar 2024 zum Polizeivizepräsidenten der Polizeidirektion Braunschweig und damit zum Nachfolger von Roger Fladung ernannt. Der Abordnung stimmte Lange laut Ministerium ausdrücklich zu.

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