Lüneburg. . Zirkusdirektor Klaus Köhler kämpfte vor Gericht sehr emotional um die Zukunft seines Schimpansen Robby – und er hatte Erfolg.

Dürfte die Tierschutzorganisation Peta auch Katzen-und Hundebesitzer verklagen, deren Tierlieblinge mit im eigenen Bett schlafen? Gibt es bei Peta Extremisten?

Das fragt unsere Leserin

Uta Liebau

Die Antwort recherchierte Dirk Breyvogel

Auf die Tierrechtsorganisation Peta ist Alexandra Dörnath nicht gut zu sprechen. Die Bremer Tierärztin, die Robbys Besitzer, Zirkusdirektor Klaus Köhler, im Gerichtssaal am OVG in Lüneburg tatkräftig unterstützt, spricht von Menschen, mit denen man gar nicht mehr reden könne, völlig verblendet seien die. Empfangen wurde Köhler und seine Entourage am Gericht mit Plakaten, auf denen zu lesen war: „Peta. Wir. Gemeinsam für Tierrechte“ und „Tiere raus dem Zirkus“.

Dörnath hält den Vorwurf der Tierquälerei im Fall Robby für scheinheilig. „Was heißt bei einem Schimpansen denn artgemäße Haltung, der seit 40 Jahren nur mit Menschen gelebt hat? Dann müssen wir doch auch Hundebesitzer oder Menschen, die sich Kaninchen halten, fragen, ob die Tiere bei ihnen leben wie in der freien Wildbahn.“ Die Frage unserer Leserin, ob es bei Peta Extremisten gibt, würde Dörnath bejahen.

Die Tierrechtsorganisation Peta hatte im Berufungsverfahren am Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg um Robby, den wohl einzigen Menschenaffen in einem deutschen Zirkus, schon früh am Morgen Flagge gezeigt. Schon eine Stunde bevor der Prozess begann, hatten sich rund zehn Aktivistinnen postiert. Yvonne Würz, Zoo- und Zirkusbeauftragte der Organisation, war extra aus Stuttgart angereist. „Das, was mit Robby passiert, ist Tierquälerei.“ Die Behörden im Landkreis Celle hätten jahrelange versäumt, den Schimpansen aus seiner Gefangenschaft zu befreien, schimpfte Würz. Sie hoffe, dass das OVG das Urteil des Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 bestätigen würde. Es kam anders.

Das letzte Wort vor der Urteilsverkündung hatte in diesem besonderen Fall der Kläger und nicht der Angeklagte. Zirkusdirektor Köhler war es ein Anliegen, nochmal zum Gericht zu sprechen. Seine Stimme versagte beinahe, als er erklärte: „Hohes Gericht, ich bin ein einfacher Mann, aber ich verstehe die Vorwürfe nicht. Robby geht es bei mir gut, er hat nie etwas anderes kennengelernt, und auch Robby gibt mir immer wieder zu verstehen, wenn ihm etwas nicht passt. Ich sage das jetzt, so wie ich das meine, als Vater. Wenn Sie mir Robby nehmen, ist das so, als würden Sie mir eines meiner Kinder nehmen.“ Köhler hat sechs Kinder, Robby sei sein siebtes. Tränen stehen dem 70-Jährigen in den Augen.

Die im Gericht anwesenden Familienmitglieder, Angehörige und Freunde schlucken kräftig, als sich Köhler wieder hinsetzt. Im Zentrum des Berufungsverfahrens stand am Donnerstag erneut die Aussage des Sachverständigen Dr. Pierre Grothmann. Der Tierarzt war auch schon bei der Entscheidung in erster Instanz, die die Richter am OVG nun kippten, aufgetreten. Grothmanns Expertise war vom Landkreis Celle angefordert worden. Schon im Jahr 2013 begann die juristische Auseinandersetzung um den richtigen Lebensort für den mindestens 43-jährigen Schimpansen. Der Landkreis, seit 2007 die zuständige Genehmigungsbehörde, hatte auf Grundlage eines eingeholten Gutachtens der Primatologin Signe Preuschoft verfügt, Robby in einer spezialisierten Haltungseinrichtung für Menschenaffen in den Niederlanden unterzubringen.

