Braunschweig. Horst „Hotte“ Mildeweith gründete vor fast 40 Jahren das „Movie“ in der Innenstadt und feierte schon mit Paul Breitner und vielen Aufstiegshelden.

Viele Fans von Eintracht Braunschweig tragen den 18. Mai 2002 als besondere Erinnerung in ihren Fußball-Herzen. Die Blau-Gelben schafften damals nach neun Jahren Drittklassigkeit durch ein legendäres Last-Minute-Tor von Thomas Piorunek im letzten Saisonspiel gegen Wattenscheid den lang ersehnen Zweitligaaufstieg. Bei Horst Mildeweith hatte das Ereignis an sich schon einen Adrenalinschub ausgelöst. Als der Inhaber des „Movie“ in der Braunschweiger Innenstadt dann aber tags darauf per Anruf erfuhr, dass die Mannschaft in seinem Lokal aufgeschlagen war, um dort ihren Triumph zu begießen, lief die Pumpe des Gastronomen ein weiteres Mal auf Hochtouren.

„Hier hängt noch das Trikot mit den Unterschriften“, sagt Mildeweith und zeigt auf das gerahmte Dress, das ihn immer wieder an diesen unglaublichen Tag zurückdenken lässt. Stürmer Dirk Weetendorf habe ihm damals eine selbst zusammengestellte CD mit Party-Hits in die Hand gedrückt. Torjäger Daniel Teixeira habe sich am Spielautomaten verlustiert und sei immer wieder mit neuen Eiswürfelverbänden für sein lädiertes Knie versorgt worden. „Und Torsten Sümnich hat einen Tag später als Schatzmeister der Truppe die Rechnung bezahlt“, erinnert sich Mildeweith.

Breitner und die Baguettes

Der Gastraum der Traditionskneipe bietet eine Menge Platz – und sechs Fernseher für Fußball-Übertragungen.
Der Gastraum der Traditionskneipe bietet eine Menge Platz – und sechs Fernseher für Fußball-Übertragungen. © Henning Thobaben

Es sind Erlebnisse, die man nicht vergisst, wenn man persönlich mit ganzem Herzen Einträchtler ist. Auf den Kneipier, der seit 1970 Dauerkarteninhaber ist und bei Heimspielen seinem Personal den Laden überlässt, trifft das voll und ganz zu. Das Lokal gleicht einem Museum. An den Wänden hängen nicht nur blau-gelbe Fan-Utensilien, sondern auch zahlreiche Fotos von Mannschaften, einzelnen Spielern oder Trainern. Einige seien immer mal wieder zu Gast gewesen, erzählt der Inhaber und verweist auf Schnappschüsse von Torsten Lieberknecht oder Mirko Boland. „Und Paule Breitner hat hier mal drei Baguettes hintereinander gefuttert, weil sie ihm so gut geschmeckt haben.“

Der Weg in die Gastronomie war für Mildeweith früh geebnet. Seine Großeltern, bei denen er einen großen Teil seiner Kindheit verbrachte, führten im Südharz einen Hotelbetrieb mit Hähnchenfarm. „Da habe ich fleißig mitgebrutzelt“, erzählt der heute 68-Jährige, der als Jugendlicher eine Konditorlehre begann und in diesem Job eigentlich gerne auf den großen Kreuzfahrtschiffen über die Ozeane fahren wollte. Die Geburt seiner ersten Tochter ließ diese Pläne jedoch platzen.

Platzwart, Trainer, Spieler

In einem Nebenraum darf gekickert werden.
In einem Nebenraum darf gekickert werden. © Henning Thobaben

So begann Mildeweiths Gastro-Karriere mit einem Projekt, das ebenfalls im Sportbereich angesiedelt war: Von 1977 bis 1980 führte er nebenberuflich das Sportheim in Mascherode, wo er selbst mehr als 25 Jahre kicken sollte. „Die Fußballer waren damals sehr erfolgreich, da kamen mehrere Hundert Menschen zu den Spielen. Und ich war auch noch Platzwart und Trainer“, erinnert er sich an harte Jahre, die in einen Job als Geschäftsführer bei McDonald’s am Bohlweg mündeten. Streitigkeiten um die Bezüge ließen ihn dort kündigen – und führten in die Arbeitslosigkeit.

