Wernigerode. Die Idylle im Harz wurde im vergangenen Jahr erheblich getrübt - Waldbrände wüteten in den Wäldern mit abgestorbenen Fichten. So geht es 2023 weiter.

Der Harz ist das Ziel von Urlaubern und Tagesausflüglern, von Wander- wie Dampflokfans – 2022 machte die Urlaubsregion Schlagzeilen mit Bränden. Der Landkreis Harz rief den Katastrophenfall aus. Alle Beteiligten sind sich einig: die Waldbrände sollen sich nicht wiederholen. Vom Landkreis über den Nationalpark bis zur Harzer Schmalspurbahn haben alle viel dafür getan und werden es noch. Teils wird auf moderne Technik gesetzt, teils auf bewährte alte, Totholz wurde beseitigt, Fahrverbote wurden ausgesprochen. Ein Überblick über die Situation zu Beginn der Waldbrandsaison am 1. April:

Die Brände: Das vergangene Jahr war in Sachsen-Anhalt besonders waldbrandträchtig. Laut dem Landeszentrum Wald wurden rund 170 Waldbrände auf etwa 100 Hektar Fläche erfasst. In Calvörde im Landkreis Börde etwa seien 25 Hektar betroffen gewesen, 10 Hektar in Schönhausen an der Elbe. Die Trockenheit ist in allen Landesteilen ein großes Problem.

Im Landkreis Harz sorgten Waldbrände für besonderes Aufsehen. Anfang September brach aus ungeklärter Ursache ein Feuer in der Nähe von Schierke am Brocken aus. Tagelang kämpften insgesamt rund 1800 Einsatzkräfte in dem schwer zugänglichen Gelände gegen Flammen. Der Landkreis rief den Katastrophenfall aus. Erstmals kam internationale Unterstützung, italienische Löschflugzeuge halfen ebenso wie mehrere Löschhubschrauber. Nach jetzigem Stand kostete die Aktion den Landkreis rund zwei Millionen Euro, wie ein Sprecher sagte.

Löschflugzeuge steuern den Waldbrand am Brocken an

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    Das Totholz: Wer den Harz aus vergangenen Jahrzehnten kennt, erinnert sich an üppige grüne Wälder. Heute prägen zu großen Teilen abgestorbene Fichten-Monokulturen das Bild - die Stämme brannten und glühten wie Fackeln. Erstmals war das Mitte August im Nationalpark Harz bei Schierke der Fall. Laut Nationalpark waren etwa 3,6 Hektar betroffen. Wie viele Hektar dann Anfang September in Flammen standen, ist bis heute umstritten. Nationalparkchef Roland Pietsch spricht von maximal zwölf als amtlich festgestellte verbrannte Fläche, der Landkreis arbeitet mit deutlich höheren Zahlen.

    Der Ruf nach noch mehr Schneisen zum Brandschutz im Nationalpark war gleich nach dem Brand zu hören. Möglichst viel Totholz sollte weggeräumt werden. Direkt angrenzend an die Wohnbebauung des Tourismusortes Schierke am Fuß des Brockens sind laut Nationalparkleiter Pietsch rund 14 Hektar von Totholz beräumt worden. Damit habe man vorsorglich auf die mögliche Gefahr eines weiteren Brandes unmittelbar am Ort reagiert. Dadurch, dass das Holz noch verkauft werden konnte, hätten die Kosten für die zeitintensive Maßnahme reduziert werden können. Man habe bereits Risikoanalysen für weitere Siedlungsbereiche vorgenommen. Hierzu warte man jetzt auf die fachliche Beurteilung der zuständigen Brandschutzexperten.

    Der Nationalpark: Seitdem in großem Stil Fichten absterben im Harz, läuft die Debatte, wie mit dem Totholz umzugehen ist. Die Touristiker wollen die Stämme beseitigt sehen. Der rund 25.000 Hektar große Nationalpark allerdings verfolgt das Ziel, die Natur sich selbst zu überlassen - auf rund 75 Prozent der Fläche greift der Mensch bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr ein. Und die Natur entwickelt sich. Pietsch zeigt gern die Flächen, auf denen schon die Pionierpflanzen stehen, die ersten Birken, Ebereschen, verschiedene Büsche. Sichtachsen, die es heute noch gebe, wachsen zu. „Das wird sehr zügig gehen“, sagt Pietsch. Nach und nach werde hier wieder Wald entstehen mit einer größeren Vielfalt.

    Die Dampfloks: Die Harzer Schmalspurbahn fährt mit ihren Dampfloks bis zum Brockenplateau. Die Strecke ist eine der touristischen Highlights der Region - fast eine halbe Million Fahrgäste zählte sie 2022. Doch lenkt sie kritische Blicke auf sich. Karten zeigen, dass eine Vielzahl der Brände entlang der Schienen entstanden sind. Welche Rolle die mit Kohle betriebenen Dampfloks selbst spielen, welche die Fahrgäste trotz geltenden Rauchverbots, ist bislang nicht geklärt.

