Gifhorn. Eine niedersächsische Behörde errechnet den steigenden Bedarf und macht sich Sorgen um das Grundwasser. Und ein Landwirt berichtet aus der Praxis.

Joachim Zeidler kennt sich aus. Der Landwirt aus Parsau im Kreis Gifhorn ist seit vielen Jahren Landvolk-Kreisvorsitzender. Und Zeidler (65) erinnert sich noch gut daran, wie das in den 70er Jahren war, als „ganz zaghaft“, wie er sagt, die ersten Beregnungsversuche in Wolfsburg und in Gifhorn anliefen. Beinahe unwirklich erscheint das im Lichte der heutigen Zustände.

Die Beregnung der Felder spielt längst eine große Rolle. Zunächst einmal finanziell. Abgesehen von den 16 Cent pro Kubikmeter sind für die Landwirte die Beregnungsgeräte selbst (Zeidler hat fünf über Erdkabel versorgte Maschinen auf seiner allerdings bereits verkleinerten Fläche) und die Strom- bzw. Dieselkosten für den Betrieb ein erheblicher Faktor. Außerdem müssen die Landwirte die von der Landesregierung unter hydrologischen Gesichtspunkten festgelegte Entnahme-Quote beachten – und entsprechend haushalten mit dem Wasser.

„Ja, das ist für viele Betriebe ein echtes Problem. Man darf sein Pulver nicht zu früh verschießen. Die Frage ist dann zum Beispiel: Kann ich das Wasser am besten schon bei der Gerste oder doch besser erst bei der Rübe oder Kartoffel gebrauchen?“, berichtet Zeidler. Und sein Kollege Heinrich Schulze aus Westerbeck teilte unserer Zeitung schon in der vorigen Woche Überlegungen mit, dass er sich im schlimmsten, also weiterhin dürren Fall wohl gegen die Bewässerung des Getreides entscheiden werde, weil da der Deckungsbetrag am geringsten sei. Mit der Trockenheit werde es halt immer schlimmer, diesen Satz fügte Schulze auch noch hinzu.

Die Studie des Landesamtes

Eine wissenschaftliche Untermauerung dieses Satzes mit Blick auf die Landwirtschaft kommt am Mittwoch von Niedersachsens Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Dessen Experten haben die „Beregnungsbedürftigkeit von Feldfrüchten“ in den Zeiträumen von 1961 bis 1990 sowie 1991 bis 2020 miteinander verglichen. Ergebnis: Vor allem im zentralen Niedersachsen zwischen Celle und Hameln, aber auch in der Region Hannover und im Kreis Gifhorn hat der Bedarf in einer Beregnungsperiode (etwa April bis September) gewaltig zugenommen – um über 20 Liter Wasser pro Quadratmeter.

Die Küstenregionen waren hingegen kaum betroffen, so dass der landesweite Durchschnitt bei etwa 10 Litern Zunahme pro Quadratmeter im Vergleichszeitraum gelegen hat. Und wie das in solchen Klimawandel-Rechnungen üblich ist: Diese Entwicklung droht sich rasant fortzusetzen. Die Modelle der Fachleute laufen für den Zeitraum 2071 bis 2100 auf einen weiteren Anstieg um 10 bis 20 Liter jährlich pro Quadratmeter hinaus. Auch in Regionen, in denen bisher Beregnung nicht notwendig sei, würde sie in Zukunft notwendig werden. „Das ist ein weiteres beunruhigendes Signal“, sagt LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier zu den Zahlen aus seinem Haus. Der Hintergrund: Erst vor einigen Wochen hat das von Mühlenmeier geleitete Landesamt auf die zurückgehende Grundwasserneubildung aufmerksam gemacht, auf die Pflanzen angesichts ausbleibender Regenfälle besonders angewiesen sind. Beregnungswasser wird vor allem aus dem Grundwasser gezogen, auch wenn es zu einem erheblichen Teil ja wieder im Boden landet.

Die chronischen Probleme

2071? Als Joachim Zeidler diese Zahl hört, entfährt ihm ein Brummen. Das sei ja als Bezugspunkt doch „eher utopisch“, meint der Landwirt. „Wer weiß, wie viele Menschen dann auf welche Weise ernährt werden?“, fragt er. Überhaupt sei es ja auch zu einfach, sich eine lineare Entwicklung vorzustellen, meint Zeidler etwa mit Blick auf die superheißen und supertrockenen Sommer in den 70er Jahren oder auch das besonders regenreiche Jahr 2017. Auch für das laufende Jahr sei festzuhalten, dass man aufgrund der Niederschläge im Frühling gar nicht so früh mit der Beregnung habe beginnen müssen. Und doch sitze man nun sozusagen wieder auf dem Trockenen. Ja, grundsätzlich stehe schon fest, nicht nur, aber eben auch mit Blick auf Wasserbedarf und Beregnung: Es werde nicht einfacher.

Die Gefahr ist allem Anschein nach, dass die Probleme chronisch werden. Pflanzen können während einer Trockenperiode, in der ihr Bedarf die Niederschlagsmenge übersteigt, auf den Wasserspeicher im Boden zurückgreifen – eigentlich. Wenn dieser Speicher allerdings aufgrund von vorangegangener Dürre reduziert ist, drohen empfindliche Ertragsverluste. Auf einen weiteren problematischen Effekt weist das Umweltbundesamt hin: „Trockenheit und Ernteausfälle führen in aller Regel zu hohen Nährstoffüberschüssen von Stickstoff und Phosphor, weil die Kulturpflanzen nicht in der Lage waren, die Düngemengen vollständig aufzunehmen. Die so entstehenden Nährstoffüberschüsse haben vielfältige negative Umweltwirkungen, etwa durch die Beeinträchtigung der Wasserqualität.“

Nein, natürlich sollte man weder die Flinte ins Korn schmeißen noch schon jetzt das Korn abschreiben oder sich nun gleich auch noch übertriebene Sorgen um die Wasserqualität machen. Aber reichlich Regen, und zwar einigermaßen bald, das würden auch und vor allem die Landwirte richtig gut finden.