Hannover. Polizeidirektion Braunschweig bestätigt Landestrend: Raub, Bedrohung und Körperverletzung haben zugenommen. Müssen Wachdienste her?

Die Entwicklung der Gewalt an Niedersachsens Schulen bereitet Sorge. So ist die Zahl der polizeilich erfassten Vorfälle im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Laut LKA Niedersachsen wurden deutlich mehr Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte Opfer einer Straftat als im Vorjahr.

Die Gesamtzahl der Opfer im Schulkontext kletterte demnach von rund 2630 im Jahr 2022 auf etwa 3270 im Jahr 2023. Darunter waren rund 1110 Schülerinnen und Schüler sowie knapp 150 Lehrkräfte. Zu den anderen Opfern gab es keine Details. Im Bereich Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit stieg die Zahl um rund 520 Fälle auf 2680 an.

Den landesweiten Trend bestätigte auch die Polizeidirektion Braunschweig unserer Zeitung. So wurden im Zuständigkeitsbereich der PD 627 Schüler Opfer von Gewalt. Das waren fast 150 Personen mehr als im Jahr 2022. So stiegen sowohl die Straftaten an Schulen insgesamt als auch Rohheitsdelikte wie Raub, Bedrohung und Körperverletzung.

Landeselternrat: Corona-Pandemie hat Kommunikationsdefizite verstärkt

Der Vorsitzende des Landeselternrates (LER), Michael Guder aus dem Kreis Peine, nannte die Entwicklung „besorgniserregend“. Dass die Gewalt an Schulen zunehme, sei aber kein Alleinstellungsmerkmal Niedersachsens. „Wir haben ein gesellschaftliches Problem, indem versucht wird, Konflikte immer öfter über Einschüchterung und Gewalt anstatt im Diskurs zu lösen“, sagte Guder unserer Zeitung. Diese Entwicklung mache auch vor Schultüren und Pausenhöfen nicht Halt, sagte Guder.

In Schulen fehle es an Zeit und Personal für ein angemessenes Konfliktmanagement. Zudem hätten Schülerinnen und Schüler in der Corona-Pandemie zunehmend verlernt, Konflikte kommunikativ zu lösen. Man benötige hier wesentlich mehr Elemente der Prävention. Den Einsatz von Sicherheitspersonal in und vor Schulen erachtet der LER-Vorsitzende höchstens zeitlich begrenzt als sinnvoll. Auch „Zeichen der Stärke“ nutzten sich irgendwann ab.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte dazu auf, Schulen, an denen sich Gewaltfälle häuften, nicht alleine zu lassen. In diesen Einrichtungen spiegelten sich die Herausforderungen wider, mit denen die Gesellschaft insgesamt konfrontiert sei, teilte der GEW-Landeschef Stefan Störmer mit. Er setze auf die Zusammenarbeit aller sozialen Akteure, um Schulen vor Ort zu helfen. Dazu zählten laut Störmer Bildungszentren, Vereine, Jugendzentren oder kommunale Träger der Jugendhilfe.

Der Sprecher der Polizeiinspektion (PI) Salzgitter, Peine und Wolfenbüttel, Matthias Pintak, wies mit Blick auf Straftaten an Schulen auf ein bestehendes Dunkelfeld hin. Als Gründe nannte er die Sanktionierung von Taten durch die Lehrerschaft sowie die Tatsache, dass Opfer aus Angst vor den Tätern in ihrem direkten schulischen Umfeld auf Anzeigen verzichteten. Auch auf Salzgitters Schulhöfen registriere die Polizei Fälle von Beleidigung und Körperverletzung. Schulen seien aber nicht zu einem „Schwerpunkt der Bewaffnung“ geworden, sagte Pintak.

Für das Land Bremen konnte die Polizei zunächst keine Zahlen für das Jahr 2023 nennen, stellte aber klar: „2022 ist eine Zunahme der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr festzustellen. Für 2023 lässt sich ein weiterer Anstieg der Straftaten an Schulen im Land Bremen beobachten.“ Die Zahl der Polizeieinsätze an den Schulen stieg von 704 im Jahr 2022 auf 750 im Jahr 2023.

Schulleitungsverband Deutschland: Mehr Waffen an Schulen in Niedersachsen

Nach Angaben des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat. „Wir haben bemerkt, dass mehr Waffen zur Schule mitgenommen werden als früher“, sagte der Verbandsvorsitzende Sven Winkler. Dabei handele es sich vor allem um Messer und sogenannte Anscheinswaffen. Das sind Waffen, die echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Ob Kinder und Jugendliche Waffen dabeihaben, weil sie gewaltbereit sind, oder weil sie Angst haben und diese zur Selbstverteidigung nutzen wollten, sei unklar.

Um Gewalt zu verhindern, versuchen viele Schulen die Sozialarbeit auszubauen. Oft fehle es aber an Personal, Zeit und Geld, sagte Winkler, der auch Leiter einer Schule im niedersächsischen Oldenburg ist. Häufig gebe es lokale Netzwerke etwa mit den Schulträgern, der Jugendhilfe und der Polizei, um Ursachen von Fehlverhalten und Gewalt zu ergründen und künftig zu verhindern. Grundsätzlich seien Kinder und Jugendliche in den Schulen mindestens genauso sicher wie in anderen Kontexten.

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