Wolfenbüttel. Zwei Frauen engagieren einen vermeintlichen Mörder, um einen Mann zu töten. Doch der geht zur Polizei. Hier erzählt er seine Geschichte.

Sehe ich wirklich aus wie ein Auftragsmörder? Das fragte sich Ibrahim B.* vor einem halben Jahr, und das fragt er sich noch heute. Wie die ältere Frau darauf kam, dass er den Ex-Mann ihrer Tochter für eine fünfstellige Summe aus dem Weg räumen würde? Der dunkelhaarige Mittdreißiger schüttelt den Kopf, zuckt mit den Schultern und lacht ungläubig. „Ich weiß es nicht.“

Die Geschichte des Syrers, der 2015 vor dem Bürgerkrieg aus seiner Heimatstadt Aleppo floh, über die Balkanroute nach Deutschland kam und sich hier als Unternehmer eine Existenz in Wolfenbüttel aufbaute, klingt unglaublich. Und doch ist sie wahr. Erzählen will er sie, damit in den Nachrichten „nicht nur immer schlimme Dinge über Syrer stehen“, sondern auch Geschichten von rechtstreuen, moralisch handelnden Menschen.

Treffpunkt Kalkwerk nahe Wolfenbüttel: Hier fand das konspirative Gespräch statt, in dem letzte Details des Auftragsmordes besprochen werden sollten. Die Polizei hörte mit.
Treffpunkt Kalkwerk nahe Wolfenbüttel: Hier fand das konspirative Gespräch statt, in dem letzte Details des Auftragsmordes besprochen werden sollten. Die Polizei hörte mit. © Udo Starke

Der Kern dieser Geschichte ist dieser: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat vor Kurzem beim örtlichen Landgericht Anklage erhoben gegen zwei Frauen, 69 und 41 Jahre alt, wegen versuchter Anstiftung zum Mord. Dass es dazu kam, ist Ibrahim B. zu verdanken.

Alles begann in einem Restaurant – und endete nahe eines Kalkwerks. „Ich hatte damals kein festes Büro. In dem Restaurant in Wolfenbüttel traf ich mich immer mit meinen Leuten zur Besprechung“, schildert der Unternehmer auf Deutsch. Fatemeh*, 69, eine der beiden angeklagten Frauen, arbeitete dort im Service.

35 Personen beschäftigte er zeitweise, darunter viele „bärtige Araber“. „Als Fatemeh mich fragte, was für eine Arbeit ich mache, sagte ich nur: Businessman“, berichtet er. Eine Konstellation, aus dem die Frau womöglich die falschen Schlüsse zog? „Ich weiß nicht, was sie dachte.“

Der Stammgast B. und die aus dem Iran stammende Fatemeh plauderten hin und wieder, einmal bat sie ihn um einen Gefallen. Es ging darum, sie mit dem Auto abzuholen. „Ich half ihr natürlich.“ Das gebiete schon der Respekt gegenüber einer älteren Frau. Fatemeh revanchierte sich mit extra-großem Kaffee und Schokolade, wenn er wieder einmal Gast war.

„Wir wollen ihn töten“

Nach drei Jahren zog Ibrahim B. in ein eigenes Büro und die Zeit der Restaurant-Besprechungen endete, aber man grüßte sich weiter freundlich. „Immer wenn ich in dem Restaurant war, fragte sie, wie es mir geht.“ Als er im November dann wieder einmal bei ihr einkehrte, „fragte sie mich nach meiner Telefonnummer“. Kurz darauf habe sie um ein Treffen gebeten. „Dort fuhr sie gemeinsam mit einer jüngeren Frau vor.“

Fatemeh schien etwas zu beschäftigen. „Ich fragte sie, was los ist.“ Irgendwann habe sie dann gesagt: „Wir haben ein Problem mit einem Mann. Wir wollen ihn töten.“ Erst meinte er, nicht richtig gehört zu haben. Das war am 25. November 2022, wie sich aus Angaben der Staatsanwaltschaft zur Anklage gegen die beiden Frauen entnehmen lässt.

Ibrahim B. fragte nach. Er erfuhr, dass es um Fatemehs Ex-Schwiegersohn geht und um Probleme innerhalb der Beziehung zu ihrer Tochter. „Ich dachte, ich könnte vermitteln und Tipps könnten helfen. Es kommt ja manchmal vor, dass Männer und Frauen sich streiten.“ Doch seine Beziehungsratschläge waren offenbar uner­wünscht. „Sie beharrten darauf, ihn ermorden zu lassen.“ Auch, weil der Mann rund 100.000 Euro aus dem Vermögen der Frauen verspielt und seine Ex-Partnerin geschlagen haben soll. Dazu kam noch ein Streit ums Sorgerecht des gemeinsamen Kindes.

