Hannover. Die Landesregierung erhält Lob für ihr Auftreten, aber auch Kritik wegen zu späten Handelns. Das milliardenschwere Hilfspaket wird abgenickt.

Soviel Hygiene war noch nie im niedersächsischen Landtag. Und Abstand war angesagt: Die Besucherränge im Plenarsaal blieben leer. Nur je 9 Abgeordnete von SPD und CDU saßen dort oben, um unten im Plenum mehr Freiraum zu schaffen. Behandschuhte Saaldiener wischten nach jedem Redebeitrag das Rednerpult ab, und auch politisch blieb es in der Sitzung sauber.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) holte sich für sein Auftreten in der Corona-KriseLob sogar von der AfD-Fraktion ab. „Wirklich niemand möchte heute in Ihrer Haut stecken“, sagte deren Fraktionsvorsitzende Dana Guth Richtung Landesregierung. Die Ruhe und Unaufgeregtheit seien lobenswert, Weil mache das „Profilierungsgehabe“ einiger Kollegen nicht mit. Gemeint wohl der Bayer Markus Söder (CSU).

Weil: Egoismus riskiert Leben

Die Sitzung hatte mit einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten begonnen. Weil hatte mit dem Verschärfen der Corona-Pandemie betont ruhig immer mehr öffentliche Präsenz gezeigt, so auch bei Pressekonferenzen des Krisenstabs. „Egoismus riskiert Leben, Gemeinschaft schützt Leben“, betonte Weil im Landtag.

Bei den 2140 gemeldeten Fällen im Land sei von einer zwei- bis dreifachen Dunkelziffer auszugehen. Es gebe weiter steigende Fallzahlen. Später wurden denn auch 2313 Fälle gemeldet.

„Wir müssen immer wieder mit Rückschlägen rechnen“, sagte Weil zum Verlauf der Pandemie in Niedersachsen. Die volle Wirkung der beschlossenen Maßnahmen – darunter eine Kontaktsperre sowie Schul- und Kitaschließungen – werde sich in zehn bis zwölf Tagen zeigen. Die Zahl der Erkrankungen pro 100.000 Einwohner sei im Vergleich der Bundesländer aber immer noch unterdurchschnittlich.

„Wir befinden uns in einer dynamischen Infektionswelle“, sagte Weil. Corona sei nicht schnell zu besiegen. Die allermeisten Menschen hätten aber verstanden, worum es geht. Zunächst sollten bis nach Ostern alle Möglichkeiten genutzt werden. Dann werde eine Bewertung stattfinden. Mit rund 2.300 Intensivbetten sei Niedersachsen sehr gut ausgestattet, die Zahl solle aber möglichst verdoppelt werden, sagte Weil. Auch das Einrichten von Behelfskrankenhäusern sei denkbar.

FDP-Fraktionschef Stefan Birkner legte allerdings seinen Finger in etliche Wunden. Die Corona-Verbreitung stelle eine große und reale Gefahr da. „Wir haben keine Impfungsmöglichkeiten, wir haben bisher keine Medikamente “, sagte Birkner. Eine Entwicklung wie in Italien sei keineswegs ausgeschlossen. „Es geht jeden an“, warnte Birkner. Die FDP sehe die Notwendigkeit der schweren Eingriffe, aber auf Dauer halte eine freiheitliche Gesellschaft das nicht aus. Das Gesundheitswesen müsse dringend gestärkt, die Digitalisierung vorangetrieben werden.

Wie Birkner sagte auch CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer, Corona sei vorhersehbar gewesen. In einer Bundestagsdrucksache vom Januar 2013 werde als Szenario ein „außergewöhnliches Seuchengeschehen“ angenommen, entstanden und zunächst vertuscht in Asien. Mittel zur Eindämmung seien Schulschließungen und Absage von Großveranstaltungen, las Toepffer vor.

Guth warf der Landesregierung in der aktuellen Krise erhebliche Versäumnisse vor. Man habe zu lange behauptet, gut aufgestellt zu sein.

Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU)musste in der Debatte sogar noch eine „Kontrolllücke“ am Flughafen Langenhagen einräumen: Ankommende Fluggäste hatten sich gewundert, dass es keine Hinweise gab. Das soll nun geändert sein.

Ohnehin gilt der Raum Hannover als ein Schwerpunkt der Ausbreitung. Nun wurde auch Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) positiv getestet. Im Landtag fehlte am Mittwoch Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU): Sie ist in Quarantäne.

Weil- Corona gemeinsam besiegen – 2313 Fälle in Niedersachsen

Grüne fordern zweites Hilfspaket

Das Parlament war aber vor allem zusammengekommen, um einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Damit sollen Hilfen für Unternehmen sowie eine bessere Ausstattung für das Gesundheitssystem finanziert werden.

Zu neuen 1,4 Milliarden Euro kommt ein erhöhter Bürgschaftsrahmen von 3 Milliarden Euro.

Der Grünen-Haushaltspolitiker Stefan Wenzel forderte aber bereits das Vorbereiten eines zweiten Hilfspakets für die Zeit nach der Krise.

Wegen Corona setzt das Land das Neuverschuldungsverbot („Schuldenbremse“) außer Kraft. Das ist für Notlagen vorgesehen. „Wir werden mit aller Macht für unsere Wirtschaft kämpfen“, sagte Landesfinanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Bei der NBank, die Hilfsprogramme abwickeln soll, fielen aber laut Berichten erst einmal die Server aus.

Entscheidung über Abiturprüfungen in Niedersachsen am Freitag

Was das Abitur angeht, soll spätestens Freitag mehr Klarheit herrschen: Das kündigte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) während der Landtagsdebatte an. Wegen der Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren gibt es aber weniger Absolventen. Die Einigung der Kultusministerkonferenz, das Abitur möglichst stattfinden zu lassen, begrüßte Tonne am Nachmittag.