Diese „Re-Formierung“ brauchen wir angesichts der Missbrauchsskandale im Moment ganz besonders dringend.

Ich freue mich auf meinen Besuch in Braunschweig. Auf Einladung von Landesbischof Meyns werde ich am Reformationstag mit meinen evangelischen Geschwistern im Braunschweiger Dom einen Gottesdienst feiern und dabei auch die Predigt halten. Ich bin sehr dankbar dafür.

Es zeigt, dass das Miteinander unserer beiden Kirchen von hoher gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Das gilt natürlich nicht nur für die Bischöfe und Landesbischöfe in Niedersachsen, die einen guten Umgang miteinander pflegen, sondern in besonderer Weise auch für die Partnerschaft mit unseren evangelischen Schwestern und Brüdern vor Ort: in den Städten und in den Dörfern.

Ich habe das im Sommer selbst erleben dürfen, als ich kurz vor meiner Weihe zum Bischof in einer evangelischen Kirche in Ohrum im Landkreis Wolfenbüttel zu Gast gewesen bin. Mit Jugendlichen aus dem Bistum Hildesheim habe ich während eines Pilgerweges dort Rast gemacht und die Gastfreundschaft der evangelischen Gemeinde genießen dürfen. Es ist ein gutes Beispiel für die gelebte Ökumene in unserem Bundesland, die mir ein Herzensanliegen ist.

Deshalb freue ich mich mit den evangelischen Brüdern und Schwestern, dass der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag geworden ist. Die Beziehungen zwischen unseren beiden Kirchen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten so enorm verbessert, dass in Bezug auf die Reformation und damit auch auf den Reformationstag nicht mehr das Abgrenzende im Vordergrund steht. Uns verbindet mehr als uns trennt. Jesus hat uns den Auftrag gegeben: Ihr sollt alle eins sein – und diesen Weg werden wir auch weiter beschreiten. Die Rückbesinnung auf Christus ist ganz wichtig – auch vor dem Hintergrund des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das Konzil betont, dass die Kirche zu jeder Zeit der Reform bedarf, da sie auch eine menschliche Institution ist.

Diese „Re-Formierung“ brauchen wir angesichts der Missbrauchsskandale im Moment ganz besonders dringend. Da müsste eigentlich jeder Tag ein Reformationstag sein. Die evangelischen und katholischen Bischöfe in Niedersachsen haben sich im Laufe dieses Jahres mit der Frage der Gestaltung des Reformationstages beschäftigt. Ich selbst war bei diesen Gesprächen noch nicht dabei, finde aber, dass hier wichtige Dinge benannt wurden. So sollte der Reformationstag ein Tag sein, an dem Fragen thematisiert werden, die für unsere Gesellschaft von Bedeutung sind.

Mir ist es wichtig, die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Blick zu nehmen. Wie wir mit Minderheiten umgehen, darf uns nicht kalt lassen. Wir müssen schauen, was wir gegen den wachsenden Antisemitismus tun können. Außerdem bin ich angesichts der politischen Debatten, die zu häufig von Polemik oder Populismus getragen sind, der Meinung, dass wir in unserer Gesellschaft nicht genug darüber reden, wie wichtig Frieden ist, das Abrüsten in Worten und Gedanken.

All dies sind Themen, zu denen wir als Kirchen Beiträge liefern möchten, die der Gesellschaft im Ganzen zugutekommen. Das ist unser gemeinsamer Auftrag als Christen.