„Sie sagten: Wenn du es nicht machst, macht es ein anderer.“ Zum Schein sei er deshalb auf das Angebot eingegangen. „Ich dachte: Wenn ich nicht zusage, passiert vielleicht wirklich etwas. Ich habe geglaubt, sie davon abbringen zu können.“

Womöglich liegt das in seiner Familie: Verwandte agierten in Syrien als Schlichter in Streitfragen, erzählt Ibrahim B.

Das Geld fließt – und die Ermittler entwickeln einen Plan

Den Frauen gaukelte er vor: „Ich habe Leute, die so etwas machen können. Das kostet aber.“ Man einigte sich auf 17.000 Euro.

Für den nächsten Tag verabredete er sich mit Fatemehs Tochter. Die 41 Jahre alte Frau soll hier Narges* heißen. Bei dem Treffen übergab Narges ihm die ersten 10.000 Euro. Mehrere Tage lang habe sie ihn besucht und erzählt. „Sie wirkte gestresst“, erinnert sich der vermeintliche Auftragsmörder.

Sie berichtete, wie sie ihren Ex-Mann über das Internet kennenlernte. Dass er ausländische Frauen um ihr Geld erleichtere. „Aber selbst wenn das stimmen sollte“, sagt Ibrahim B., in dessen Stimme Empörung schwingt, „dann ist kein Grund, jemanden zu töten.“

Die Frau habe ihm noch Bilder und Informationen über ihren Mann überreicht: zwei Fotos ihres ehemaligen Lebensgefährten, einen Zettel mit dessen Namen und der Adresse sowie seinen Schichtplan. Das ergibt sich aus einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Sein Plan, die Frau ins Wanken zu bringen, war fehlgeschlagen. „Sie wollte das wirklich. Da bin ich mit dem Geld zur Polizei gefahren.“

Als er die Wache in Wolfenbüttel betrat, konnten ihm die Beamten dort zunächst kaum glauben. „Erst als er 5.000 Euro auf den Tisch packte, hat sich das geändert. Zuhause übergab er dann den Rest. „Sie wollten alles ganz genau wissen.“

Die Polizei hört mit

Kurz danach unterbreitete die Kriminalpolizei ihm den Plan, ihn zu verkabeln und ein letztes Treffen mit Narges anzuberaumen. Der Vorwand: Man müsste letzte Details für die Tötung besprechen. Der Treffpunkt: 18 Uhr, in Höhe des Kalkwerks an der Bundesstraße 79, kurz vor Wendessen. „Sie saß eine halbe Stunde bei mir im Auto. Wir redeten.“ Morgen ist der Tag X, habe er gesagt, morgen erledigen wir die Sache. Genau, wie die Polizei es ihm aufgetragen hatte.

Die Reaktion der Frau schockiert ihn noch heute. „Quäl ihn, sagte sie.“ Laut Anklage forderte sie Ibrahim B. auf, ihren Ex-Mann in Herz, Mund und Kopf schießen. Währenddessen lief das Band und die Ermittler hörten mit. Das war am 2. Dezember des Vorjahres.

Noch am gleichen Tag erfolgten die Festnahmen. Seitdem sitzen Narges und ihre Mutter Fatemeh in Untersuchungshaft, bestätigt die Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Der Prozess vor dem Landgericht beginnt Mitte Mai. Vier Verhandlungstage sind hierfür bislang angesetzt.

Die Anklagevorwürfe decken sich mit dem, was Ibrahim B. berichtet. Im Falle einer Verurteilung droht den Frauen eine lange Haftstrafe. Die Anstiftung zum Mord kann wie die Tötung selbst bestraft werden, dass es sich um einen Versuch handelt, muss dabei nicht einmal zu einer milderen Strafe führen.

Zwei Herzen so schwarz?

Vor Gericht wird der Unternehmer seine Geschichte noch einmal erzählen. Vielleicht kann er danach selbst abschließen mit dieser Sache, die ihn bis in den Schlaf verfolgt. Nach der Festnahme sei er einen Monat „durch den Wind“ gewesen, sagt Ibrahim B. „Das hat mich mitgenommen.“

Am meisten hadert er mit der Gefühllosigkeit der Frauen. „Ich habe im Krieg als Sanitäter gearbeitet. Ich habe Fassbomben fallen gesehen und Menschen, die vor Schmerzen schrien. Aber nie habe ich jemanden getroffen, dessen Herz so schwarz war.“

Manchmal fragt er sich trotzdem, ob er anders hätte handeln sollen. Die Antwort gibt er sich selbst. „Ich glaube, dass es richtig war. Auch wenn sie eine Mutter ist. Ich wollte sie nicht ins Gefängnis bringen – aber ich hatte keine andere Möglichkeit. Sonst wäre ein Mensch gestorben.“

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