Einen Ausweg schien ihm damals indirekt die Eintracht zu bieten. Mildeweith war bei einer Feier im Keller des früheren Eintracht-Meistertorwarts Hennes Jäcker dabei, mit dessen Sohn er befreundet ist. Der Vertriebsleiter einer auswärtigen Brauerei machte ihm dort aus der Bierlaune heraus ein Angebot und sicherte ihm die Leitung einer Braunschweiger Kneipe zu. „Als ich drei Tage später bei ihm vorstellig wurde, konnte er sich an nichts mehr erinnern“, erzählt der Braunschweiger. Damals ging Mildeweith ins „PapalaPub“ – das heutige „Movie“ – und schimpfte frustriert auf alle Brauereivertreter dieser Welt. Doch zufällig stand der damalige Wolters-Brauereidirektor neben ihm und polierte den Ruf seiner Branche spontan auf: Er stellte ihm ein Engagement in der damals noch von der Brauerei bewirtschafteten Kneipe in Aussicht. Wenige Tage später schlug der Gastronom ein.

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Schallplatten verkauft

Für das nötige Startkapital musste Mildeweith jedoch Opfer bringen. „Ich habe meine gesamte Schallplattensammlung auf dem Flohmarkt verkauft“, erzählt er. Am Stand nebenan veräußerte jemand Filmplakate – einzig dieser Nebensächlichkeit verdankt das „Movie“ seinen Namen. Am 28. April 1984 feierte das neu gestaltete Lokal mit viel Live-Musik Eröffnung.

Über die Jahre und Jahrzehnte kamen auch namhafte Künstler auf das eine oder andere Getränk vorbei. Die Tremeloes waren im „Movie“ zu Gast, ebenso Suzie Quattro oder Santana. „Und Jürgen von der Lippe hat hier nach Auftritten in der Komödie öfter ein Bierchen getrunken“, berichtet der Inhaber, der mit Wehmut an den Kneipen-Boom früherer Zeiten zurückdenkt. Vor allem die in der Region stationierten Soldaten aus umliegenden Kasernen hätten das Nachtleben bis in die 1980er Jahre hinein geprägt. „Wenn die Engländer Ausgang hatten, war hier immer die Hölle los“, erinnert sich der Wirt.

Mehrfach-Strategie scheiterte

Blau-Gelb findet sich überall an den Wänden.
Blau-Gelb findet sich überall an den Wänden. © Henning Thobaben

Zeitweise baute Mildeweith sein Engagement aus, um die Jahrtausendwende führte er mit der Eselsbrücke, dem Altstadtbierhaus, dem Chapeau Claque und dem Platzhirsch in Bienrode noch vier weitere Lokale. Aus heutiger Sicht sei das ein Fehler gewesen. „Man sollte sich auf eine Sache konzentrieren und die richtig und aus vollem Herzen machen.“ Alle anderen Läden gab er mit der Zeit wieder ab. Das „Movie“ blieb.

Schwarze Mamba, rote Lola

Stolz ist Mildeweith auf vieles in der Kneipe. Da sind seine eigenen Getränkekreationen wie Schwarze Mamba oder Rote Lola, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Und auch die Dart-Szene hat mit dem „Movie“ einen festen Anlaufpunkt, zudem kann in einem Nebenraum gekickert werden. Nicht zuletzt freut sich „Hotte“, wie er von Freunden und Stammgästen genannt wird, über treue Mitarbeiter und solidarische Gäste, die ihn die Corona-Krise überstehen ließen.

Wegen eines Wasserschadens infolge eines Starkregens im vergangenen Jahr mussten zuletzt die Bänke neu bepolstert werden. Mildeweith entschied sich für blaue Sitzflächen und gelbe Rückenlehnen, natürlich. „Wir sind nun mal eine Eintracht-Kneipe“, sagt er. Die Zeiten, in denen er 16 Stunden am Tag hinter der Theke stand, sind lange vorbei. Der Gastronom tritt mittlerweile kürzer, auch weil er mit dem „Movie“ noch einiges mehr als nur den 40. Geburtstag im nächsten Jahr erleben will. „Zehn Jahre möchte ich das hier schon noch gerne machen“, erklärt er. Ob es aber noch mal ein Erlebnis wie die Aufstiegsfeier 2002 geben wird, das ist aber zumindest fraglich.

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