Da möchte man der Kirche Mut zu einprägsamen Symbolen wünschen, zu spektakulären Ritualen.

Vom einstmals christlichen Abendland ist nicht viel geblieben. Wir leben in nachchristlichen Zeiten. Insofern ist es ein Anachronismus, einen neuen Feiertag kirchlich zu motivieren. Nun ist er aber da. Jetzt hast du ihn, liebe Kirche, mach’ was draus!

Die Chance gälte es zu nutzen, daraus einen Tag der Renaissance des Christentums zu machen. So sehr anders war ja Luthers Ausgangslage auch nicht. An der Geldgier der Kirche in Gestalt des Ablasshandels entzündete sich sein Zorn. Einer römischen Kirche, die sich am Ausgang des Mittelalters zu einer mehr oder weniger dekadenten, korrupten, verweltlichten, protzigen Machtinstanz entwickelt hatte, setzte er eine neue Frömmigkeit, Innerlichkeit und Gottesfurcht entgegen. Es gab ja kluge Leute, welche zur 500-Jahr-Feier der Reformation die These vertraten, ohne Luthers neues fundamentales Ernstnehmen der Evangelien wäre die Aufklärung weit eher gekommen, lebten wir schon viel länger in einem nachchristlichen Europa.

Und doch wirkt die Vorstellung, von der institutionalisierten Erinnerung an die Reformation in Gestalt eines Feiertags könne ein Impuls zur Erneuerung des Glaubens im Volk ausgehen, illusorisch. Dazu fehlt den wellness-mäßig weichgespülten Kirchenoberen von heute (leider) der heilige Furor Luthers und (zum Glück) seine schreckliche Intoleranz. Dem Volk ist sowieso längst jegliche Gottesfurcht abhanden gekommen.

Hinzu kommt:Was damals zu blutigen Exzessen führte, ist uns heute schlicht egal: die Spaltung der Kirche in evangelische und katholische. Wenn die Bischöfe sich selbst für ihren Willen zur Ökumene feiern, so muss man sagen: Damit locken sie keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Die meisten Menschen wissen eh nicht mehr viel mit der christlichen Botschaft anzufangen, geschweige denn mit den feinen Unterschieden des Glaubens.

Im Grunde hat der Reformationstag schon jetzt verloren. Christen waren nie gut im Kreieren bindungsstarker Symbole – schon gar nicht die Protestanten. Osterei und Osterhase sind ebenso heidnische Symbole wie Weihnachtsbaum und Lichterglanz. Wer weiß schon noch, dass am Bollerwagen-bierseligen Vatertag eigentlich Christi Himmelfahrt gefeiert wird? Je mehr die Bindungskraft des Glaubens schwindet, desto mehr erobert sich das Heidentum die Feiertage zurück. Und ein Feiertag ist umso erfolgreicher, ja mehr er sich vermarkten lässt. Das gilt auch für den Reformationstag. Die stille Besinnung kommt gegen den fröhlich lärmenden Kürbis-Klamauk von Halloween niemals an.

Da möchte man der Kirche Mut zu einprägsamen Symbolen wünschen, zu spektakulären Ritualen. Wie wäre es mit einem öffentlichen Thesenanschlag an jeder Kirchentür: Was läuft falsch in der Gesellschaft,was klagen wir als Kirche an? Laut, polemisch,voll heiligem Furor. Es müssen ja nicht immer gleich 95 Thesen sein.