    Vereinbart ist, dass die Dampfloks bei der höchsten Waldbrandstufe 5 von Drei Annen Hohne aus nicht zum Brocken fahren dürfen, sondern nur die Dieselloks. Das bedeutet laut HSB-Sprecher Dirk Bahnsen dann statt 11 täglichen Fahrten nur 7, denn es gibt nicht genug Dieselloks. Bei Waldbrandstufe 4 muss sich die HSB mit den Behörden abstimmen. Wirtschaftlich ist die Brockenstrecke für die HSB von großer Bedeutung, auf ihr erzielt das Unternehmen 75 Prozent seiner jährlichen Einnahmen. Sie seien wichtig für das Gesamtnetz.

    Die HSB stellt im Sommer Kessellöschwagen bereit, die auf dem Brocken und in Drei Annen Hohne stehen. Der Wasservorrat von 24 und 28 Kubikmetern kann über die Schiene schnell an die Brandstellen gebracht werden. Nach dem gleichen Prinzip will die HSB einen Wagen für das Material der Einsatzkräfte bereitstellen, wie Bahnsen ankündigte. Hinten angestellt seien zunächst die Ideen der sogenannten Streckenläufer entlang der Schienen und eine Videoüberwachung auf den Wagen.

    Der Blick von ganz oben: Um schon kleine Brände früh zu erkennen, setzt der Landkreis Harz auf eine Satellitenüberwachung. Bereits Feuer mit einer Größe von 10 mal 10 Metern soll das weltraumgestützte Frühwarnsystem an die Feuerwehr melden, wie der Landkreis erklärte. Die entsende dann Einsatzkräfte schneller, als es sonst der Fall wäre, so die Hoffnung. „Dieser Zeitvorteil hilft, Brände zügiger zu löschen, um die Natur, aber auch Mensch und Material zu schonen“, erklärte Landrat Thomas Balcerowski (CDU) zum Jahreswechsel.

    Löschen aus der Luft: Sachsen-Anhalt unterhält keine eigenen Löschflugzeuge. Stattdessen gibt es die EU-weite Flotte, bislang aber ohne Stützpunkt in Deutschland. Und so ist der Landkreis Harz selbst tätig geworden und hat einen Vertrag mit einem polnischen Löschflugzeug-Betreiber geschlossen. „Mieleckie Zakłady Lotnicze“ (MZL) wird ab April rund um die Uhr einsatzbereit sein. Den Landkreis kostet das Bereitstellen der Flugzeuge nach eigenen Angaben 150 000 Euro pro Saison. Landrat Balcerowski erhofft sich vom Löschflugzeug eine unbürokratische und schnelle Unterstützung der Feuerwehrkräfte am Boden. Der Harzer Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse spricht von deutscher Feuerwehrgeschichte. „Das ist der erste geplante kommerzielle Einsatz eines Löschflugzeugs in Deutschland.“

    Bilanz nach Brocken-Brand- Einsatz kostete 800.000 Euro pro Tag

    Was ist noch zu tun?: Es wurde viel Geld angefasst und Vieles in Sachen Brandschutz auf den Weg gebracht seit dem letzten Jahr, wie Kreisbrandmeister Lohse sagt. „Das wird aber noch lange nicht reichen.“ Im Nationalpark etwa müssten mehr Entnahmestellen für Löschwasser angelegt werden. Und auch über Zuwege für die Einsatzkräfte im Nationalpark Harz müsse geredet werden. Bislang gibt es auch noch kein Waldbrandschutzkonzept für das Schutzgebiet, das auf dem Gebiet der drei Landkreise Göttingen, Goslar und Harz liegt.

    Und wie sieht es anderswo aus?: In Sachsen hatte eine Expertenkommission dem Freistaat vor wenigen Wochen gut 100 Vorschläge für das Waldbrand-Management unterbreitet. Zur Reduzierung des Risikos von Waldbränden empfehlen die Fachleute etwa, den Waldumbau noch stärker auf Mischwälder mit Laubbäumen zu fokussieren. Totholz soll entfernt werden, wenn es Rettungswege versperrt oder wenn es sich in der Nähe von Wohnbauten befindet. Auch eine bessere Wasserversorgung etwa durch den Bau von Zisternen gehört dazu. Zudem wird zum Einsatz moderner Technik zur Früherkennung von Bränden geraten. In dem Bericht heißt es außerdem: „Auch im Nationalpark Sächsische Schweiz ergaben sich hinsichtlich Brandausprägung und -fläche keine Unterschiede zwischen totholzreichen und totholzarmen Waldstrukturen.“

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