Die seit 1990 bestehende bundesweite Leitlinie, die die Haltung von Menschenaffen in deutschen Zirkussen generell untersagt, war zuvor vom Landkreis nicht umgesetzt, sondern per Ausnahmegenehmigung umgangen worden. „Wir haben aber über Jahre versucht, die Haltungsbedingungen für Robby zu verbessern. Und es auch geschafft“, erklärte der Erste Kreisrat Michael Cordioli als Beklagter vor dem Urteil am OVG. Im Jahr 2015 hätte sich laut Cordioli die Chance der Verlegung in die Auffangstation ergeben, um die Situation für das Tier zu verbessern. Doch Besitzer Köhler habe sich geweigert, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der Landkreis entschied daher, von seinem Recht Gebrauch zu machen, eine Verfügung zur Abgabe anzuordnen. Parallel wurde der Fall durch die Peta-Kampagne „Rettet Robby“ einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Dem ersten Urteil aus dem Jahr 2017 folgte am gestrigen Donnerstag nun die juristische Kehrtwende.

Grothmann, einziger Zeuge in der Anhörung, macht klar, dass Robby zwar auf den Menschen unwiederbringlich fehlgeprägt sei, eine Resozialisierung aber weiter mehr Chancen als Risiken beinhalte. Der Vorsitzende Richter Dieter Muhsmann und die anderen Richter des 11. Senats haken immer wieder nach. Es ist am Ende entscheidend, dass Grothmann auch das Risiko des Todes, des Getötet- oder Verletztwerdens während der Resozialisierung unter Artgenossen nicht ausschließen kann oder will. Es geht um die Fragen: Was ist artgerecht? Was sieht das Tierschutzgesetz vor? Und wie werden schwerwiegende Verhaltensstörungen definiert? Beim letzten Punkt verweist Grothmann darauf, dass Verhaltensstörungen sich auch im Nicht-Verhalten des Schimpansen äußern könnten. Robby wisse gar nicht, wie man sich artgerecht verhalte.

Für die Richter ist dieser Hinweis zwar plausibel, doch ziehen sie eine andere Konsequenz. Robby werde zwar nicht artgerecht gehalten und Verhaltensstörungen durch die Prägung durch den Menschen seien immanent, aber im Angesicht des fortgeschrittenen Alters und verbunden mit dem zusätzlichen Stress, der insbesondere am Anfang der Neueingliederung auf den uralten Schimpansen zukommen kann, sei eine Verlegung in die niederländische Resozialisierungseinrichtung unverhältnismäßig, urteilt Muhsmann. Die Anordnung durch den Landkreis Celle ist nach Ansicht des OVG „ermessensfehlerhaft“ und damit rechtswidrig. Es seien nicht alle betroffenen Belange berücksichtigt und wesentliche Gesichtspunkte falsch gewichtet. Dazu gehöre, dass Robby auch nach einer erfolgreichen Resozialisierung in einer spezialisierten Haltungseinrichtung dort sehr wahrscheinlich nur zu zweit oder zu dritt und jedenfalls nicht artgerecht in einer Schimpansengruppe gehalten werden könnte. „Weiter ist nicht geklärt, ob Robby an einer verstärkt bei großen Menschenaffen auftretenden Herzerkrankung leidet“, heißt es in der Begründung. Auch der geladene Sachverständige gibt zum Schluss ein wenig kleinlaut zu: Zur Beurteilung, was für Robby das Beste sei, hätte doch eher ein Ethologe, also ein Verhaltensforscher, als ein Tierarzt zu Rate gezogen werden sollen.

Eine Revision lässt das Gericht nicht zu. Die unterlegene Partei, in dem Fall der Landkreis Celle, habe aber noch die Möglichkeit, gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einzulegen. Auf Nachfrage erklärt der Pressesprecher des Kreises: „Das ist noch zu früh. Wir warten jetzt auf die schriftliche Begründung des Urteils und prüfen gegebenenfalls weitere juristische Schritte.“