Braunschweig. Im DFB-Pokal traf Eintracht Braunschweig seit langer Zeit mal wieder auf Hannover 96. Für die Fans der Blau-Gelben ein Anlass für Hohn und Kritik.
Die Stimmung war aufgeheizt wie ein Kamin im tiefsten Winter. Die Vorfreude so groß wie vor einem lang ersehnten Wiedersehen. Am 29. Oktober 2003 fieberten Eintracht Braunschweig und seine Anhänger dem Derby gegen Hannover 96 entgegen. Dieses Duell hatte es zuvor beinahe fünfeinhalb Jahre nicht mehr gegeben. Grund genug für die Fans der Blau-Gelben, kreativ zu werden. Die jüngsten Entwicklungen rund um den Klub aus der Landeshauptstadt kamen da gerade recht.
Eintracht Braunschweigs Fans schließen sich zusammen
Eine große Choreografie sollte es werden zu diesem DFB-Pokalspiel. Das war gar nicht so einfach. Schließlich fiel die Organisation deutlich schwieriger als heute. Anfang der 2000er Jahre hatte noch nicht jeder ein Smartphone in der Tasche. Die Kommunikationswege waren länger vor der Ära der Whatsapp-Gruppen. Und die Fans waren noch nicht so eng vernetzt.
Dennoch hatten sich die Braunschweiger etwas vorgenommen. Ein Fan-Zusammenschluss namens „Johannsens Erben“ nahm sich der Sache an. In Hannover wuchs damals der Einfluss von Klub-Mäzen Martin Kind. Der eckte mit seinen Entscheidungen auch bei den 96-Anhängern an. Für die Löwen war das wie Gratis-Bratwurst und Freibier: ein gefundenes Fressen.
Martin Kind ist Ziel des Hohns
Und der Plan ging auf. Mit 23.000 Zuschauern erreichte das Eintracht-Stadion seine Kapazitätsgrenze. Als die Spieler aus den Katakomben ins gleißende Flutlicht schritten, formten die Besucher der Gegengerade ein Bild aus Pappschildern. „Tag-X“ war dort in blauer Schrift auf gelbem Grund zu lesen, unter Bezugnahme auf die lange Wartezeit seit dem vergangenen Derby. Über die Blöcke der Südkurve erstreckten sich mehrere große Folien. Einige in den Klubfarben. Andere zeigten die Wappen der Eintracht und der Stadt Braunschweig – unterschrieben mit den Jahreszahlen 1895 und 1967. Mit denen kann in der Löwenstadt wohl beinahe jeder etwas anfangen.
Nach der Halbzeit nahmen die Anhänger dann Martin Kind aufs Korn. Auf der Gegengerade entfalteten die Zuschauer ein weiteres Banner. Über mehrere Blöcke erstreckte sich das Abbild von Mr. Burns, der in der Hand einen Geldsack hielt. Diese Figur aus der Serie „Die Simpsons“ gilt in der Popkultur als Symbol für Habgier und Rücksichtslosigkeit. Die lange Nase war der meterhohen Zeichnung in Anlehnung an Pinocchio gewachsen. Daneben prangte das 96-Wappen – das Burns gerade mit einer Narrenkappe verziert. Das Klub-Logo hatten die Hannoveraner unter Kind gerade ändern lassen. Ein Umstand, der bei vielen Fans nicht gut ankommt – egal welchem Klub sie anhängen. An der Bande stand der Spruch „Ein Kind hält euch zum Narren“.
Ungereimtheiten beim DFL-Investorendeal
Diese Choreografie vereinte zwei Effekte: Hohn und Kritik. Vielen Fußball-Fans ist es ein Dorn im Auge, wenn einzelne Akteure in den Klubs nach unbeschränktem Einfluss trachten – und somit Entscheidungen im Alleingang fällen können. In Hannover ist dieses Thema eng mit der Person Martin Kind verknüpft. Und es ist auch heute noch hochaktuell. Als die 36 deutschen Erst- und Zweitligaklubs am 11. Dezember 2023 darüber abstimmten, ob die Deutsche Fußball-Liga (DFL) die Verhandlungen mit einem Investor aufnehmen soll, gab es Ungereimtheiten.
Die hauchzarte Zweidrittelmehrheit war zwar erreicht worden. Aber nur, weil Kind wohl zugestimmt hatte – entgegen der Order des Hannoveraner Muttervereins. Viele Fans sahen daher die 50+1-Regel verletzt. Nach ausführlichen Protesten aus den Kurven ist der Investoren-Deal mittlerweile wieder vom Tisch.
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Der Aufwand für die Derby-Choreo hat sich für die Eintracht-Fans gelohnt
Mit dem Ausgang des DFB-Pokalspiels im Jahr 2003 hatte das freilich nichts zu tun. Die Eintracht gewann trotzdem. 2:0 hieß es am Ende. Die Tore erzielten Jacob Thomas und Jürgen Rische. Im Eintracht-Kasten debütierte damals Thorsten Stuckmann. Und die Fans? Die feierten. Auch die Choreografie war gelungen. Der Aufwand hatte sich gelohnt. Zwischen 8000 und 9000 Euro hatten „Johannsens Erben“ damals im Vorfeld für ihr Vorhaben gesammelt, wie wir aus engen Fankreisen erfuhren.
Einfach war die Umsetzung trotzdem nicht. Es gab keinen Grafiker, der mal eben ein digitales Modell des Stadions erstellen konnte. Zur Abmessung mussten Stift und Papier herhalten. Um das Material zu beschaffen, fuhren die Fans mit zwei gemieteten Bussen extra nach Mannheim. Die rund 300 Kilogramm Folie wurden in der Braunschweiger Lokhalle bemalt und in Form gebracht. Für das erste Derby seit Jahren hatte sich der Aufwand sicher gelohnt ...
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